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IG Metall Bamberg rutscht kopflos in die Krise


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Dienstag, 30. Juni 2020

Eklat bei Bambergs wichtigster Gewerkschaft: Überraschend wählen die Delegierten ihren Ersten Bevollmächtigten ab. Der Schock sitzt tief, ein Plan B steht noch nicht.
Foto: Jens Büttner/dpa


Tränen, Streit und Vorwürfe statt stählernen Zusammenhalts: Mitten in der Corona-Krise ist die IG Metall Bamberg selbst in eine Krise getaumelt. Die Wahl des Ersten Bevollmächtigten endete am Freitag mit einer überraschenden Demütigung für Matthias Gebhardt, der abgewählt wurde. Die Neuwahlen mussten nach emotionalen Diskussionen abgebrochen werden. Durch Bambergs mitgliederstärkste Gewerkschaft geht ein Riss.

"Ich habe, obwohl einstimmig von unserem Ortsvorstand vorgeschlagen und von der Versammlung einstimmig entlastet,

nicht die erforderliche Mehrheit der Delegiertenstimmen erhalten", bestätigt Matthias Gebhardt, bittet aber um Verständnis, dass er zu diesen Vorgängen keine persönliche Stellungnahme abgeben werde. Nur so viel: "Es ist für die IG Metall und auch mich persönlich ein absolut ungewöhnlicher Vorgang."

32 Ja-Stimmen und 37 Nein-Stimmen: Die Erschütterungen sind in der ganzen Region spürbar. Das Gebiet der Geschäftsstelle Bamberg erstreckt sich von Ebern im Norden bis Forchheim und Höchstadt im Süden. "Der hauptamtliche 2. Bevollmächtigte Martin Feder vertritt den 1. Bevollmächtigten", heißt es aus der IG-Metall-Zentrale in München, die Strukturen seien eingespielt, die Gewerkschaft handlungsfähig.

Ursachenforschung

"Kein Kommentar, das ist alles noch zu frisch", sagt Johannes Berthold aus dem Bamberger Ortsvorstand. Schon verabschiedet sich der Betriebsratsvorsitzende bei Albeá in Scheßlitz und legt auf. "Kein Kommentar", sagt Mathias Eckard, der Regionsgeschäftsführer des Dachverbandes vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der bei der Delegiertenversammlung der IG Metall ein Grußwort halten durfte und die Vorgänge hörbar bedauert.

"Wenn wir zusammenhalten, ist alles möglich": Diesen Schlachtruf wiederholte die Industriegewerkschaft in der Krise mantraartig. Dann kam der Freitag. Bei den Mitarbeitern der Bamberger Geschäftsstelle seien Tränen geflossen, berichten Teilnehmer.

Der Tiefschlag kam unerwartet."Man hat einen Menschen demontiert und einen Funktionär systematisch vernichtet. Das war ein gezielter Schlag, den Matthias Gebhardt und wir nicht kommen gesehen haben", findet Mario Gutmann deutliche Worte. Der Betriebsratsvorsitzende von Bosch Bamberg ärgert sich, dass man Gebhardt nicht die Chance gegeben habe, über etwaige Probleme zu reden. "Hier wurden scheinbar persönliche Rechnungen beglichen. Die sollten sich schämen!" Gebhardt habe eine klasse Arbeit gemacht und sich nichts zuschulden kommen lassen.

Warum dann diese Demütigung? Darauf hat Gutmann auch keine Antwort. "Beim Thema Technologiewandel und Arbeitsplatzerhalt bei Bosch hat mich Matthias Gebhardt immer unterstützt. Das ist offenbar manchen sauer aufgestoßen." Der Umgang mit der Autokrise ist umstritten. Die IG Metall Bamberg habe Schaden genommen, diagnostiziert Gutmann. "Wir müssen jetzt sauber bewerten, was los ist. Hier ist inhaltlich etwas nicht in Ordnung." Den Chef raushängen lassen, den Kontakt zur Basis verloren: Schon vor der Wahl war unter Gewerkschaftern von atmosphärischen Störungen zu hören, nach dem Motto: Die da oben, wir da unten. Wollte hier jemand einen Denkzettel verteilen, der unerwartet vernichtend ausgefallen ist?

Gebhardt ist 54 Jahre alt. 2011 wurde er mit 100 Prozent Zustimmung an die Spitze der Bamberger IG Metall gehoben, hatte vorher im traditionsreichen Stahlwerk Maxhütte in der Oberpfalz gearbeitet und sich später bei der IG Metall Schweinfurt hervorgetan.

Als Erster Bevollmächtigter in Bamberg mahnte er schon zu Beginn der aktuellen Autokrise, die Bamberger Zulieferbetriebe müssten sich breit aufstellen, sich mit einem Produktmix aus Brennstoffzelle, Elektromobilität, Hybrid und Verbrennungsmotoren flexibel machen. Ein Anschub für den ökologischen Verbrenner war seine Forderung auch in Richtung Politik: Zuletzt attackierte er die SPD im Bund, die Metaller, Maschinen- und Autobauer beim Konjunkturpaket vergessen zu haben. Der IG Metall Bamberg verschaffte er lautes Gehör in den regionalen und überregionalen Medien.

Und jetzt? Die IG Metall werde ihn beruflich absichern, heißt es aus Insiderkreisen.

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