Knigge-Trainern Yasmin Birk aus Hallstadt spendierte Gemeindeoberhäuptern eine Trainingseinheit. Das Resultat: Vieles kannten die Herren bereits. Bei manchem werden sie ihr Verhalten modifizieren, anderes aber auch lassen. Denn sie wollen vor allem eines - authentisch rüberkommen.
Den respektvollen, höflichen und taktvollen Umgang mit den Mitmenschen lehrt Yasmin Birk seit drei Jahren nahezu allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Die 51-Jährige ist in Sachen Benimm in Privatschulen und Geldinstituten ebenso präsent wie beim Bauernverband oder bei unterschiedlichsten Einzelpersonen. Eine Gruppe nur mit Bürgermeistern hatte die Hallstadterin in dieser Woche erstmals als gespannte Schüler vor sich. Dabei hatte Hallstadts Bürgermeister Markus Zirkel (SPD) ihr die Idee dafür mehr oder weniger unbewusst, aber dafür so gut wie auf dem Silbertablett kredenzt: Von einer Veranstaltung für Gemeindeoberhäupter brachte er das 120-seitige Opus "Knigge für Bürgermeister" mit.
Das sei doch etwas für sie, habe er der in Hallstadt als Knigge-Anhängerin bekannten SPD-Stadträtin angetragen.
Das Werk, so berichtet Birk nach ausgiebiger Lektüre, gebe den Bürgermeistern eine Art Leitfaden an die Hand, was Begrüßungen, Anreden, Reden und dergleichen betrifft. Sie nahm sich das Werk vor, verfeinerte es mit weiteren Knigge-Kurs-Ingredienzien und komponierte daraus die Knigge-Schulung für die Gemeindeoberhäupter aus der Region Bamberg.
Als Kommunalpolitikerin kommt die Stadträtin und stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende herum und erlebt so manchen Fauxpas. Selbstverständlich bei Politikern aller Art. "Ein Bürgermeister ist immer noch eine Art Vorbild, zumindest aber ruhen die Blicke meist auf ihm", weiß Birk. Als Beispiele dafür, was ein Gemeindeoberhaupt, das in offizieller Mission unterwegs ist, tunlichst unterlassen sollte, nennt Birk etwa das Tragen von Jeans bei offiziellen Anlässen.
"Da muss es schon der Anzug sein." Auch wenn jemandem die Hand geschüttelt wird, ist Blickkontakt dabei unabdinglich, woanders hinsehen ist schon die Spitze der Unhöflichkeit. Was auch gar nicht gehe, das sei beispielsweise, in einer Runde oder an einem Tisch alle mit Handschlag zu begrüßen und einen möglicherweise Unbekannten auszulassen.
Als weitere unmögliche Situation beschreibt Birk die: Da stehe jemand beim Bürgermeister, eine weitere Person kommt dazu und begrüßt - nur - den Bürgermeister. Auch das ein Unding. Hier sind Einfühlsamkeit und Souveränität des Souveräns gefragt: "Der Bürgermeister rettet die Situation, indem er die Personen einander vorstellt.
Ist eine Dame dabei, wird zuerst sie erfahren, wer der andere ist", erläutert die Anstands-Expertin ein wichtiges Detail.
Dank des Buches und dessen Überarbeitung für die ganz spezielle Zielgruppe schlug Yasmin Birk der (SPD-)Bürgermeister-Riege vor, ihr ein eigenes Knigge-Seminar angedeihen zu lassen. Dienstag traf sich die Runde, zu der zwecks ein bisschen politischer Ausgewogenheit auch Bischbergs (Freier BI)-Bürgermeister Johann Pfister eingeladen war, in Hallstadts Goldenem Adler. "Ein gewisses Ambiente sollte es schon sein", findet Yasmin Birk und bat die Herren Bürgermeister in den Blauen Salon. Yasmin Birk wollte einerseits, dass es "den Herren gefällt". Dann natürlich, dass "sie etwas für sich mitnehmen" und schließlich, dass sie ihnen den Spaß am guten Benehmen vermitteln beziehungsweise sie darin bestärken konnte.
Auch nach über drei intensiven Stunden im Blauen Salon ist die Stimmung
bestens, sind die Herren gut gelaunt. Wie haben sie dieses Spezialseminar empfunden? "Ich fand's total toll", schwärmt Hallstadts Bürgermeister Markus Zirkel. Es habe ihn bestätigt, auf dem richtigen Weg zu sein. Kleidertechnisch verhalte er sich eher pragmatisch und beispielsweise der Witterung angepasst. Allerdings wisse er nun genau, wann er sein Jackett aufmachen darf (bei Tisch) und wann nicht (am Rednerpult).
Ein wenig befremdlich hingegen empfindet er die etikettierte Handhabung der Gabel: Mit der Spitze nach unten wird Essen aufgespießt und für die Aufnahme in den Mund die Spitze nach oben gedreht. Das hat Gundelsheims Gemeindeoberhaupt Jonas Merzbacher ebenfalls erstaunt. Er ist einer, der normalerweise eher ein zügiges Esstempo praktiziert, weshalb das Gabeldrehen hier den Ablauf durchaus durcheinander bringen könnte.
Manches komme für ihn allerdings nicht in Frage, so Merzbacher.
Er nennt das Beispiel, dass laut Knigge einer Dame der Stuhl weggerückt werden soll, wenn sie während des Essens zur Toilette muss. "Dafür sind die heute selbstbewusst genug", findet er. Freilich hatte Trainerin Birk darauf hingewiesen, dass dies eher nicht mehr so üblich sei. "Das eigene Verhalten soll authentisch wirken", betont Merzbacher.
In diesem Punkt geht er absolut konform mit dem stellvertretenden Landrat. Johann Pfister hatte sich als Bürgermeister Bischbergs der Runde gerne angeschlossen. Zum besonderen Anlass sogar mit roter Krawatte. Stichwort Binder: Pfister bescheinigt, hier gelernt zu haben, wie lange etwa eine Krawatte sein muss - bis zur Gürtelschnalle muss sie gehen. Dagegen werde er wohl das, was er über den Umgang mit Hummer- und Schneckengabel erfahren habe, getrost vergessen können, weil er solche Gerichte nicht esse.
Sonst habe er einen Großteil des Gehörten bereits gewusst.
Bei der Etikette komme es jedoch immer auch auf das Gegenüber an, lautet seine Erfahrung, und: Die Regeln müssen zu einem passen. Einen Handkuss etwa empfinde er heutzutage doch eher als nicht mehr zeitgemäß, worauf die Trainerin ihrerseits hingewiesen hatte, mit dem Vermerk, dass man damit punkten könne. Für Pfister bleibt der Handkuss ein "Schmarrn". Den Kurs fand Pfister interessant, kurzweilig und "mal was anderes". Allerdings müsse man als Bürgermeister schon über eine gewisse Erziehung verfügen, sie sich erst im Amt anzueignen, sei es wohl zu spät.
Vielleicht etwas spät erfahren hat Oberhaids Bürgermeister, dass er knigge-technisch bisweilen nicht auf der Höhe war: Zum Hemd mit zwei Knöpfen an der Kragenseite trägt man keine Krawatte. "Das war ein guter Tipp", findet Carsten Joneitis. Besagtes Hemd wird er nun bei öffentlichen Auftritten wohl nicht mehr - in der bisherigen Weise - tragen.