Erzbistum Bamberg: Missbrauchspfarrer musste zur "Besinnung" kurz ins Kloster - und machte danach weiter
Autor: Isabel Schaffner, Daniel Krüger
Bamberg, Dienstag, 27. Sept. 2022
Ein fränkischer Pfarrer missbrauchte offenbar über Jahrzehnte vorwiegend männliche Jugendliche aus seiner Gemeinde. Das Erzbistum Bamberg schickte ihn nach ersten Fällen ins Kloster - wenige Jahre später wurde er in Oberfranken eingesetzt.
Aktuell erschüttert ein weiterer Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ganz Franken. Im Erzbistum Bamberg sind die Fälle bereits seit Jahrzehnten bekannt gewesen - doch erst Ende September 2022 gelangten sie an die Öffentlichkeit.
"Nach ernst zu nehmenden Hinweisen auf Fälle von sexuellem Missbrauch durch einen Pfarrer in der Gemeinde Wallenfels (Landkreis Kronach) im Zeitraum zwischen 1970 und 1995 ruft das Erzbistum Bamberg weitere Betroffene auf, sich zu melden", hieß es in einer ersten Pressemitteilung am Mittwoch (21. September 2022). Die bisher bekannten Opfer waren oder sind demnach Mitglieder der Wallenfelser Gemeinde, schrieb das Erzbistum.
Update vom 27.09.2022: Geistlicher musste nach Missbrauch ins Kloster - danach setzte ihn das Erzbistum wieder als Pfarrer ein
Beim Erzbistum Bamberg werden die Missbrauchsvorwürfe gegen Dieter S. als tatsächliche Fälle verstanden. "Für uns handelt es sich hier um Fakten", so ein Sprecher Ende vergangener Woche gegenüber inFranken.de. Neue Informationen, die das Erzbistum am Montag (26. September 2022) öffentlich mitgeteilt hat, zeichnen ein noch klareres Bild. Bereits 1963 hatte es demnach Missbrauchsvorwürfe gegen den langjährigen Pfarrer von Wallenfels, Dieter S., gegeben. Betroffene hätten "dem damaligen Weihbischof Johannes Lenhardt von sexuellen Annäherungsversuchen des Priesters" während seiner Kaplanszeit in Nürnberg St. Georg berichtet, so das Erzbistum.
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Strafanzeigen gab es laut Erzbistum nicht. Er sei stattdessen "aus dem Dienst genommen" worden. Außerdem sollte sich S. "zur Besinnung und Umkehr zuerst ins Kloster Niederalteich und dann in die Abtei Münsterschwarzach begeben". Der Pfarrer gestand die Missbrauchstaten laut Erzbistum sogar schriftlich. "Für seine Vergehen in dieser Zeit schrieb S. zwei Entschuldigungsbriefe an Erzbischof Josef Schneider und Weihbischof Lenhardt", heißt es in der Mitteilung.
Auch seine "Klosterstrafe" war nicht von langer Dauer: 1964 habe S. darum gebeten, als Seelsorger nach Bolivien zu wechseln - er bekam seinen Wunsch erfüllt. Fünf Jahre später, 1969, durfte er ins Erzbistum Bamberg zurückkehren, wo man ihn direkt wieder in der Seelsorge einsetzte. So war S. laut Erzbistum "zuerst in den Pfarreien Weisendorf und Kirchehrenbach tätig, bevor er 1970 zum Kaplan in Wallenfels ernannt wurde, wo er anschließend von 1972 bis 1995 Pfarrer war. 1995 wurde er zum Pfarrer in Uffenheim ernannt".
Tagebuch von Dieter S. aufgetaucht - "Missbrauch von Jugendlichen" geht hervor
Am 22. Oktober 1996 habe S. "abrupt, ohne Mitteilung", die Pfarrei "wegen Unstimmigkeiten mit dem Pfarrgemeinderat" verlassen. Wenige Monate später habe er sich wieder aus Bolivien gemeldet, wo er wieder im gleichen Vikariat Ñuflo de Chávez tätig gewesen sei. Heute ist auch der Öffentlichkeit bekannt, dass S. in den 25 Jahren seiner Zeit in der Gemeinde Wallenfels vorwiegend Ministranten missbrauchte. 1999 habe es dann "erneut einen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs" gegeben. Für das Erzbistum Bamberg sei die "Überprüfung des Vorwurfs schwierig" gewesen, weil "er nicht von einem Opfer kam und sich Pfarrer S. in Bolivien aufhielt", heißt es.
Zwischen 1964 und 1999 seien "keine Missbrauchsvorwürfe in den Akten des Bistums dokumentiert". Die Informationen seien "auch in die bundesweite MHG-Studie, die von 2014 bis 2018 aus den Personalakten der Jahre 1949 bis 2014 angefertigt wurde, eingeflossen". Im April 2022 seien aus Privatbesitz Nachlassakten des Priesters dem Diözesanarchiv übergeben worden. "In diesen finden sich Tagebuchaufzeichnungen, aus denen Missbrauch von Jugendlichen hervorgeht", so das Erzbistum.