Bei der Kaufpreisfindung für die Warner-Barracks ist der künftige Ertragswert entscheidend. Der Vorteil: Viele Abzüge könnten dazu beitragen, dass die "Stadt in der Stadt" für eine untere zweistellige Millionensumme über den Tisch geht. Der Nachteil: Die Neigung zu Luxussanierungen steigt.
Ganz am Anfang stand eine gewaltige Zahl. Und ein Dementi von der Stadt. Ist es möglich, dass die US-Kaserne in Bamberg eine Milliarde Euro wert sein könnte?
Mittlerweile ist klar: Diese Summe ist hinfällig. Durch den Abzug der Amerikaner ist der Sachwert aller vordem noch genutzten Anlagen und Grundstücke über Nacht um ein Vielfaches geschrumpft - und die Schätzung aus dem Umfeld des für die US-Kaserne zuständigen Staatlichen Bauamts eine Randnotiz der Geschichte.
Eine Milliarde? Sehr wahrscheinlich werden Stadt und Bundesanstalt für Immobilienangelegenheit (Bima) am Ende der Verhandlungen über einen zweistelligen Millionenbetrag reden. Möglicherweise bewegt sich die Kaufsumme sogar im unteren Bereich. Das legt eine Meldung aus Schweinfurt nahe, wo die Kaufsumme für die 26 Hektar große Ledward-Kaserne bekannt wurde. Neun Millionen Euro sind es, die Schweinfurt für eine Vielzahl von Technikgebäuden und Mannschaftsunterkünften hinblättern will. Auf dem Gelände entstehen Fachhochschulgebäude und Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende. Auf den Quadratmeter umgerechnet ergibt sich ein Preis von vergleichsweise überschaubaren 35 Euro.
Bambergs zum Kauf stehende Kasernenfläche ist natürlich viel größer - fast 160 Hektar. Und auch die Immobilienpreise unterscheiden sich in beiden Städten. Doch am Prinzip der Wertermittlung ändert das nichts - und ebenso an der Tatsache, dass der Gebäudebestand hier wie dort sehr ähnlich ist.
Eine Simulation durch Gutachter Zwei Probleme stellen sich, wenn es darum geht, zu klären, welchen Wert eine "Stadt in der Stadt" hat: Durch das Erstzugriffsrecht der Kommune muss der im Baugesetzbuch zur Veräußerung vorgeschriebene "Marktwert" durch Gutachten ermittelt werden. Maßgeblich ist der Wert des "gewöhnlichen Geschäftsverkehrs", den es in diesem Fall aber nicht gibt. Außerdem spielt der Zeitfaktor eine ganz erhebliche Rolle. Weil es Jahre dauern kann, bis die von den Städten geplante Nutzung verwirklicht wird, kommt es teilweise zu erheblichen "Abzinsungen" - ein Effekt, der den Kaufpreis von Grundstücken teilweise bis zum Nullwert mindern kann.
Was bedeutet das für Bamberg? Um den Wert der Warner-Barracks und in einem ersten Schritt den von 100 Wohnungen der Pines-Siedlung zu ermitteln, bedienen sich Gutachter der so genannten "deduktiven Bodenwertermittlung". Dieses Verfahren soll eine Verwertung beschleunigen, indem es von der geplanten Endnutzung und ihrem erwarteten Ertrag ausgeht. Alle Kosten, die auf dem Weg dorthin anfallen, werden vom Ertragswert abgezogen.
Jörg Musial, Verkaufsleiter der Bima in Deutschland, sieht in den Vorgaben einen fairen Interessensausgleich zwischen den Beteiligten, die sich den Entwicklungsgewinn teilen und die Risiken gemeinsam tragen. Denn die Kommune könne erhebliche Abzüge geltend machen, etwa für die Beseitigung von Schadstoffen, den Abbruch der Gebäude, die Entfernung von Kampfmitteln, die Kosten für Erschließung, die Anlage von Grünflächen bis hin zu so genannten Entwicklungsfolgekosten, also den Bau von Kindergarten und Schulen. Beispiel Schweinfurt: Hier sind die erheblichen Abbruchkosten von Technikgebäuden ein Grund, weshalb sich der Preis bei nur neun Millionen Euro für 26 Hektar einpendelt hat.
Keine Lobby für Normalverdiener? Freilich hat das komplizierte Wertermittlungsverfahren auch Tücken. In der Bima ist es kein Geheimnis, dass in manchen deutschen Garnisonsstädten das Interesse an günstigem Wohnraum bei den politischen Entscheidungsträgern nicht gerade hoch ausgeprägt ist. Ein Gesprä chspartner, der nicht genannt sein will, beschreibt die Interessenlage folgendermaßen: "Man kümmert sich lieber um gut verdienende Schichten und scheut die Konkurrenz für die eigenen Bestandswohnungen."
Dieser wenig schmeichelhaften Einschätzung stehen in Bamberg die aktuellen Pläne für die Pines-Siedlung entgegen. "Dort sollen gerade auch bezahlbare Wohnungen entstehen", sagt Christian Hinterstein. Der Konversionsreferent kritisiert zugleich die Ausgestaltung des Erstzugriffsrechts durch den Bund: "Für die Kommunen ist es ein echter Nachteil, dass sie ihre Nutzungsabsichten vor den Kaufpreisverhandlungen nennen müssen. Dadurch kann der Bund den Entwicklungsgewinn abschöpfen."
Kommentar des Autors:
Risiken und Nebenwirkungen
uf den ersten Blick hat das System der Bodenwertermittlung bei der Konversion viele Vorteile. Sie fördert eine schnelle Nachnutzung der früheren US-Liegenschaft, weil sie vor allem den künftigen Ertrag in den Mittelpunkt stellt. Die Folge: Durch zahlreiche Abzüge rückt der Preis für das neue Stück Stadt in erschwingliche Nähe. Doch das Abzugsmodell birgt auch Risiken für den Wohnungsmarkt. Es fördert die Kreativität eines Käufers, den Preis dadurch zu drücken, dass hohe Hürden für Brandschutz, Energie oder Erschließung aufgeworfen werden.
Dem erklärten Ziel der Bamberger Politik, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, würde allzu ausuferndes Nachbessern aber zuwiderlaufen. Der Vorteil der Kasernenwohnungen ist ja gerade die Tatsache, dass sie in großer Zahl vorhanden sind - mit einer guten, aber nicht luxuriösen Ausstattung. Wird hier übertrieben üppig aufgesattelt, kann man sich die Folgen an einer Hand abzählen: Mit dem Umbaubedarf steigt der Preis der Wohnungen, und es ist nicht sicher, ob ihre Attraktivität am Markt im gleichen Maße wächst.
Im Extremfall droht die Erkenntnis, dass zu teure Kasernenwohnungen nicht verkäuflich sind, jedenfalls nicht in großer Zahl. Dann wäre die Debatte wieder da, wo sie am Anfang schon einmal war: beim Streithema Abbruch.