Druckartikel: Diskussion zum Thema Asyl in Bamberg: Nichts totschweigen, aber auch kein Populismus

Diskussion zum Thema Asyl in Bamberg: Nichts totschweigen, aber auch kein Populismus


Autor: Christian Pack, Sebastian Martin

Bamberg, Dienstag, 04. April 2017

Beim Podiumsgespräch der Mediengruppe Oberfranken sind sich die Teilnehmer einig: Es gibt große Herausforderungen, die man nur gemeinsam bewältigt kann.
Fotos: Matthias Hoch


Kaum ein Thema beschäftigt die Bamberger aktuell so sehr wie die Flüchtlingsfrage. Das wurde bei der Podiumsdiskussion der Mediengruppe Oberfranken (MGO) mit dem Titel "Brennpunkt Asyl - Ist Bamberg überfordert?" deutlich. Über 100 Zuhörer beteiligten sich am Montagabend angeregt an der Debatte.

Auch auf dem Podium wurde kontrovers diskutiert, insbesondere über den Sicherheitsaspekt. In den letzten Monaten hatten Meldungen über Straftaten von Flüchtlingen die Bevölkerung zunehmend verunsichert. Markus Ritter von der Initiative gegen den weiteren Ausbau der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) gab an, dass ihm die Entwicklung in der Stadt teilweise Sorgen bereitet.

"Ich fühle mich als Bewohner des Bamberger Ostens nicht wohl." Es sei illusorisch, dass die Polizei alles und jeden kontrollieren- und jeder Flüchtling integriert werden könne. Allerdings warnte er davor, alles pauschal schlecht zu reden. "Wir müssen die Flüchtlinge integrieren. Das ist Fakt. Es wird schon viel Gutes getan und es geht nur miteinander", betonte Ritter.



Generell sollten sich die Bamberger nicht durch unseriöse Behauptungen aus dem Internet beeinflussen lassen. "Facebook ist keine Quelle! Wir müssen aufpassen, nicht alle über einen Kamm zu scheren." Daher sei es auch die Aufgabe von serösen Medien, umfassend und aktuell zu berichten. "Auch damit steht und fällt die Stimmung."


Genau hinschauen und gelassen bleiben

Damit sprach er Thomas Schreiber aus der Seele. Der Bamberger Polizeichef appellierte an die Bevölkerung, einerseits genau hinzuschauen und anderseits gelassen zu bleiben. "Die Polizei geht jedem Hinweis nach. Aber wir dürfen uns generell nicht von Falschmeldungen leiten lassen." Die Zahl der Straftaten sei im Jahr 2016 um 7,6 Prozent angewachsen, 400 mehr als im Vorjahr würden den Zuwanderern zugeschrieben. Der Deliktsbereich Ladendiebstähle sei am stärksten angestiegen. Zum Thema Sexualdelikte sagte Schreiber: "Diese spielen 2016 in der Statistik keine Rolle."

Viele der Straftaten gingen 2016 auf das Konto einer Gruppe von Nordafrikanern, die der Polizei Ende des Jahres ein "massives Problem" bereitet hatte. "Sie haben nachts im Sandgebiet Handys geklaut und auf dem Rückweg zur AEO noch Autos aufgebrochen. Diese Problematik haben wir in den Griff bekommen." Derzeit sind in der Stadt Bamberg 1569 Flüchtlinge untergebracht, davon 1095 in der AEO. Diese hat aktuell eine Kapazität von 1430 Plätzen.

Fakt sei, dass schon einige Intensivtäter in Untersuchungshaft sitzen, erklärte Schreiber. Dies sei aber nicht gleichbedeutend mit einer sofortigen Abschiebung. "Nicht jeder abgelehnte Asylbewerber kann sofort abgeschoben werden, das ist nicht so einfach."

Die Polizei sei definitiv nicht überfordert. Man hoffe aber trotzdem, dass die versprochenen zusätzlichen 20 Stellen zeitnah besetzt werden. "Da warten wir schon lange drauf", betonte der Polizeichef.

Was die Belästigungen betrifft, sei der Polizei aber teilweisen die Hände gebunden. "Die jungen Männer bleiben brav, wenn wir Streife fahren. Sobald wir um die Ecke sind, kann sich das ändern."


"Das Wort Einzelfall kann ich nicht mehr hören"

Am eigenen Leib erlebt hatte dies Anna Niedermeier. Die Besitzerin eines Blumenladens war in ihrem Geschäft von Flüchtlingen belästigt worden. "Das wünsche ich niemandem." Aus ihrer Sicht habe sich die Stimmung im Bamberger Osten definitiv verändert. Immer wieder würden sich Kunden bei ihr über Asylbewerber beschweren. "Ich bin fast eine Art Beratungsbüro." Junge Frauen hätten ihr gegenüber gesagt, dass es kein Spaß mehr mache, alleine in der Stadt herumzulaufen. "Das Wort Einzelfälle kann ich nicht mehr hören."

Als Ehrenamtliche mache sie gleichzeitig auch viele positive Erfahrungen. "Ich habe viel mit Flüchtlingskindern zu tun, beispielsweise durch Sportveranstaltungen, die wir generell für sozial schwache Kinder organisieren. Wenn man einen Ball hinlegt, ist es egal welche Sprache man spricht." Generell brauche die Stadt einen offenen Dialog. "Alle Seiten müssen auf den Tisch."


Bessere Betreuungsangebote schaffen


Das sieht auch Ursula Sowa vom Obudsrats der Stadt so. Sie gab aber auch zu bedenken, dass die Lebenssituation der Flüchtlinge in der AEO verbesserungswürdig sei. "Auch die Flüchtlinge haben große Nöte." Sie habe beispielsweise von einer Vier-Zimmer-Wohnung gehört, in der der 19 Menschen leben. Mehr Personal sei deshalb wichtig, um bessere Betreuungsangebote zu schaffen. "Viele wissen mit ihrer Zeit nichts anzufangen. Ich denke da beispielsweise an Straßenfeste. Vor allem die Mütter und die Kindern sind sehr dankbar, wenn man ihnen hilft", sagte Sowa, die selbst regelmäßig auf dem Gelände ist. "Da habe ich keine Angst."



Im ehrenamtlichen Bereich werde schon Vieles getan. Dennoch werde man sich beim Ombudsteam Gedanken machen, wie man weiteres ehrenamtliches Engagement nutzen könne.



Kühlen Kopf bewahren

Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) appellierte an die Bamberger Bürger, "kühlen Kopf zu bewahren, nicht zu verallgemeinern und sich nicht von Angst dominieren zu lassen". Probleme mit Flüchtlingen dürften nicht totgeschwiegen werden. "Das muss man alles beim Namen nennen. Die Gleichstellung von Mann und Frau darf nicht in Frage gestellt werden." Gleichzeitig müsse das soziale Engagement hochgehalten werden.

Was den fehlenden Wohnraum betrifft, müsse die Stadt dafür sorgen, dass jeder normale Bürger Anspruch auf bezahlbare Wohnungen hat. "Damit nicht der Eindruck entsteht, dass wir alleine etwas für Flüchtlinge tun." In diesem Zusammenhang sei es eine Forderung der Stadt, dass eine Erweiterung der AEO auf 3400 Plätze nicht realisierbar ist. "Sonst hätten wir ganz andere Probleme."

Das unterstrich auch ein Zuhörer aus dem Publikum. In vielen Supermärkten im Bamberger Osten würden die Kunden weg bleiben. "Wir müssen verhindern, dass aus 1500 irgendwann 2500 Bewohner der AEO werden", sagte der Mann.

Beim Thema Wohnraum nahm Markus Ritter die Stadt in die Pflicht. "Die Entscheidungsträger sitzen in München und Berlin. Aber ich sagte es auch ganz bewusst in Richtung Stadt: Nehmen Sie auf die Landesregierung Einfluss. Wir brauchen bei der AEO ein Limit!"

Dass sich der Oberbürgermeister für mehr Wohnraum einsetzten will, sei lobenswert - käme seiner Meinung nach aber etwas zu spät. "Wir brauchen den Wohnraum jetzt", so Ritter. Der Bedarf werde nämlich stetig steigen - für die Bamberger Bürger und für die anerkannten Flüchtlinge.

Link: Hier können Sie den Liveticker zur Podiumsdiskussion nachlesen