In einem Gebäude des stillgelegten AKWs Lingen wurde der Molke schließlich das Cäsium entzogen, wie der SWR schreibt. Der Freistaat Bayern hat stets betont, dass in Bayern keine gesundheitlichen Auswirkungen von Tschernobyl gegeben habe. Untersuchungen an Kindern Ende der 80er-Jahre hätten etwa "keine regionalen und zeitlichen Änderungen der genannten Gesundheitsparameter ergeben", was Fehlbildungen oder Ähnliches betreffe.
Verstrahlte Wildschweine, radioaktive Pilze? So ist die Lage in Franken heute
Und heutzutage? Für Pilze und Fleisch von Wildschweinen, die den belasteten Waldboden nach Nahrung durchwühlen, wiesen Stichproben der Behörden aus Bayern 2021 noch immer Spitzenwerte auf: Weißer Rasling aus dem Landkreis Garmisch-Partenkirchen - 5100 Becquerel, Semmel-Stoppelpilz aus dem Landkreis Miesbach - 1300 Becquerel oder Wildschwein aus dem Landkreis Ostallgäu - 1400 Becquerel. In einem guten Jahr sind nach Experten-Schätzungen etwa 10 bis 15 Prozent der erlegten Wildschweine aus den betroffenen Gegenden in Bayern so verstrahlt, dass sie entsorgt werden müssen.
Es können aber auch bis zu 60, 70 Prozent sein, berichtete die Deutsche Presseagentur vor genau einem Jahr. Die Strahlung der Wildschweine schwankt je nach Jahr und Jahreszeit. Entscheidend ist dabei die Nahrung. Je weniger die Tiere im belasteten Waldboden nach Nahrung wühlen, desto weniger sind sie verstrahlt. Es wird wohl noch 70 bis 80 Jahre dauern, bis sich die Belastung bei den Wildschweinen zumindest halbiert, schätzen Forscher.
Auch wenn der radioaktive Stoff langsam zerfalle, nähmen die Tiere noch mehr als genug davon auf. Das Landesamt für Umwelt wagt gegenüber der Deutschen Presseagentur erst gar keine Prognose. "Eine Aussage darüber, wann die Aktivität nicht mehr messbar sein wird, ist nicht möglich", so eine Sprecherin. Allerdings gibt es für Franken auch hier wieder gute Nachrichten: Die vergangenen Pilzstichprobenmessungen des Münchner Umweltinstituts ergaben lediglich einmal 2021 eine leicht erhöhte Belastung mit Cäsium-137, nämlich bei einem Maronenröhrling aus Roth. "Wildfleisch und Wildpilze würden "im Regelfall nur in relativ geringen Mengen verzehrt", so das LfU. Vorsicht gelte besonders bei Schwangeren und Kleinkindern, heißt es vom Umweltinstitut aus München.
Ukraine gedenkt Tschernobyl-Katastrophe - russische Besetzung im Kernkraftwerk hätte "Tragödie" werden können
Die Ukraine hat währenddessen mitten im Russland-Krieg der Atomkatastrophe von Tschernobyl vor 36 Jahren gedacht. "Die Folgen der Tragödie waren wirklich schrecklich und betrafen ganz Europa", schrieb Ministerpräsident Denys Schmyhal am Jahrestag am Dienstag (26. April 2022) im Nachrichtendienst Telegram. Schmyhal erinnerte auch an die kürzliche, über einen Monat währende russische Besetzung des stillgelegten Kraftwerks. Der kleinste Fehler hätte zu einer neuen "Tragödie" führen können, so Schmyhal.
Im ukrainischen Fernsehen wurde als Zeichen des Gedenkens eine Kerze eingeblendet und um 12 Uhr Ortszeit eine Gedenkminute eingelegt. Dokumentationen zeigten das Gebiet nach dem Rückzug russischer Truppen Ende März. Die 30-Kilometer Sperrzone um das Kraftwerksgelände war unmittelbar nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 besetzt worden.
Der Unfall in Tschernobyl gilt als die größte Atomkatastrophe der zivilen Nutzung der Kernkraft. Infolgedessen wurden radioaktiv verstrahlte Landstriche um den Meiler gesperrt. Es gab Tausende Tote und Verletzte. Zehntausende Menschen wurden zwangsumgesiedelt.