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Austritte aus katholischer Kirche erreichen Rekordhoch - Reaktionen aus Bayern und Bamberg


Autor: Agentur dpa

Bamberg, Donnerstag, 29. Juni 2023

In Bayern sind es über 150.000 Austritte, in ganz Deutschland über eine halbe Million: Aufgrund vieler Faktoren treten mehr und mehr Menschen aus der katholischen Kirche aus. Sowohl der Bamberger Diözesanadministrator, als auch die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner haben dazu Stellung bezogen.
Mehr als eine halbe Million Menschen sind 2022 aus der katholischen Kirche ausgetreten.


Nach dem dramatischen Anstieg der Austrittszahlen stehen der katholischen Kirche nach Worten des Bamberger Diözesanadministrators Herwig Gössl tiefgreifende Veränderungen bevor. Die Kirche werde mit weniger Mitgliedern, weniger Geld und weniger Personal auskommen müssen. "Das wird auch Auswirkungen auf Strukturen, Angebote und das kirchliche Leben auf allen Ebenen haben", sagte der Weihbischof am Mittwoch laut Mitteilung.

Jeder Austritt sei bedauerlich und schmerzhaft. Aber nicht jeder Ausgetretene habe seinen Glauben verloren. "Viele Austritte sind ein Protest gegen Missstände und Fehlverhalten oder gehen auf persönliche Erlebnisse und Enttäuschungen mit der Kirche oder ihrem Personal zurück." Die Aufgabe der nächsten Jahre sei es, mit geringeren Ressourcen das kirchliche Leben in der Gesellschaft lebendig zu halten, als christliche Stimme hörbar zu bleiben und das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen.

Austritte aus katholischer Kirche so hoch wie noch nie

2022 sind in Bayern 153.586 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten. Allein in Bamberg waren es 15.705 und damit 53 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Mehr als eine halbe Million Menschen sind deutschlandweit ausgetreten.

Die Zahl der Kirchenaustritte lag bei 522.821, wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) am Mittwoch (28. Juni) in Bonn mitteilte. Das sind so viele wie noch nie und deutlich mehr als im bisherigen Rekordjahr 2021. Damals waren es 359.338.

"Die katholische Kirche stirbt einen quälenden Tod vor den Augen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit", sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller der Deutschen Presse-Agentur.

"Kardinale Tragödie in Köln": Experte äußert sich zur aktuellen Lage

Dass sich die für die katholische Kirche ohnehin dramatische Entwicklung noch einmal beschleunigen würde, hatte sich bereits zu Jahresbeginn 2022 abgezeichnet. Vor allem nach der Vorstellung eines Gutachtens zum Missbrauch im Erzbistum München und Freising im Januar und der Diskussion um eine Mitschuld des inzwischen gestorbenen Papstes Benedikt XVI. waren die Austrittszahlen förmlich explodiert.

Schlagzeilen machten im vergangenen Jahr auch Lügen-Vorwürfe gegen den umstrittenen Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, bei dem es erst an diesem Dienstag (27. Juni) eine Razzia gegeben hatte, und Rechtsstreitigkeiten um Schmerzensgeld für Missbrauchsopfer in Köln und im oberbayerischen Traunstein.

"Viele Ursachen spielen hierbei hinein, aber auch aktuelle Brandbeschleuniger wie die kardinale Tragödie in Köln, in deren Strudel alle Bistümer und selbst die evangelischen Landeskirchen mit hineingezogen werden", sagte Schüller.

Austritte auch in der evangelischen Kirche sehr hoch

Die Austrittswelle rollt nicht nur in der katholischen Kirche immer schneller. Auch die evangelische Kirche hat mit 380.000 Mitgliedern 2022 mehr verloren als im Jahr davor.

Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat die katholische Kirche daraufhin zu Reformen aufgefordert. "Manchmal habe ich den Eindruck, die Kirche schafft sich lieber ab, anstatt sich neu zu erfinden", sagte die CSU-Politikerin dem Münchner Merkur. Nach den am Mittwoch veröffentlichten Austrittszahlen der Deutschen Bischofskonferenz haben im vergangenen Jahr mehr als eine halbe Million Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt - ein Rekordwert. Allein in Bayern waren es mehr als 153.000 Austritte.

"Es ist erschreckend - und als Katholikin bin ich alarmiert", sagte Aigner. Sie habe große Hoffnungen in den Synodalen Weg gesetzt, den Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland. Aber die Weltkirche in Rom sehe ihn kritisch und auch die deutschen Bischöfe seien "sich leider uneins - man kann sogar von einer Blockade durch einige Bischöfe sprechen".

Bayerische Landtagspräsidentin mit klarem Statement

Die Kirchen in Deutschland seien immer noch ein Fundament unserer Gesellschaft, sagte Aigner der Zeitung weiter. "In den Gemeinden wird viel geleistet, was für den Zusammenhalt der Menschen wichtig ist. Auch wenn kirchliche Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Krankenhäuser oder Heime heute größtenteils vom Staat finanziert werden, so befürchte ich in diesem Bereich künftig große Lücken, die der Staat nicht zu 100 Prozent ersetzen kann."