Jetzt hat Ebing einen echten Geisterbahnhof
Autor: Sabine Christofzik
Ebing, Dienstag, 19. Januar 2016
Es fährt kein Zug mehr und die Tage des schon lange verlassenen Gebäudes sind gezählt. Wer die besondere Atmosphäre dieses Orts nochmal erleben will, sollte sich ranhalten.
Man muss nur lange genug warten. Jetzt ist er es wirklich: ein echter Geisterbahnhof. Wer noch nie zu denen gehörte, die am Eisenbahn-Haltepunkt Ebing jemals einen Zug bestiegen oder verlassen haben, sondern das einsam in der Landschaft stehende Gebäude am Schienenstrang nur vom Vorbeifahren kannten, fühlte sich immer an eine Western-Kulisse erinnert.
Auch der FT hat schon einmal an "High Noon", um zwölf Uhr mittags, nachgeschaut, ob dort (abgesehen von der Schülerbeförderung) überhaupt irgendetwas los ist - und bei einem zweiten Besuch um zwölf Uhr nachts festgestellt, dass dort im Finsteren viel mehr Interessantes vorgeht.
Braune Eisenberge
Bei Visite Nummer 3 ging's überaus betriebsam zu. Doch wenn die Schienenrückbaubagger und die Transportlastwagen Richtung Süden verschwunden sind, wird es hier für einige Zeit sehr, sehr still (vom Brausen des Verkehrs auf der A 73 einmal abgesehen) sein.Braune Eisenberge sind in wenigen Stunden nahe des Bahnübergangs gewachsen und werden auch ebenso schnell wieder verschwunden sein. Kaum zu glauben, aus wie vielen verschiedenen Kleinteilen doch so ein Bahngleis besteht!
Hat's geschmeckt?
Aber das Auge bleibt an etwas ganz anderem hängen: Am Fuße eines der Kegel aus Rostigem glänzt es golden. Säuberlich ausgekratzt, liegt da eine Konservendose. 400 Gramm Gelbwurst (für 3,10 Euro) scheint einen oder mehrere der Männer gestärkt zu haben, die in diesem Abschnitt das Schotterbett eisenfrei machen.
Kein Farbtupfer ziert mehr den hölzernen Vorbau am schon lange verlassenen Bahnhofsgebäude. Obwohl - bunt war es eigentlich sowieso nur am, jetzt nicht mehr vorhandenen, Gleis in Fahrtrichtung Lichtenfels. Dort stand einige Jahre der modernste Teil des Ebinger Bahnhofs: ein Wellblech-Unterstand mit vier blauen Sitzgelegenheiten. Doch halt, das Grafitto an der der Straße abgewandten Giebelseite des Hauses darf nicht vergessen werden.
Die Gelegenheit nutzen
Kein Abfahrtsplan mehr da, kein Fahrkartenautomat. Andreaskreuz und Tonsignal-Anlage am Bahnübergang sind auch nur noch Muster ohne Wert. Im Fahrradständer wird nie mehr ein Pendler-Drahtesel parken. Er kommt weg, genau wie das ganze Bauwerk. Wann genau steht noch nicht fest. Wer nochmal - jetzt ganz echte - Geisterbahnhofsatmosphäre schnuppern will, sollte sich ranhalten.Die in einem Beitrag zusammengefassten Reportagen aus den Jahren 2004 und 2014 finden sie hier.