Kaum war die Entscheidung über den Bahnausbaugefallen, setzt die Legendenbildung ein. Hat Bamberg tatsächlich eine Jahrhundertchance verpasst?
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich darf mich herzlich für die Gelegenheit bedanken, vor diesem Publikum ein paar Gedanken zu einem politischen Prozess vorzutragen, der in der jüngeren Bamberger Geschichte seines Gleichen sucht. Wann hätte man in Bamberg jemals über ein Bauprojekt von über 1000 Millionen Euro zu reden oder gar mit zu entscheiden gehabt? Und wer außer der Bahn könnte es denn schon wagen, die Lizenz zu beantragen, sich zehn Jahre lang durch sechs Kilometer Stadtfläche zu pflügen?
Im Vergleich zum Bahnausbau sind auch die diversen Kanalbrücken, geschaffen zwischen 2006 und 2012, eher Kleinvieh, auch wenn sich die unvermeidlichen Kostensteigerungen wie die Bamberger Erbsünde in das Bewusstsein einer ganzen Generation eingebrannt haben.
Aber der Bahnausbau als Projekt und politisches Entscheidungsvorhaben hat in seiner Jahrhundertrelevanz auch überraschende Seiten. Was soll man dazu sagen, dass die Folgen der Wiedervereinigung Bamberg erreichen werden mehr als 30 Jahre nach dem Untergang der DDR? Dass ausgerechnet Bamberg als letzte Stadt zwischen Berlin und München das Klassenziel erreichen wird? Und dass dann, wenn es tatsächlich mit dem großen Baggern und Bohren losgeht, die verschwundene Berliner Mauer möglicherweise in Bamberg wieder auflebt?
Hat der Stadtrat die richtige Entscheidung getroffen, als er sich am 6. März 2018 für die ebenerdige Durchfahrung aussprach? Es soll ja Leute geben, die den Bamberger Kommunalpolitikern vorwerfen, sie hätten sich in endlosen Diskussionen verheddert und den gesunden Menschenverstand unter einem Berg von Gutachten begraben. Tatsache ist aber: Beim Bahnausbau war der Stadtrat schneller als geplant. Denn eigentlich war es ja vorgesehen, dass Sie diese Veranstaltung hier vor dem finalen Beschluss erleben dürfen. Sie hätten dann gleichsam einen Live-Einblick in die historische Entscheidungsfindung nehmen und den Machthabern über die Schulter hinweg ins Labor schauen können.
Dass dem nun nicht so ist, weil der Stadtrat den erneut aufflammenden Wünschen nach einer Vertagung nicht nachgegeben und die finale Entscheidung bereits am 6. März getroffen hat, muss aber kein Nachteil sein. Denn erstens ist die Trassenwahl ja nur der Auftakt für ein Projekt, dessen Auswirkungen kaum einen hier im Raum kalt lassen werden. Und zweitens ist der Rückblick auf einen außergewöhnlich komplexen, langwierigen und meines Erachtens auch vorbildlich demokratischen Entscheidungsprozess durchaus eine längere Betrachtung wert und kann der Legendenbildung entgegenwirken, die - offenbar unvermeidlich - bereits begonnen hat.
Denn diese Fragen wurden ja schon in den Raum gestellt: Wurde wirklich eine Jahrhundertchance verpasst, wie manch ein Prophet bereits am Tag der Entscheidung wissen wollte? Gibt es oder hätte es tatsächlich eine Art Königsweg gegeben, der Bamberg deutlich mehr Vor- als Nachteile beschert hätte. Ist es die Ostumfahrung, der große Tunnel oder die Nulllösung, oder ist das alles nur eine Frage des Standpunkts?
Um hier schlauer zu werden, muss man sich den Entscheidungsprozess genauer vor Augen führen, der nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum davon geprägt war, dass das angehäufte Wissen immer mehr, aber auch immer komplexer und vielschichtiger wurde. Der große Wurf schien dabei immer weiter wegzurücken. Und erst heute wissen wir mit größerer Gewissheit: Es gibt keinen Weg, der nur Vorteile bereit hält.
Versetzen wir uns in das Jahr 2012 zurück, als Bahn und Stadt einen Koordinierungskreis einberiefen, mit dem Ziel sich auf die Suche nach Alternativen zur ebenerdigen Durchfahrung zu machen. Schon bald wurde dem neugierigen Publikum klar: Der Ausbau im Bestand ist nur eine von vielen theoretisch möglichen Varianten. Doch freilich: Schnell sollte sich herausstellen, dass es ganz praktisch betrachtet nicht so leicht ist, eine Gleisverdoppelung in einer Stadt zu betreiben, die seit der Ankunft der Bahn Mitte des 19. Jahrhunderts gewaltig gewachsen ist. Damals befanden sich die Gleise noch vor den Toren der Stadt, also mitten im Gärtner- oder Ackerland, was die Formulierung Bamberg sei eine geteilte Stadt doch etwas relativiert. Bamberg hat sich gewissermaßen um eine bestehende Verkehrsachse herum so stürmisch entwickelt, dass man heute den Eindruck haben könnte, sie sei geteilt.
Es ist bezeichnend, dass die erste Variation der Ideallinie durch die Stadt nicht von einer Bürgerinitiative, von der Stadtverwaltung oder aus der Politik kam, sondern von der Bahn selbst. Sie preschte zum Beginn der Debatte mit einer Version der Trassenführung vor und eröffnete damit das jahrelange Pokern um die Zukunft Bambergs. Die Nachricht einer anfänglich internen Untersuchung der Bahn war nicht lange geheim zu halten, aber vielleicht war das wohlkalkuliertes Interesse des Verkehrsunternehmens. Rückblickend betrachtet hätte es gar keine bessere Möglichkeit gegeben, als die Interessen der Bamberger auseinander zu dividieren als durch die Idee einer Ostumfahrung.
Denn mit den Plänen einer Umfahrung durch den Hauptsmoorwald gab es plötzlich nicht mehr die Front der Bamberger, die sich mit starker Stimme gegen ein unverhältnismäßiges Verkehrsprojekt wehrte, wie nicht wenige den Bahnausbau verstanden. Nun verlief die Frontlinie mitten durch die Stadt. Das Floriansprinzip griff um sich: Plötzlich standen Anrainer an der Bestandstrecke den Bürgern aus der Gartenstadt, dem Bamberger Osten und den angrenzenden Landkreis-Gemeinden gegenüber. Gärtner hofften auf eine flächenschonende Umfahrung, Naturschützer liefen Sturm gegen den drohenden Kahlschlag im Bannwald.
Dabei muss man an dieser Stelle zur Klarheit hinzufügen: Die eine Ostumfahrung gab es gar nicht, sondern mindestens drei: Da war die Umfahrung der Bahn - eine reine Strecke für diejenigen Intercity-Züge, die nicht in Bamberg halten und diejenigen Güterzüge, die nicht in Bamberg stoppen oder nach Westen abbiegen sollten. Dieser Variante hätten wegen der gültigen Abstandsvorschriften viele Hektar Wald entlang der Autobahn A 73 geopfert werden müssen. Doch auch die anderen Überlegungen lösten einen Aufschrei im Bamberger Osten aus, auch wenn es natürlich auch Sympathisanten gab: Politiker wie die Grünen sprachen sich bis zuletzt dafür aus, eine im offenen Tunnel gebaute so genannte gedeckelte Ostumfahrung zumindest zu prüfen - wohlgemerkt nur für Güterzüge. Doch diese Pläne fanden keine Mehrheit.
Metamorphosen machte auch die Ostumfahrung der "Bürgerinitiative Bahnsinn Bamberg" durch. Ihr Ziel, Bamberg von der Lärmquelle Dutzender Güterzüge zu befreien, die täglich durch Bamberg rollen, hätte nur durch eine Westanbindung in vollem Umfang ermöglicht werden können - ein Abzweig, der die Strecke von Bamberg nach Erfurt mit den Gleisen nach Schweinfurt/Würzburg verbindet. Sie hätte auf Hallstadter Gemarkung von der Strecke nach Norden abzweigen und durch die im Moment sehr grünen Auen des Gründleinsbach verlaufen sollen.
Etliche geplatzte Illusionen sind der Grund, weshalb der Ostumfahrung rasch das politische Aus durch Stadtratsbeschluss beschieden war, und die sind durchaus gewichtig: Eine Rechtsuntersuchung im Auftrag der Stadt hatte ergeben, dass Güterunternehmen grundsätzlich freie Trassenwahl haben. Dieser nicht vorhandene Trassenzwang hätte zu dem Ergebnis führen können, dass auch nach dem Bau einer Ostumfahrung für Güterzüge weiter Güterverkehr durch Bamberg gerumpelt wäre.
Dazu kommt, dass jede Ostumfahrung dazu geführt hätte, dass der beim Ausbau vorgeschriebene Lärmschutz entlang der Bestandstrecke in Bamberg nicht hätte verwirklicht werden können, weil im Falle des Baus einer Ostumfahrung dort ja auch kein Ausbau stattgefunden hätte. Die Anwohner wären also weiterhin dem Lärm von durchfahrenden Personen- und Güterzügen ausgesetzt gewesen.
Ein dritter Punkt: Die Ostumfahrung hat in den Augen Vieler nie ganz den Ruch ablegen können, dass es den ICE-Halt Bamberg schwächen würde, gäbe es Alternativgleise, die an der Stadt vorbei führten. Ganz von der Hand zu weisen, ist dies trotz der Beteuerungen der Bahn tatsächlich nicht. Denn wo ein ICE hält und wo nicht, ist, immer auch ein Politikum - die massiven Interventionen für den ICE-Anschluss von Coburg führen das vor Augen.
Die sachlichen Argumente waren aber nicht alleine ausschlaggebend. Denn die Spaltung der Bevölkerung spiegelte sich, was die Ostumfahrung angeht, eins zu eins auch im Stadtrat wider. Dort wollten große Teile der CSU und der SPD die Ostumfahrung einfach nicht. Anders ausgedrückt: die Bataillone der Ostumfahrung waren zu schwach, um ein Umdenken einzuleiten, wie das von Grünen, Teilen der Bamberger Allianz und der Gärtnerschaft immer wieder gefordert wurde.
Ist die Ostumfahrung damit tot? Die Stadtgesellschaft wird sich darauf einstellen müssen, dass das Gespenst spätestens dann wieder auftaucht, wenn es ans Eingemachte geht, konkret, wenn der Ausbau tatsächlich beginnt und ab 2021 Staub und Lärm, Sperrungen und Staus entlang der Bahnlinie den Bürgern vor Augen führen, dass die Debatte um den Bahnausbau keine theoretische, sondern eine höchst praktische war.
Dieses Szenario einer gelähmten Stadt ist nicht zu unterschätzen: Wenn im Stadtrat regelmäßig die Rede von Monsterbaustellen war, dann deshalb, weil man es sich heute einfach noch nicht vorstellen kann, wie die Unterführungen von Memmelsdorfer -, Zollner- und Geisfelder Straße nacheinander jahrelang gesperrt werden können, ohne die Funktionstüchtigkeit der Stadt und ihrer Geschäfte und Dienstleister im nahen und weiteren Umfeld schwer zu belasten, ohne den Verkehrsinfarkt in Bamberg zu provozieren und Pendlern ebenso wie Einheimische das tägliche Leben in dieser Stadt zu verleiden. Doch genau dies könnte nun eintreten. Dazu kommen starke Beeinträchtigungen für den Münchner Ring und die Forchheimer Straße. Auszuschließen ist nach dem Stand der Erkenntnisse dieses Jahres auch nicht, dass Kronacher Straße und Pfisterbergbrücke neu gebaut werden müssen. Auch hier wird es schwer ein Verkehrschaos zu verhindern.
Man muss wissen: Der Bahnausbau durch Bamberg wird anders als der Streckenneubau zwischen Breitengüßbach und Ebensfeld bei laufendem Betrieb stattfinden - Bahnfachleute sprechen vom rollenden Rad. Es wird also weiter Bahnverkehr stattfinden. Was das für die Autofahrer in Bamberg in Bamberg bedeutet, kann man sich an einer Hand ausrechnen.
Welche anderen Varianten gab es? Die SPD-Fraktion hat in den Jahren 2016 und 2017 immer wieder das Phantom einer Null-Lösung strapaziert. Grund waren Erkenntnisse, die die Bahn selbst geliefert hatte. Warum, so lautete die provozierende These der Sozialdemokraten, sollte man für ein paar Sekunden Fahrtzeitgewinn eine Milliarde Euro in den Bamberger Sand stecken, zumal gleichzeitig die Güterverkehrsprognosen kräftig nach unten korrigiert worden waren. Tatsächlich haben sich die ursprünglichen Thesen der Bahn von einer massiven Vermehrung des Güterzugverkehrs bis 2025 aus verschiedenen Gründen zerschlagen.
Fluch und Segen einer Bahnanbindung, wie wir sie hier in Bamberg genießen, liegen nahe beieinander. Einerseits: Wer möchte schon auf die schnelle und gute Anbindung in den Verdichtungsraum Nürnberg verzichten? Wer mag den Intercity vermissen, der ihn in wenigen Stunden nach Berlin bringt?
Das gehört zur Ausstattung einer Stadt, die sich als pulsierendes Zentrum versteht, ist eben aber nur die eine Seite. Autofahrer, die in den letzten Monaten einmal die Autobahn in Richtung Lichtenfels gefahren sind, werden die neuen Schallschutzwände im Gottesgarten zwischen Kloster Banz und Vierzehnheiligen mit einigem Entsetzen gesehen haben. So hart das klingt: Neue Bahnstrecken sind in Beton gegossene Landmarken der Hässlichkeit, Fremdkörper in einer gewachsenen Landschaft. Und auch wenn es Ausgleichsmaßnahmen gibt, es wird viele Jahre dauern, bis ein wenig Grün gewachsen ist und das Grau erträglich macht.
Und nun der Bahnausbau in einer Stadt, die mit dem Titel Welterbe der Menschheit geadelt ist. Das wunderhübsche Bamberg mit seinen viel gerühmten Sichtachsen zu den Domtürmen, dem Michelsberg und der Altenburg! Wie wird sich die fluchtartige Staffelung von insgesamt vier kilometerlangen Lärmwänden in das Stadtbild fügen? Werden die Menschen den Stadtrat für seine Entscheidung verfluchen, wenn die neuen Einbauten mit einer Höhe bis zu vier Metern gegen 2030 erst einmal in ihrer ganzen Wucht zu sehen sind?
Sehr verehrte Damen und Herren, die Frage der optischen Wirkung der Lärmwände ist eine für das Lebensgefühl unserer Stadt nicht zu unterschätzende Frage und eine Erklärung für den sich jahrelang hinziehenden Streit auf der politischen Bühne der Stadt. Während immer wieder Forderungen nach einer raschen Entscheidung laut wurden, haben es sich der Stadtrat und die Verwaltung nicht leicht gemacht, im Gegenteil: Um wenige Prozesse und Entwicklungen in der Stadt wurde so lange und auch unter Einbeziehung so vieler externer Berater gerungen wie beim Bahnausbau.
Die Unversehrtheit der Integrität des Welterbes steht neben dem sicheren ICE-Halt auch heute an der Spitze der Forderungen, die die Stadt an ihre Entscheidung für die ebenerdige Durchfahrung geknüpft hat. Dieser Anspruch war und ist es auch, der viele Menschen in Bamberg lange noch mit einem Tunnel liebäugeln ließe. Drei Varianten gab es auch hier: den kurzen Tunnel, der von der Forchheimer bis zur Geisfelder Straße reichen sollte, den langen Tunnel, der erst nördlich der Kronacher Straße wieder auftauchen sollte - und der so genannte Volltunnel, der alle vier Gleise unter die Erde gepackt hätte.
Einen gewissen Charme hatten alle diese Varianten: Der kurze Tunnel hätte niedrigere Kosten mit dem bestmöglichen Lärmschutz im Bamberger Süden verbunden, dort wo auch die meisten Menschen direkt neben der Bahnlinie leben. Der lange Tunnel mit geschätzten Kosten von 1,3 Milliarden Euro hätte Bamberg auf seiner ganzen Länge vor Lärmwänden bewahrt - freilich mit ungewisser, Gärtnerland fressender Ausfädelung auf die Strecke nach Schweinfurt und auch unter dem Preis, dass der Lärm doch nicht ganz unter der Erde verschwinden würde. Denn wie auch bei der Ostumfahrung hätten Güterzugunternehmen gegen ihren Willen nicht in den Tunnel gezwungen werden können - mit der Aussicht auf fortdauernden oberirdischen Lärm für die Anwohner, die dann keine Lärmwände und auch keinen passiven Lärmschutz erhalten würden.
Zugespitzt hat die komplexe Debatte um den Bahnausbau durch Bamberg eine Idee, die erst dann auf den Tisch kam, als es möglicherweise bereits zu spät war. Norbert Tscherner, Stadtrat der Bürger-Block-Fraktion, hat sie 2017 in einen Antrag gegossen und in vergleichsweiser kurzer Zeit über 7000 Unterschriften dafür gesammelt. Diese Welle der Sympathie ist verständlich, wenn man sich die Vorteile vor Augen hält, die die "totale Tunnel" Bamberg versprach - die bisher weitreichendste von allen Überlegungen, mehr eine Vision denn ein Vorschlag.
Die Trennlinie, die die Bahn im Bamberger Osten unzweifelhaft darstellt, sollte durch eine Unterfahrung der kompletten Stadt von Süd bis Nord mit allen vier Gleisen ein für alle Mal aus der Welt geschaffen werden. Auf den Flächen, die dadurch frei würden - von den beiden Stadteinfahrten bis zur Gleisharfe vor dem Bahnhof - würde, so hieß es, Platz für Bauland, Parks und Parkplätze gewonnen. Schnell war von der Wiedervereinigung einer geteilten Stadt die Rede.
Doch wie gewagt die These von einem Bahnhof mit sechs bis sieben Bahnsteigen in 30 Metern Tiefe und einer Verlegung des Güterbahnhofs auf eine fragwürdige Überschwemmungsfläche am Stadtrand war, stellte sich bei der ersten Projektstudie durch ein Büro der Bahnplaner heraus. Die errechneten nicht nur Kosten von drei Milliarden Euro. Auch der Bamberger Bahnhof sollte sieben Jahre lang gesperrt bleiben.
Und um den Bahnbetrieb aufrecht zu halten, hätten eine ausgewachsene Ostumfahrung und ein Ersatzbahnhof irgendwo im Bamberger Osten gebaut werden müssen. Auch wenn der Traum von einem gleisfreien Bamberg viele bewegte, haben die Ergebnisse der Projektstudie den Impuls für die Komplettuntertunnelung von einem auf den anderen Tag gelähmt. Es fehlte die Entschlossenheit der Akteure in Bamberg, das Geld und die Zeit, um nachzusetzen, Alternativen zu erarbeiten und die geweckten Zweifel wegzuwischen.
Auch im Stadtrat war der Zug sprichwörtlich abgefahren, dort standen Norbert Tscherner und seine Gruppierung schon deshalb alleine da, weil sich die anderen Parteien und Gruppierungen bereits lange vor dem Auftauchen des großen Tunnels positioniert hatten. Vor allem aber: Die Zweifel ob der technischen und finanziellen Machbarkeit des Tunnels sind bis heute nicht ausgeräumt.
Zur Beerdigung aller Tunnelvarianten in der späteren Abstimmung hat auch der Freistaat beigetragen. Indem Innenminister Joachim Herrmann Bamberg Hoffnungen auf einen S-Bahn-Halt Süd machte, sofern sich der Stadtrat für den Ausbau im Bestand entscheiden sollte, beeinflusste er den Beschluss in Bamberg mit dem goldenen Zügel maßgeblich. Denn vielen scheint klar: Auch wenn die in der mit Bussen gut angebundenen Gereuth lebenden Bürger nicht eben nach einem S-Bahn-Halt gieren, so wäre ein vom Freistaat finanzierter zweiter Bahnhof im Süden aus wirtschaftlicher Sicht ein Gewinn für Bamberg. Neben der Arena und im Umfeld großer Firmen würde er wohl auch Nürnberg-Pendlern nützen, die aus dem Umland kommend sich den Weg zum Bahnhof sparen könnten.
Der Bahnausbau ist fern! Diese Vermutung stimmt nicht. Schon in weniger als drei Jahren wird man die Auswirkungen dieses einmaligen Abstimmungsprozesses spüren können. Die Bahn wird vorab Millionen in eine neue Stellwerkstechnik und die Verlängerung der ICE-Bahngleise stecken, bevor es 2021 mit dem Ausbau wirklich losgeht. Eine Milliarde Euro werden in zehn Jahren verbaut werden. Eine gewaltige Dauerbaustelle wird entstehen, ehe die ersten Lärmwände in Bamberg auftauchen. Sie sollen, das hat sich der Stadtrat ebenso ausbedungen wie den Erhalt des ICE-Halts und eine bessere Nahverkehrsanbindung optisch einer Welterbestadt angemessen gestaltet sein. Das heißt, sie werden teilweise transparent ausgeführt, sie werden großflächig begrünt, und dort, wo es besonders darauf ankommt, möglicherweise etwas niedriger ausfallen.
Hat also der Stadtrat die richtige Entscheidung getroffen, als er sich am 6. März 2018 für die ebenerdige Durchfahrung aussprach? Er hat eine pragmatische Entscheidung getroffen, eine Mehrheitsentscheidung, die durch die zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Gutachtererkenntnisse wissenschaftlich untermauert war. Ein klassischer Kompromiss. Ob er auch auf Dauer trägt, ob es reicht, die ebenerdige Durchfahrung so stadtverträglich wie möglich zu machen, das wird erst die Zukunft zeigen.
Bravo Michael,
Dieser Artikel ist nobelpreisverdächtig!
Warum sitzt Du eigentlich nicht im Stadtrat?