Friseur in Bamberg: Vor dem Haarschnitt klingeln
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Sonntag, 21. Februar 2016
Eine Friseurin in Bamberg-Ost arbeitet im abgesperrten Salon und mit Sicherheitskameras: Sie fühlt sich nach Besuchen von Asylbewerbern unwohl.
Sie wünscht sich nach wie vor, dass "mit dem Thema offener umgegangen wird", sagt Anna Niedermaier (29). Deswegen bereut sie das Gespräch mit der Zeitung nicht. Die Reaktionen haben ihr gezeigt, dass dies die richtige Entscheidung war. Vor rund zwei Wochen hatte sich die Floristmeisterin auf FT-Anfrage hin bereit erklärt, von den Vorfällen in ihrem Blumengeschäft in Bamberg-Ost zu erzählen.
Nun berichtet eine weitere Frau von ihren Erlebnissen - anonym. Denn eigentlich kann sie die Diskussionen über Asylbewerber nicht mehr hören, wie sie sagt. Doch andererseits findet sie: "Leute, die unangenehme Situationen erlebt haben, sollten diese auch thematisieren."
Auf die Friseurin in Bamberg-Ost wurde die Lokalredaktion aufgrund von Hinweisen und Anrufen aufmerksam. Vor Ort stellt sich heraus: Ja, in den Friseursalon kommt tatsächlich nur, wer vorher klingelt. Die Tür ist zugesperrt. Das draußen angebrachte Schild mit der Aufschrift "kameraüberwacht" hält drinnen sein Versprechen. "Die Kameras hab' ich vor einer Woche angebracht", sagt die Friseurin mit Blick Richtung Decke. Doch warum das alles?
Weil sie sich nicht mehr sicher fühle - und manche ihrer Kunden offenbar auch nicht. "Wenn ich mit einer älteren Dame hier allein bin, soll ich die Tür zusperren." Eigentlich möchte die Inhaberin in einem offenen Salon arbeiten, so, wie sie es bis zum Winter 2015 getan hat. Doch im November gab es zwei Situationen, die die Friseurin zum Handeln veranlasst haben.
An einem Dienstag hätten etwa vier männliche Asylbewerber aus der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (Are) in ihrem Laden gestanden und einen Haarschnitt verlangt - ohne Termin und ohne Bezahlung. Die Friseurin erklärte ihnen: "No money, no haircut" ("kein Geld, kein Haarschnitt"), woraufhin es zur Diskussion kam, in der auch Schimpfworte gefallen seien. Die Bambergerin schickte die Männer schließlich aus dem Laden. Es funktionierte - besser als zwei Tage später.
Körperliche Einschüchterung
"Die am Donnerstag wollten nicht mehr gehen." Diesmal hätten sich ungefähr sieben - andere - Männer aus der Are im Friseursalon aufgebaut und eine kostenlose neue Frisur verlangt. Einer sei körperlich nahe an sie herangetreten, die anderen hätten im Halbkreis hinter dem Vordermann gestanden. "Ich hatte mir nach dem ersten Vorfall ein Pfefferspray angeschafft. Doch ich traute mich nicht, es zu verwenden. Genausowenig, wie die Polizei zu rufen," erzählt die Friseurin. Sie habe Beschimpfungen über sich ergehen lassen, bis die Männer endlich gegangen seien. Gleich am nächsten Tag installierte sie die Klingel an der Außentür und schrieb eine E-Mail an die Stadtverwaltung. Seitdem steht sie mit Oberbürgermeister Andreas Starke in Kontakt. Er sowie Dritter Bürgermeister Wolfgang Metzner (beide SPD) luden sie zu einer Informationsveranstaltung in der Gartenstadt ein. Außerdem bot die Stadtverwaltung an, ein mehrsprachiges Informationsblatt in der Are zu Organisation und Kosten eines Friseurbesuchs auszulegen.
Zudem habe es die Idee gegeben, einen Mitarbeiter des Are-Sicherheitsdienstes an die Tür des Friseursalons zu stellen, wie Stadt-Sprecherin Ulrike Siebenhaar bestätigt. Dies sei allerdings nicht zu realisieren.
Anders sieht das bei der Polizei aus: Sie will mit "verstärkter Präsenz" für ein besseres Sicherheitsgefühl in Bamberg-Ost sorgen, wie Sprecher Holger Dremel sagt. Die Polizei wisse von den beiden Vorfällen im Friseurladen und schaue regelmäßig dort vorbei. Straftaten seien aber keine bekannt - "Beleidigungen wurden nicht angezeigt".
Floristmeisterin Anna Niedermaier hat das mittlerweile nachgeholt: Die junge Frau war in ihrem Blumenladen unter anderem beschimpft und angespuckt worden, weil die männlichen Kunden ihr nicht glauben wollten, dass eine Frau die Chefin ist.
Herablassende Art der Männer
Als besonders erniedrigend habe sie die herablassende Art der Männer empfunden. "Es sollte nicht nur Nachhilfe in der Sprache, sondern auch für Verhaltensgrundsätze geben", sagt Niedermaier. Ähnlich äußert sich die Friseurin, die von "Respektlosigkeit" spricht. Ein Vorstoß in diese Richtung könnte der Rechtskundeunterricht sein, den die Bamberger Justizbehörden seit kurzem durchführen. Dabei soll das deutsche Werte- und Rechtssystem vermittelt werden. Außerdem hat sich die Fraktion des Bamberger-Bürger-Blocks mit einem Schreiben an den Oberbürgermeister gewandt, in dem es um die Beleidigung von Frauen geht.
Kein Pauschalurteil
Floristin wie Friseurin stellen jedenfalls klar, dass sie kein Pauschalurteil über Flüchtlinge fällen wollen. Anna Niedermaier engagiert sich weiterhin für die Kinder von Asylbewerbern, und die Dame vom Friseursalon merkt an: "Meine Familie und Freunde sind multi-kulti." Beide Frauen hoffen, dass es sich bei ihren unangenehmen Erfahrungen um Einzelfälle handelt. Allerdings haben diese bereits Spuren hinterlassen: Im Gegensatz zum Laden der Friseurin ist die Tür vom Blumengeschäft zwar offen, "doch ich bleibe erst mal hinter der Theke und frage, wie ich helfen kann", sagt Niedermaier. Der Ladenschlüssel liegt immer griffbereit in ihrer Nähe.