Können es so viele Zufälle gewesen sein?

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Iin der Schlesienstraße in Lichteneiche erschütterte im Frühjahr eine Brandserie im Bereich der Hochhäuser die Bewohner. Foto: R. Rinklef
Iin der Schlesienstraße in Lichteneiche erschütterte im Frühjahr eine Brandserie im Bereich der Hochhäuser  die Bewohner. Foto: R. Rinklef

Der Staatsanwalt ist überzeugt , die 77-Jährige hat mindestens vier Brände in Lichteneiche gelegt. Laut Verteidiger ist ihr gar keiner nachzuweisen.

Für den einen schon keine Zufälle mehr, für den anderen schon: die Vorkommnisse, welche die 77-jährige Beschuldigte in Verbindung mit einer Brandserie bringen. Der vorletzte Verhandlungstag vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Bamberg im Sicherungsverfahren gegen Regina S. (Name geändert), der die Brandstiftungsserie in Lichteneiche zu Jahresbeginn zur Last gelegt wird, stand ganz im Zeichen der Plädoyers.

Doch bevor hier Staatsanwalt André Libischer und Verteidiger Andreas Dräger ihre Bewertung der "Zufälle" geben konnten, wurde der psychiatrische Sachverständige Christoph Matern ein weiteres Mal in den Zeugenstand gebeten. Es ging um die Frage nach einer künftigen Bewältigung des Alltags und mögliche Überlastungssituationen der Beschuldigten. Den Alltag mit Waschen und Essenszubereitung sei sie seit vielen Jahren gewohnt, könne ihn bewältigen, so der Sachverständige. In anderen Situationen aber würde er das bezweifeln. Es ging um Überlastungssituationen, aus denen Matern im Verfahren Brandstiftungstaten als Hilfeschrei abgeleitet hatte.

Vorsitzender Richter Manfred Schmidt fragte nach, ob denn gesichert wäre, wo die Beschuldigte nach dem Verfahren hin könne, falls der Unterbringungsbefehl aufgehoben würde.

Familie übernimmt Kosten

Für die Familie von Regina S. teilte ein Sohn mit, eine medizinische Einstufung liege noch nicht vor, dafür gäbe es wohl kurzfristig einen Platz in einem Seniorenheim am Wohnort der Enkelin, aber auch eine freie Wohnung in unmittelbarer Nähe. Die Familie würde die Kostendeckungslücke zwischen Heimplatz und Rente übernehmen, falls S. keine Pflegestufe bekommt, versicherte er. Kurzfristig würde man auch für den Pensions- oder Hotelaufenthalt der Mutter aufkommen.

Staatsanwalt Libischer setzte sich dann in seinem Plädoyer mit dem "Thema Zufall und dessen Grenzen" auseinander. "Kann es Zufall sein, das Frau S. im Brandfall als einzige Person im Keller angetroffen wurde? Kann es Zufall sein, dass sie immer vor Ort war? Kann es Zufall sein, dass es nach der Festnahme von S. nicht mehr brannte?" Der Staatsanwalt kam am Ende zum Ergebnis, dass S. mindestens vier Brände gelegt hat und meint: "Die Puzzlestücke reichen, um ein Bild zu ergeben."

Zeugenschilderungen, DNA-Spuren, die Brandblasen an der Hand und schließlich die Aussage der Zeugin, die nicht Zünglein an der Waage sein und ihre Beobachtungen schildern wollte, aber genau das nun wurde. "Die Taten waren immer ähnlich."

Libischer geht von der Gefahr aus, dass S. bei Überforderung wieder erhebliche Straftaten begehen könnte. Angesichts der Persönlichkeitsstörung und der Demenzdiagnose suche man nicht nach einer Strafe, "sondern nach einer Lösung, wie man mit Frau S. umgehen muss". Er beantragte zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem er noch keine gesicherte Struktur gegeben sieht, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Wenn klar ist, wie es mit S. weitergehen kann, sei die Unterbringung zur Bewährung auszusetzen.

Ganz anders interpretierte Verteidiger Dräger das Thema Zufall. Wenn statt seiner Mandantin beim letzten Brand ein anderer auf der Kellertreppe gesehen worden wäre, wäre es jetzt jemand anderes. "Ich sehe keine Taten, die ihr nachzuweisen sind." Er sprach hingegen von vielen Spuren, denen nicht nachgegangen wurde, von DNA-Spuren, die sich erklären lassen, von anderen Tatverdächtigen, gegen die nicht weiterermittelt wurde, von weiteren Bränden mit gleichem Muster, die nicht zur Serie gezählt wurden und, dass es auch brannte, nachdem S. festgenommen worden war. Ihn verwunderte, dass ihre medizinische Diagnose gerade bei der Äußerung zu Brandblasen außen vor blieb: "Sie war verwirrt und in Aufregung."

Auch mangele es an Indizien: Keine Kleidungsstücke mit Brandspuren/-Geruch: "Man hätte irgendwas finden müssen, was auf Brandstiftung hindeutet." Es wurden auch keine fremden Schlüssel oder Dreikant (für Müllhäuschen) gefunden.

Gar für unglaubwürdig hält Dräger die Zeugin, die nicht Zünglein an der Waage sein wollte. Es sei komplett absurd, mit solchen Beobachtungen nicht an die Polizei heranzutreten. Er kritisierte, dass der Lebensgefährte nicht nochmals vernommen wurde: "Er hätte sicher bestätigt, dass S. nichts mit den Taten zu tun haben kann."

Zu nicht gegebenen Strukturen befand er, es wäre ein Quatsch, schon einen Platz zu reservieren, wenn man nicht wisse, wie das Verfahren ausgeht. Strukturen seien sehr wohl gegeben. Er habe den Eindruck, die Kinder übernehmen wichtige Aufgaben und Erledigungen für die Mutter.

Die Beschuldigte hatte dann das letzte Wort. Zu einem Brand sei sie vom Ausführen des Hundes gekommen und habe bei den Anwohnern geklopft. Den Keller von Schlesienstraße 123 habe sie noch nie gesehen und auch keinen Schlüssel. Zudem habe sie noch nie einen Jogginganzug gehabt. Als sie von zwei Zeugen im Müllhäuschen ihres Anwesens gesehen wurde, habe sie Müll weggebracht und herumliegenden aufgelesen, erklärte sie. Die Zeugen wiederum hätten ihrerseits auf dem Balkon gequalmt und eine nach der anderen weggeschmissen. "Ob Sie's glauben oder nicht, ich war's nicht, Ehrenwort", so Regina S. abschließend. Die Urteilsverkündung erfolgt am Dienstag.