Druckartikel: Fränkischer Pfarrer nach Missbrauch im Ausland versteckt? - "mafiöse Strukturen"

Fränkischer Pfarrer nach Missbrauch im Ausland versteckt? - "mafiöse Strukturen"


Autor: Isabel Schaffner, Agentur dpa

Bamberg, Montag, 13. Januar 2025

Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch übt harsche Kritik an der katholischen Kirche wegen der Versetzung von Priestern mit Missbrauchsvorwürfen. Die ARD hatte Recherchen zu Fällen aus Bamberg und Eichstätt veröffentlicht.
Dieter S. war unter anderem Kaplan in Nürnberg. Nach Missbrauchsvorwürfen gegen ihn soll ihm das Erzbistum Bamberg geholfen haben, in Bolivien als Missionar zu arbeiten.


Die Versetzung von Missbrauchstätern ins Ausland war aus Sicht der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch lange Zeit ein gewohntes Vorgehen innerhalb der katholischen Kirche. "Nach unserer Einschätzung hatte dieses Verstecken in der Mission System", äußerte ihr Sprecher, Matthias Katsch, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Es offenbart geradezu mafiöse Strukturen in der Kirche, wenn es darum ging, Täter vor den Konsequenzen ihrer Verbrechen zu schützen."

Auch aus dem Bereich der Ordenspriester sind laut Katsch "zahlreiche vergleichbare Fälle" bekannt. "So hatten beide Serientäter vom Berliner Canisius-Kolleg Bezüge und Einsätze in Lateinamerika, nachdem sie schon in Deutschland an verschiedenen Einsatzorten Missbrauchstaten begangen hatten." Das ARD-Politikmagazin "report München" hatte in Zusammenarbeit mit dem ARD-Studio Rio de Janeiro eine Recherche über derartige Fälle veröffentlicht, in deren Zentrum zwei Priester aus den bayerischen Diözesen Eichstätt und Bamberg standen. 

"Es muss immer wieder erschüttern": Bamberger Erzbistum-Sprecher zu sexuellem Missbrauch

Das Erzbistum Bamberg soll einem Priester, gegen den Missbrauchsvorwürfe erhoben worden waren, geholfen haben, in Bolivien als Missionar zu arbeiten. inFranken.de berichtete in der Vergangenheit mehrfach über Dieter S.. Sieben Jahre später, 1970, wurde er Pfarrer in der oberfränkischen Stadt Wallenfels. Diesen Fall, den das Erzbistum selbst vor einigen Jahren bekannt machte, greift "report München" ebenfalls auf. Nach seiner Rückkehr wurde der Mann in Bayern als Gemeindepfarrer eingesetzt.

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"Es muss immer wieder erschüttern, dass sich ein Priester über Jahrzehnte hinweg ungehindert immer wieder an Kindern und Jugendlichen vergehen konnte", sagte Bistumssprecher Harry Luck der dpa. Um in einer Studie ein "möglichst umfassendes Bild" über den sexuellen Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und Schutzbedürftigen durch Kleriker zwischen 1946 und 2022 zu erzielen, bat die Erzdiözese Bamberg 2024 Betroffene, sich zu melden.

Inzwischen gebe es 13 Meldungen von Betroffenen zu Dieter S., davon zwei aus dessen Nürnberger Zeit und elf aus seiner Zeit im oberfränkischen Wallenfels. Der Fall sei Gegenstand des derzeit laufenden wissenschaftlichen Aufarbeitungsprojekts.

Missbrauchstäter nach Afrika und Lateinamerika geschickt

Ein Priester aus dem Bistum Eichstätt hatte sich nach Missbrauchsfällen Ende der 1960er Jahre erst nach Afrika und dann nach Südamerika abgesetzt hatte. Das Bistum selbst hatte den Fall bereits 2022 bekannt und damit auch Vorwürfe gegen den früheren Bischof dort öffentlich gemacht, der den betreffenden Priester gedeckt haben soll. Der Priester sei unter falschem Namen als Missionar tätig gewesen und nach seiner Rückkehr - als die vorgeworfenen Taten verjährt waren - im Erzbistum München eingesetzt worden. 

Im Interview mit "report München" sprach der aktuelle Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke von Praktiken mit "kriminellem Anstrich": "Da mit ansehen zu müssen, dass Täter geschützt wurden, das ist skandalös." Eine Sprecherin des Bistums betonte auf dpa-Anfrage: "Die Betroffenen sexuellen Missbrauchs wurden durch ein System im Stich gelassen, das ihre Rechte und ihr Leid ignorierte."

Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte 2022 die Ergebnisse der Untersuchung von 474 der Akten zu Entsandten der Koordinierungsstelle Fidei Donum zum Einsatz von deutschen Priestern in Lateinamerika vorgestellt. Daraus ergab sich, dass der frühere Leiter dieser Koordinationsstelle und spätere Bischof von Santo Domingo in Ecuador, Emil Stehle, "Priester, die in Deutschland wegen sexualisierter Gewalt strafrechtlich verfolgt wurden, dabei unterstützt hat, sich den Strafverfolgungsbehörden zu entziehen", wie es damals in einer Mitteilung der DBK hieß. "Auch wird er selbst des sexuellen Missbrauchs beschuldigt", teilte die Bischofskonferenz 2022 mit.

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