Lange Straße in Bamberg: Wird der Gehweg wieder verschmälert?

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Foto: Michael Wehner
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Umstrittener Umbau ind er Langen Straße: Ein Bordstein steht seit kurzem dem Radverkehr im Weg. Foto: M. Wehner
Umstrittener Umbau ind er Langen Straße: Ein Bordstein steht seit kurzem dem Radverkehr im Weg.   Foto: M. Wehner
 

Am Dienstag berät der Stadtrat über die neue Verkehrsführung in der Langen Straße. Der Protest vieler Radler gegen die künstliche Engstelle könnte zum teilweisen Rückbau des Rückbaus führen.

Vorwürfe will Helmut Müller, Chef der Bamberger CSU-Fraktion, niemandem machen. Aber dennoch Klartext reden: In der Langen Straße zeige sich halt der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. "Das ist Pfusch im höchsten Grade", sagt Müller.

Beschlossen hat ihn auch Müller - mit vielen seiner Kollegen, die 2012 mit sieben Stimmen Mehrheit den Rückbau des Radwegs in der Langen Straße absegneten.

Heute treibt das, was aus Kostengründen erst im Frühling 2015 im Zuge von Leitungsarbeiten eines Telekommunikationsunternehmens verwirklicht wurde, nicht nur die Radfahrer auf die Barrikaden. Auch die Autofahrer klagen über eine mit hohem Aufwand betriebene "Verschlimmbesserung": Mitten in der viel befahrenen Straße wurden die Verkehrsströme auf Höhe Hellerstraße zwangsweise vereint, man könnte auch sagen verdichtet.
Denn die Straßenbreite beträgt dort kaum vier Meter.

CSU-Chef Müller, selbst Radfahrer, kann bestätigen, was viele Bamberger kritisieren: Die Engstelle, von der jetzt die Gefahren ausgehen, ist nicht gerade sinnvoll: Sie wurde durch die Verbreiterung des Gehwegs und die Anbringung von Fahrradbügeln an der Einmündung Hellerstraße erst künstlich herbeigeführt. Fahren die Radfahrer dort geradeaus, statt sich den Piktogrammen folgend einzufädeln, machen sie ungewollt Bekanntschaft mit einer Bordsteinkante. Ein Sturz könnte schwere Folgen haben.

Das will Müller verhindern und schlägt für die heutige Sitzung des Umweltsenats zwei Dinge vor: Auch wenn es eine Korrektur an einer erst vor kurzem fertig gestellten Straßengestaltung und damit der teilweise Rückbau des Rückbaus wäre, soll als Sofortmaßnahme die Bordsteinkante zum Gehweg wieder absenkt werden. So stünde Radfahrern weiterhin die bisher vorhandene Breite der Straße zur Verfügung. Eine kleine Korrektur mit großer Wirkung, glaubt Müller. Um langfristig die Straße wie geplant aufzuwerten, will er außerdem "Nägel mit Köpfen" machen". Ziel sei ein verkehrsberuhigter Geschäftsbereich, wie er auf der Kettenbrücke mit einigem Erfolg eingeführt wurde.

Doch die Lange Straße ist mit 10 000 Fahrzeugen am Tag und 3400 Radfahrern in zwölf Stunden ein anderes Kaliber als die Kettenbrücke. Ob Müllers Fraktion bei einer so weit reichenden Verkehrsberuhigung ja sagt, ist fraglich. Schon 2012 hatte die CSU zurückgerudert: Zum Gesamtpaket von Veränderungen, die die Lange Straße aufwerten sollten, hatte ursprünglich auch die Auflösung von 14 Parkplätzen in Fahrtrichtung links gezählt. Dazu war es nach dem Einspruch der Union nicht gekommen.

Zumindest bei den Bamberger Grünen wird eine Verkehrsberuhigung auf Zustimmung stoßen. Peter Gack mag sich nicht vorstellen, jetzt erst einmal nichts zu tun und die Situation zu beobachten, wie die Verwaltung vorschlägt. Statt dessen wollen die Grünen mit sofortiger Wirkung Tempo 20 einführen und die Parkplätze linkerhand auflösen, um so den Parksuchverkehr aus der Straße zu verbannen. Dass etwas getan werden muss, sei unabweislich, glaubt Gack: "Die Situation in der Langen Straße ist nicht besser, sondern schlechter geworden."
Bei Michael Bosch rennen CSU und GAL offene Türen ein. Der Stadtrat der Bamberger Realisten war es gewesen, der mit einem Dringlichkeitsantrag den Stein des Anstoßes ins Rollen gebracht hatte, und dies wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als die Arbeiten noch nicht abgeschlossen waren. Bosch hält die neue Situation in der Langen Straße für "lebensgefährlich".

Doch auch die anderen Fraktionen machen Vorschläge. Von Dieter Weinsheimer (FW) kommt die Idee, die jetzt noch rechtsseitigen Piktogramme in der Straßenmitte neu aufzupinseln. Damit werde unübersehbar klar, dass Radfahrer in der Langen Straße wie Autofahrer die Mitte der Straße benutzen dürften. Auch in der SPD-Fraktion überwiegt die Skepsis, ob die jetzt gefundene Lösung wirklich praxistauglich sei. Wie Fraktionsschef Klaus Stieringer meint, dürfe man nicht davor zurückschrecken, etwas wieder wegzunehmen, was "nur in der Theorie gut aussieht". Deutlicher macht Norbert Tscherner (BBB) seinem Unmut Luft. "Das ist unverantwortlich und ein Beleg dafür, dass Bamberg kein funktionstüchtiges Bauamt hat - ein Schildbürgerstreich", schimpft der Bauunternehmer. Er würde "am liebsten gleich selbst mit der Baggerschaufel eingreifen"...
Auch wenn es noch keine Unfälle gab, wie die Bamberger Verkehrspolizei auf Anfrage mitteilt, sind bereits viele Beschwerden in der Direktion in der Schildstraße eingegangen. Trotzdem sieht die Polizei keinen Anlass, etwas zu unternehmen. Wie Klaus Linser sagt, ist die Verkehrsführung aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Auf einem anderen Blatt steht freilich seine private Einschätzung darüber, ob mit dem Rückbau dem Radverkehr in Bamberg ein guter Dienst erwiesen worden sei. "Ich bin wirklich nicht zufrieden."



Kommentar des Autors: Radfahren auf dem Holzweg


E s ist keine vier Wochen her, da stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Arbeitsgemeinschaft der fahrradfreundlichen Kommunen in Erlangen eine millionenschwere Radwegeoffensive für den Freistaat vor. Ziel sei es, den Fahrradverkehr im Bewusstsein der Bevölkerung noch besser zu verankern.

Ungefähr zur gleichen Zeit wurde in der Langen Straße in Bamberg ein Radweg zurückgebaut, der im Bewusstsein der Bevölkerung sehr gut verankert ist, das heißt genaugenommen war.

Seitdem vergeht kaum ein Tag, an dem dem Rathaus nicht Hohn und Spott wegen der Beseitigung einer funktionierenden Radlerautobahn entgegenschallen.

Das muss nicht wundern: Täglich sind hier über 3 500 Pedalisten auf der Strecke. Nun müssen sie sich den raren Platz mit 10 000 Autos, Bussen und Lkw teilen. In einem ohne Not geschaffenen Nadelöhr, das nach dem Verständnis der Stadt zur Aufwertung der Langen Straße beitragen soll.

Natürlich kann man nicht über das Ziel streiten, die Lange Straße attraktiver machen zu wollen. Aber man kann darüber streiten, ob dies dadurch gelingt, indem man den Radverkehr weniger attraktiv und ihm den heute schon kaum ausreichenden Platz streitig macht.

Das Beispiel zeigt auch, was dabei herauskommt, wenn man an den Symptomen herumdoktert und nicht an die Ursachen geht. Das wahre Problem der Langen Straße ist die Masse des motorisierten Individualverkehrs. Daran ändert ein breiterer Gehweg erst einmal nichts.










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