Kippt das neue Schutzgebiet im Steigerwald?

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Ein Sturm fällte im Sommer 2012 eine majestätische Altbuche im Naturwaldreservat bei Ebrach. Glaubt man den Naturschützern, braut sich im übertragenen Sinn wieder ein Sturm über dem Steigerwald zusammen. Das nach ihren Angaben größte Waldschutzgebiet in Bayern außerhalb der Nationalparke könnte rückabgewickelt werden. Foto: R. Rinklef
Ein Sturm fällte im Sommer 2012 eine majestätische Altbuche im Naturwaldreservat bei Ebrach. Glaubt man den Naturschützern, braut sich im übertragenen Sinn wieder ein Sturm über dem Steigerwald zusammen. Das nach ihren Angaben größte Waldschutzgebiet in Bayern außerhalb der Nationalparke könnte rückabgewickelt werden.  Foto: R. Rinklef

Im Umweltausschuss wird der Landtag am Donnerstag eine Gesetzesänderung beraten, die den "Hohen Buchenen Wald" im Steigerwald zu Fall zu bringen könnte. Doch sehr wahrscheinlich landet der Streit bei Gericht.

Mal wieder. Die Wellen schlagen hoch im Steigerwald. Ganz besonders jetzt, wo in den Hallen des Maximilianeums ein fränkisches Buchenwaldidyll auf dem Spiel steht. Es geht um den "Hohen Buchenen Wald" bei Ebrach. 770 Hektar Waldfläche wurden im Frühjahr 2014 auf der Basis eines Landkreisbeschlusses und einer daraus resultierenden Verordnung unter Schutz gestellt. So entstand im äußersten Westen Oberfrankens das nach Angaben von Naturschützern größte nutzungsfreie Waldgebiet in Bayern außerhalb der zwei Nationalparke.

Das Verhältnis Mensch Wald

Doch das Reservat, das geschaffen wurde, um eine Bewerbung des Steigerwalds um den Titel Weltnaturerbe möglich zu machen, hat eine hitzige Grundsatzdebatte ausgelöst, die weit über den Steigerwald hinausstrahlt und das Verhältnis von Mensch und Wald grundsätzlich beleuchtet. Es geht um den Nutzen der Nutzungsfreiheit alter Wälder, wie ihn die Naturschützer, viele Stadtbewohner und eine wachsende Zahl von Menschen auch im Steigerwald beschwören. Dagegen steht der "Schutz der Natur durch das menschliche Bewirtschaften", wie er von den ebenso zahlreichen Gegnern eines Nationalparks propagiert wird. Diese machen sich für ein integratives Naturschutzmodell stark, das den Schutz größerer ungenutzter Waldflächen ablehnt und statt dessen das Trittsteinkonzept mit naturnahen Inseln favorisiert.

Zum Beispiel "Unser Steigerwald", der Verein um CSU-Staatssekretär Gerhard Eck. Er hat sich die Verhinderung eines Nationalparks auf die Fahnen geschrieben und fährt in einer soeben veröffentlichten "Untersuchung " schwere Geschütze gegen die Naturschützer auf. Anders als die Fachleute des Bund Naturschutz bezweifeln die Nationalparkgegner rundweg, dass die Waldflächen, die heute als "Hoher Buchener Wald" firmieren, überhaupt den fachlichen Rang einnehmen, der ein solches Schutzgebiet rechtfertigen würde.

Sie sprechen statt dessen von Etikettenschwindel und davon, dass der Öffentlichkeit das falsche Bild "vorgegaukelt" werde, der ganze Steigerwald stecke voller dicker Buchen. Bambergs Altlandrat Günther Denzler (CSU) werfen sie vor, die eigene Naturschutzverwaltung für seine Ziele "missbraucht zu haben". Laut "Unser Steigerwald" haben sich in einer repräsentativen Umfrage in der "erweiterten Steigerwaldregion" 68 Prozent der Menschen gegen einen Nationalpark ausgesprochen.

Sturm der Entrüstung

Der Sturm der Entrüstung, den ein gemessen an der Gesamtwaldfläche im Steigerwald kleines Schutzgebiet auslöst, erschöpft sich nicht nur in Verunglimpfungen auf einer Homepage. Sehr konkret steht die Staatsregierung kurz davor, die Entscheidung des Bamberger Altlandrats dadurch zu korrigieren, dass das Bayerische Naturschutzgesetz geändert werden soll. Der Antrag von CSU-Abgeordneten, der am Donnerstag im Umweltausschuss des Landtags vorberaten werden soll, verfolgt zwei Ziele: Die Befugnisse für das Ausweisen geschützter Landschaftsbestandteile über zehn Hektar Größe sollen an die Bezirksregierungen zurückverwiesen werden. Außerdem ist die Formulierung des neuen Gesetzestextes so gewählt, dass sie eine Abwicklung durch die Aufsichtsbehörde in Bayreuth auch rückwirkend ermöglicht.

Altlandrat Günther Denzler zweifelt, ob die drohende Beseitigungsanordnung einer rechtsgültig eingebrachten Verordnung so schnell zum gewünschten Ergebnis führt, wie sich das die Schutzgebietsgegner erhoffen. Nach seiner Meinung kann der Schutzzweck, unter anderem der Erhalt und die Sicherung typischer Buchenwaldbestände, nicht einfach dadurch entfallen, dass man ihn weghaben will. Zudem: Sollte sich der Naturschutzbeirat der Regierung von Oberfranken gegen die Rücknahme aussprechen, würde die Entscheidung automatisch an das Umweltministerium zurückfallen, dem man die Schmach einer Schutzgebietsaufhebung bislang ersparen wollte. Denzler verfolgt die Bemühungen, die Ergebnisse seiner Politik durch die Hintertür einer Gesetzesänderung mit Kopfschütteln. Er spricht von populistischer Gefälligkeitspolitik: "Ich bin mir nicht sicher, ob die CSU gut beraten ist, solche Winkelzüge vorzunehmen."

Zumindest gibt es viele, die die Entscheidung im Umweltausschuss mit Argusaugen verfolgen werden. Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz glaubt nicht daran, dass in nächster Zukunft Gesichtspunkte auftauchen könnten, die den Schutz des Waldes bei Ebrach als überflüssig erscheinen lassen. "Seit neun Monaten wird das Verfahren rechtlich auf allen Ebenen beleuchtet und man konnte nichts finden", sagt er. Straußberger fürchtet, dass im Falle einer Rückabwickelung eine jahrelange juristische Auseinandersetzung bis vor die Schranken des Bundesverwaltungsgerichtshofs droht.

Inzwischen schlagen die Wellen hoch im Steigerwald. Zum Beispiel der Verein Nationalpark Nordsteigerwald. Er appelliert in einem Brief an die Landtagsabgeordneten, die Gesetzesänderung zu überdenken. Die Nationalparkbefürworter glauben nicht nur nicht daran, dass die Bewerbung für ein Welterbe ohne Schutzgebiet Erfolg hätte.

Sie weisen auch auf einen aus ihrer Sicht entscheidenden Nachteil des Unesco-Prädikats hin: Anders als ein Nationalpark mit einer Förderung in Millionenhöhe sei dieses nur ein "Titel ohne Mittel". Die Region gehe leer aus.

Nicht zuletzt widersprechen die Nationalparkfreunde aus dem Steigerwald auch dem Eindruck, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen ein solches Projekt sei. Auch sie verweisen auf eine repräsentative Umfrage in der Region. 61 Prozent der Menschen wollen demnach den Nationalpark im Steigerwald.



Kommentar des Autors: Der Bundesforst zeigt, wie es geht


Merkwürdiger Widerspruch: Bei Ebrach erleben wir seit Monaten einen in dieser Unerbittlichkeit kaum nachzuvollziehenden Streit um einen Wald, der zwar groß, aber gemessen an der Gesamtwaldfläche dennoch zu vernachlässigen ist.

Und bei Bamberg? Wird über Nacht ein 330 Hektar großes Stück Hauptsmoorwald für das Nationale Naturerbe reserviert, ein Areal, das selbst in Bamberg wenige kennen.

Man kann sich über dieses Geschenk freuen. Man kann aber auch rätseln, warum der Bundesforst darf, was der Staatsforst im Steigerwald wie Teufelszeug bekämpft.

Antwort: Wir sind Zeugen eines aberwitzigen Glaubenskriegs um Flächenschutz oder Trittsteinkonzept, wo doch klar ist, dass Deutschland nur durch die Kombination beider Systeme seine naturgegebene Vielfalt bewahren kann.

Ist dieser Wunsch naiv? In einer Zeit, in der der Nutzungsdruck jeden Winkel des Lebens beherrscht, wächst die Sehnsucht nach Freiräumen - für Mensch und Natur. Man kann sie auch Wildnis nennen.