Gefährliche Fahrradspuren auf dem Berliner Ring

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Der Verkehr auf dem Berliner Ring hat stark zu genommen. Damit sind auch die Risiken für Radfahrer gewachsen. Das Beispiel zeigt: Noch haben Radfahrer und Fußgänger Grün. Doch die Ampelphase für Fußgänger ist kürzer als die für die Radfahrer. Ronald Rinklef
Der Verkehr auf dem Berliner Ring hat stark zu genommen. Damit sind  auch die Risiken für Radfahrer gewachsen. Das Beispiel zeigt:  Noch haben Radfahrer und Fußgänger Grün. Doch die Ampelphase für Fußgänger ist kürzer als die für die Radfahrer.  Ronald Rinklef

Beim Linksabbiegen vom Berliner Ring kracht es immer wieder. Das ist bekannt. Doch auch Radfahrer müssen mit Gefahren rechnen.

"Es sind sehr bedrohliche Situationen, wie ich sie in dieser Form in keiner anderen Stadt erlebt habe." Rupert Mattgey sieht am Berliner Ring akuten Handlungsbedarf. Radfahrer leben nach seiner Einschätzung vor allem auf den Kreuzungen gefährlich.

Auf seinem Weg zur Arbeit fährt der 43-jährige Bamberger täglich zehn Minuten lang an der Stadtautobahn entlang. Drei Mal kam es in den letzten Wochen zu gefährlichen Momenten. Beim Überfahren von querenden Straßen wurde er von linksabbiegenden Autofahrern wüst beschimpft, die in der Meinung waren, der Radfahrer habe Rot. Einmal beschleunigte ein Fahrer gar, um seinem vermeintlichen Recht auf Durchfahrt Nachdruck zu verleihen.

Doch die Autofahrer lagen falsch. Was offenbar nicht alle wissen, die einen Pkw lenken: An den meisten Kreuzungen des Berliner Rings haben Radfahrer und Fußgänger unterschiedliche Ampelphasen. Das heißt, es kann durchaus vorkommen, dass die Fußgänger bereits Rot, die Radfahrer aber immer noch Grün haben. Was sich vor Ort aber auch zeigt, ist Folgendes: Für den Autofahrer sind die Fahrradampeln beim Abbiegen auf die Straße meist nicht mehr sichtbar. Er blickt nur noch auf die Fußgängerampel, was den irrigen Eindruck des verbotswidrig fahrenden Radfahrers möglicherweise verstärkt.


Die Bamberger Verkehrspolizei weiß um die Problematik des Linksabbiegens auf dem Berliner Ring Elf mal kam es im vergangenen Jahr zu teils schweren Linksabbiege-Unfällen - freilich ohne Beteiligung von Fahrrädern. Zwei tödliche Unfälle mit Fahrradfahrern weist die Statistik in den letzten Jahren auf, doch beide Vorkommnisse standen nicht im Zusammenhang mit fehlerhaftem Linksabbiegen.

Der Berliner Ring ist also derzeit nicht bekannt dafür, ein Unfallschwerpunkt für Radfahrer zu sein. Dennoch ist Ines Schellmann von der Verkehrspolizei weit davon entfernt, die Situation zu verharmlosen. Dass es an den Querungen immer wieder zu Konflikten komme, sei unvermeidlich. So sei der Berliner Ring mit bis zu 55000 Fahrzeugen am Tag stark belastet. Zudem habe der Verkehr in den letzten Jahren schon wegen der Vielzahl neuer Einrichtungen im Bamberger Osten sichtbar zugenommen.

Eine Entschuldigung für rüpelhaftes Benehmen im Straßenverkehr ist das aber nicht: "Die Rechtslage ist eindeutig", sagt Schellmann. Abbiegende Autofahrer haben auf den Gegenverkehr zu achten, aus den Grünphasen der Fußgänger könnten keine Rückschlüsse auf die der Radfahrer gezogen werden.

Warum die Ampelphasen für Radfahrer auch bei nebeneinander liegenden Spuren nicht mit dem von Fußgängern zu verwechseln sind, erklärt Alfred Friedrich, der "Ampel-Ingenieur" der Bamberger Stadtverwaltung. Um für beide Verkehrsteilnehmer angemessene Ampelphasen zu ermöglichen, geht man bei einem Fußgänger von Durchschnittsgeschwindigkeiten von 1,2 Metern pro Sekunde aus, während ein Radfahrer in der gleichen Zeit vier Meter zurücklegt. Ampelphasen sind also immer auch ein Kompromiss zwischen den Zielen der Verkehrssicherheit und denen der Verkehrsflüssigkeit: "Wir wollen den Fußgänger nicht hoppeln lassen, und der Radfahrer soll eine möglichst lange Grünphase haben, damit er nicht unnötig ausgebremst wird."

Wer angesichts der begrenzten Aufnahmekapazität von Straßen in diese Abhängigkeit eingreift, bringt den Verkehr leicht zum Stocken und verlängert möglicherweise Stauphasen. Doch trotz dieser Abwägung ist auch die Stadtverwaltung stark daran interessiert, den Berliner Ring sicherer zu machen. Ein Vorbild, wie dies gelingen kann, ist die Kreuzung Starkenfeldstraße, wo die Stadt im April 2018 das gesicherte Linksabbiegen für den Pkw-Verkehr eingeführt hat. Für den Autofahrer heißt dies: Wenn auf der Ampel der grüne Linkspfeil leuchtet, ist Abbiegen ohne Begegnungsverkehr möglich. Das schützt den Gegenverkehr und auch die Radfahrer, verlängert freilich auch die Abflusszeiten des Gegenverkehrs.

Hört man Claus Reinhard, den Sprecher der Bauverwaltung, dann bleibt die neue Regelung nicht auf die Starkenfeldstraße beschränkt. Nach dem Willen der kommunalen Unfallkommission sollen als nächste Gefahrenpunkte die Kreuzungen Geisfelder und Moosstraße ins Visier genommen und aufgerüstet werden. Generell gelte aber im Straßenverkehr das Grundgebot der Rücksichtnahme. Wer am Verkehr teilnimmt, habe sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird, heißt es im Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung.

Freilich: Es nützt dem Radfahrer wenig, wenn er Recht hat und dennoch zum Unfallopfer wird. Die Situation, dass Radler angesichts der Geschwindigkeit des Verkehrs und der Reizüberflutung leicht übersehen werden, hat Christian Hader vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Bamberg schon oft am eigenen Leib erlebt. Gerade aus dieser Erfahrung fordert er die Stadt auf, die Infrastruktur mehr auf die Bedürfnisse von Radfahrern auszurichten als dies bisher der Fall war. Dies könne etwa durch 3-D-Markierungen oder so genannte Haifischzähne geschehen. Solche visuellen Instrumente, wie sie in anderen Ländern bereits eingesetzt würden, könnten dazu beitragen, Abbiegeunfälle weiter zu verringern. Ziel müsse es sein, sagt Hader, die Verkehrsinfrastruktur so umzubauen, dass Radfahrer nicht um ihr Leben fürchten müssen, wenn sie sich regelkonform verhalten.