Drei Berufe auf einen Streich

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Die Pflege-Auszubildenden Miriam von der Wehl, Lisa Spangel und Heiko Weis (von links) üben miteinander in Bamberg an einem Schulungsbett. Foto: Barbara Herbst
Die Pflege-Auszubildenden Miriam von der Wehl, Lisa Spangel und Heiko Weis (von links) üben miteinander in Bamberg an einem Schulungsbett. Foto: Barbara Herbst

Ab Januar wird die Pflegeausbildung neu organisiert. Statt sich auf Kranken-, Kinderkranken- oder Altenpflege festlegen zu müssen, starten die Azubis einheitlich. Der Berufszweig soll attraktiver werden. Doch die Probleme der Branche sind dadurch noch lange nicht gelöst.

Eine Notlösung ist es bei keinem von ihnen. Der Pflegeberuf kann durchaus reizen. Helfen, unterstützen, Verantwortung übernehmen, einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Und im Mittelpunkt der Mensch. "Ich wollte immer etwas mit Menschen machen", erzählt Lisa Spangel. Die 22-Jährige aus dem Landkreis Bamberg ist im dritten Lehrjahr zur Altenpflegefachkraft. Nach dem Abitur hat sich Spangel überlegt, wie es nun weitergehen soll. Als eine Cousine von ihren positiven Erfahrungen in der Krankenpflegeausbildung berichtete, "hab' ich geschaut, ob man etwas dazu studieren kann", sagt Spangel.

Das macht die junge Frau jetzt. Neben der Ausbildung studiert sie über die Fernhochschule "Therapie- und Pflegewissenschaften". Die Ausbildung dauert drei Jahre, das Studium passend dazu sechs Semester. Die Hochschule ist für Spangel quasi Freizeitvergnügen. Vorlesungen sind in der Regel samstags.

Realschulzeugnis als Voraussetzung

Auch Spangels Kollegin Miriam von der Wehl hat nach ihrer Fachhochschulreife exakt diesen Weg eingeschlagen: Altenpflegeausbildung kombiniert mit Studium. Kontakt mit Spangel hat die 23-Jährige aus dem Landkreis Forchheim aber nicht über die tägliche Praxis, sondern über die Berufsfachschule - die Bamberger Akademien für Gesundheits- und Pflegeberufe.

Dort wird auch Heiko Weis unterrichtet. Anders als Spangel, die in einem Seniorenzentrum in Bamberg arbeitet, und von der Wehl, deren aktuelle Ausbildungsstelle im dritten Lehrjahr ein Demenzzentrum im Landkreis Forchheim ist, hat sich Weis nicht für die Alten-, sondern für die Krankenpflege entschieden. "Ich wollte immer Krankenpfleger werden", sagt der 35-Jährige.

Erfahrung mit der Pflege von Senioren hat Weis dennoch. Der Azubi aus dem Landkreis Bamberg, der erst vor einigen Wochen seine Lehre im Klinikum Bamberg begonnen hat, hat eine einjährige Ausbildung zum Altenpflegefachhelfer hinter sich. Die war Voraussetzung, da er nur mit Mittelschulabschluss sonst nicht zugelassen worden wäre. Grundsätzlich ist das Realschulzeugnis notwendig.

Modellversuch seit 2012 in Bamberg

Wenn jetzt zum 1. Januar die Ausbildung reformiert wird, ändert sich zumindest für Weis gar nichts. Laut dem Beschluss der Bundesregierung wird es dann eine generalistische Ausbildung geben. Das heißt, die Azubis entscheiden sich frühestens im dritten Lehrjahr für einen Schwerpunkt. Mitunter bleiben sie aber bei der allumfassenden Ausbildung und erwerben grundsätzlich den Abschluss "Pflegefachfrau/-mann". Also keine frühe Wahl mehr zwischen Kranken- oder Altenpflege.

Heiko Weis macht das jetzt schon. In Bamberg ist so etwas seit 2012 möglich. "Wir haben bereits seit dieser Zeit einen Modellversuch", erklärt Matthias Drossel, Schulleiter der Bamberger Akademien. "Zwar gab es bisher noch nicht den generalistischen Titel, aber die Schulinhalte waren so wie jetzt vorgesehen."

Drossel findet die Änderung gut. Sie fördere ein vernetztes Denken. Ob sie auch mehr junge Menschen für eine Ausbildung in der Pflege begeistern kann, muss sich aber erst zeigen. Die Bewerberzahlen seien in den vergangenen Jahren erheblich geringer geworden, berichtet Drossel.

Nun will die Bundesregierung rund um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Azubi-Zahlen steigern. Zehn Prozent mehr in fünf Jahren.

Lohn statt Schulgeld

"Ich dachte auch, ich kann das nicht. Und dann habe ich das einfach mal probiert. Es ist überhaupt nicht so schlimm", beschreibt Miriam von der Wehl ihre ersten Erfahrungen mit ihrem Berufsfeld. Die 23-Jährige liebäugelte zunächst mit einer Ausbildung zur Ergotherapeutin, entschied sich dann aber für die Pflege. "Für Ergotherapie muss man bezahlen und erhält keinen Lohn", erklärt sie ihre Wahl.

Überhaupt die Bezahlung. Sie wird immer wieder für den Fachkräftemangel in der Pflege angeführt. Bei den drei Bamberger Azubis gibt es Unterschiede. Weis wird nach dem Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) bezahlt, erhält im ersten Lehrjahr 1140,69 Euro, im zweiten 1207,07 Euro und im dritten 1303,38 Euro. Von der Wehl arbeitet bei der Diakonie, die zahlt in Anlehnung an den Tarifvertrag. Spangel wiederum erhält eine Vergütung nach Haustarif.

Blickt man auf den Tariflohn, meckert keiner bei dieser Ausbildung mit mittlerem Schulabschluss. Auch nicht Felix Holland, Fachbereichsvorsitzender Oberfranken-West der Gewerkschaft Verdi. "Nach der Ausbildung hinken die Pflegeberufe bei der Bezahlung im Vergleich zur Industrie hinterher", merkt er allerdings an.

"Nein sagen"

Das Problem für die mangelnde Attraktivität der Pflegeberufe, vor allem der Altenpflege, sei aber die Arbeitsbelastung. "Es gibt keine Personalbedarfsbestimmungen. Keine Vorschrift, wie viele Personen ich für zum Beispiel 30 Betten zur Verfügung stellen muss", sagt er. "Zu viel Arbeit für zu wenig Leute."

Und was sagen die Azubis? "Bei uns kann man nicht einfach die Arbeit niederlegen", meint von der Wehl. Alles stehe und falle mit der Einrichtung und dem Team. "Ich würde mir mehr Zeit für die Pflegenden wünschen."

Allen drei ist bewusst, "dass wir auch am Wochenende arbeiten oder nachts". Das Problem seien aber die Ausfälle. Wenn jemand krank werde, gebe es keinen Puffer. Solche Branchenprobleme müssten aber andere lösen.

Miriam von Wehl plädiert derweil für mehr Selbstbewusstsein: "Man muss auch mal Nein sagen. Jetzt springe ich nicht mehr ein!"