Das sei vermeidbar, klagen Mediziner. "Impfungen gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen", sagt Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK). Besonders bei den Masern: Die Erkrankung gilt als hochansteckend, noch ansteckender als Ebola, Tuberkulose oder Grippe. Das Virus verbreitet sich durch die Luft und infiziert das Atemsystem. Ansteckend sind Betroffene schon einige Tage vor dem Ausbruch. "Da der Mensch der einzige Wirt des Virus ist und ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht, ist eine Elimination möglich", schreibt das Robert-Koch-Institut.
Impflücken sind zu groß
Wie gefährlich ist das Impfen? Tatsächlich kann es immer zu Nebenwirkungen kommen, selten treten schwerwiegende Schädigungen bis hin zum Tode auf. Nach dem Infektionsschutzgesetz können Impfgeschädigte staatliche Leistungen beantragen. Erstattung von Behandlungskosten, Grundrente oder Berufsschadenausgleich etwa, je nach Fall. Im Freistaat zuständig ist das Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS). Aktuell sind 440 Menschen leistungsberechtigt, pro Jahr kommen kaum mehr als eine Handvoll hinzu. Seit 2014 sind 18 Prozent der Anträge bewilligt worden. Oft würden die erst Jahre später gestellt, so ein ZBFS-Sprecher. "Daran scheitert es meistens, denn dann lässt sich ein Zusammenhang nur noch sehr schwer beweisen."
92,2 Prozent der Kinder in Bayern sind zweifach geimpft, wie Schuleingangsuntersuchungen zeigen. Vor allem bei Erwachsenen klaffen aber große Impflücken. Laut der Bundeszentrale für politische Aufklärung (BZgA) gibt es dafür viele Gründe: fehlendes Wissen über die Krankheiten, Vergesslichkeit und Bequemlichkeit spielten demnach ebenso eine Rolle wie Angst vor Nebenwirkungen und Spritzen oder der Einfluss von Freunden und impfkritischen Medienberichten. Gerald Quitterer von der BLÄK spricht sich dennoch gegen eine die Spritzen-Pflicht aus: "Ich baue auf Information und Aufklärung."
Kommentar: "Im Zweifel für den Impfschutz" (lesen Sie hier)
Welche Infos sind nun vertrauenswürdig? "Es gibt viel Polemik auf beiden Seiten und wir wissen einfach zu wenig", sagt der Bamberger Impfskeptiker Dirk Bayer. Für ihn ist es ein "Glaubenskrieg", in dem Kritiker in die esoterische Ecke geschoben würden. Bayer betont, das Impfen nicht per se verteufeln zu wollen. Er fordert eine umgekehrte Beweispflicht: "Die Pharmaindustrie soll mir erst einmal beweisen, dass ihre Produkte funktionieren. Ist ein kausaler Zusammenhang einwandfrei bewiesen, spricht nichts mehr dagegen."
Wie Bayer ist auch Ina Kudlich auf öffentlich zugängliche Informationen angewiesen. Die sind reichlich vorhanden, entscheidend ist die Lesart. "Ich habe größten Respekt vor dem Individuum. Jeder sollte die Entscheidung selbst treffen. Die Masern-Impfung geht aber übers Persönliche hinaus", sagt sie. "Wir tragen Verantwortung für unsere Mitmenschen." Gegner würden vom Impfschutz anderer profitieren, deren Risiko aber erhöhen. Das macht sie wütend. "Mich hat bisher noch kein Argument der Impfgegner überzeugt."
Was Sie übers Impfen wissen sollten
Stiko Auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse gibt die Ständige Impfkommission Stiko am Robert Koch-Institut (RKI) Empfehlungen zu Standard-, Indikations-, Auffrisch- und Nachholimpfungen für alle Altersgruppen heraus. Infos gibt's im Netz unter www.rki.de. Impfkalender Empfehlungen der Stiko beinhalten unter anderem den Impfkalender für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie die Tabelle der Indikations- und Auffrischimpfungen: www.stiko.de Erinnerung Einen Online-Vorsorgeplan für ihre Kinder können sich Eltern auf den Internetseiten www.kinderaerzte-im-netz.de oder www.gesundes-kind.de/erinnerungsservice erstellen. In ein Formular trägt man Namen und Geburtsdatum des Kindes ein und wird anschließend per Mail über anstehende Impfungen sowie Vorsorgeuntersuchungen informiert. Nebenwirkungen Impfungen haben Risiken und Nebenwirkungen: Rötungen oder Schwellungen an der Einstichstelle, Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen können auftreten, gehen aber nach Aussagen von Experten im Normalfall schnell vorüber.
Die Gründe von Impfskeptikern reichen von der Furcht vor Impfschäden (hier bestünde ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Versorgungsrecht) bis zur Auffassung, das Durchlaufen einer Krankheit biete einen besseren Schutz. Antworten zu den häufigsten Einwänden gegen das Impfen geben das Robert-Koch- sowie das Paul-Ehrlich-Institut unter www.rki.de. Präventionsgesetz Durch das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz - PrävG) vom 17. Juli 2015 wurden mehrere neue Vorschriften in das Infektionsschutzgesetz eingefügt. Ziel ist die Stärkung der Impfprävention.
Impfberatungspflicht Bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita muss ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorgelegt werden. Beim Auftreten zum Beispiel von Masern in einer Gemeinschaftseinrichtung (z.B. Kita, Schule, Hort) können zuständige Behörden ungeimpfte Kinder vorübergehend ausschließen.
Einstellungskriterium Medizinische Einrichtungen dürfen die Einstellung von Beschäftigten vom Bestehen eines erforderlichen Impf- und Immunschutzes abhängig machen. Internet Infos zum Thema bieten auch der Berufsverband der Kinderärzte unter www.kinderaerzte-im-netz.de, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung unter www.impfen-info.deund das bayerische Gesundheitsministerium unter www.schutzimpfung-jetzt.de.