Am 42. Verhandlungstag ging es um "kontaminierte" Zeugenaussagen, die Glaubhaftigkeit von Zeugen und um Ultraschallkontrastmittel.
Zum zweiten Mal ist die Verteidigung im so genannten Chefarzt-Prozess mit dem Antrag gescheitert, eine "Glaubhaftigkeits-Sachverständige" beizuziehen. Professor Klaus Bernsmann nannte auch gleich den Namen einer Expertin, die angeblich bereit wäre, kurzfristig dem Ruf des Bamberger Gerichts zu folgen.
Sie wird nicht anreisen müssen: Die Zweite Strafkammer des Landgerichts besitzt nach den Worten ihres Vorsitzenden Richters Manfred Schmidt eine ausreichende eigene Sachkunde, um die Zeugenaussagen beurteilen zu können.
"Kontaminierte" Erinnerung?
Die Verteidiger von Heinz W. (50), dem ehemaligen Chefarzt der Gefäßklinik am Bamberger Klinikum am Bruderwald, bezweifeln dies. Sie glauben, dass die Zeugen in dem Aufsehen erregenden Prozess um Vergewaltigungsvorwürfe und mehr nicht wirklich objektiv aussagen könnten.
Bernsmann begründete dies am Mittwoch mit einer "Kontamination" durch die umfangreiche Medienberichterstattung seit Sommer 2014, als der mutmaßliche sexuelle Missbrauch von 13 Frauen durch den damaligen Bamberger Chefarzt W. bekannt geworden ist. Die Zeuginnen und Zeugen würden subjektiv glauben, die Wahrheit zu sagen, objektiv ist das aus Sicht der Verteidiger nicht der Fall.
Die Kammer sieht es anders und zog den 42. Verhandlungstag wie geplant durch. Sie hörte alle für Mittwoch geladenen Zeugen. Unter ihnen war eine Expertin für Ultraschall-Kontrastmittel, eine Ärztin, die bei einem pharmazeutischen Unternehmen in Leverkusen tätig ist.
W. soll zwölf der 13 Frauen im Rahmen von angeblichen Ultraschalluntersuchungen missbraucht und davon Fotos gefertigt haben. Während der Angeklagte behauptet, er habe den Frauen vorher nichts als ein Kontrastmittel verabreicht, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, die Frauen bewusst sediert zu haben.
Tatsächlich erinnern sich die meisten Opferzeuginnen nicht an den Ablauf der vermeintlichen Untersuchungen und berichteten, sie hätten sich hinterher seltsam benommen gefühlt. Sie wussten auch nichts von den Fotos, die der Chefarzt von seinen Handlungen an den halbnackten, bewusstlosen Frauen gemacht hatte.
Heinz W. streitet alle Straftaten ab, die ihm die Bamberger Staatsanwaltschaft anlastet - auch den Vorwurf, er habe den Frauen ein Mittel gespritzt, das sie widerstandsunfähig gemacht hat.
Kann ein Ultraschallkontrastmittel zu Bewusstlosigkeit und Gedächtnisverlust führen? Das war eine der vielen Fragen, die die Prozessbeteiligten nun der Zeugin aus Leverkusen stellten. Diese verneinte das klar für alle Produkte, die in der mutmaßlichen Tatzeit - September 2008 bis Juli 2014 - in Deutschland verfügbar waren.
Außer "Übelkeit und ein bisschen Schwindel" seien keine weiteren Nebenwirkungen bekannt.
Opfer-Aussagen bestätigt
Vor der Ärztin hatte das Gericht weitere fünf Zeugen gehört, die zwei Patientinnen und mutmaßlichen Opfer W.s nahe stehen oder damals nahe standen. In allen Aussagen kam auch jeweils eine Untersuchung zur Sprache, nach der die Frauen benommen und irritiert gewesen sein sollen, weil sie nicht wussten, was mit ihnen passiert war, und weil sie sich ihren Zustand nicht mit der Gabe eines Kontrastmittels erklären konnten.
Die Schwester eines mutmaßlichen Opfers sagte: "Es hat sie psychisch belastet, dass sie nicht wusste, was damals passiert ist."
Fortsetzung am 16. Februar
Der Prozess geht nach den Faschingsferien weiter, voraussichtlich am 16. und 17. Februar. Dann sollen nach dem derzeitigen Plan der Zweiten Strafkammer die ersten Sachverständigen zu Wort kommen, die dem Verfahren seit Prozessbeginn am 7. April 2015 beiwohnen.