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Die Weiche ins Nirgendwo


Autor: Sabine Christofzik

Breitengüßbach, Freitag, 24. März 2017

Für den äußersten Notfall: Wenn ein kleineres Unglück das große verhindern muss. Zum Beispiel an der Bahnstrecke Ebern - Breitengüßbach.
Wer das nicht kennt, der schaut zweimal hin: die Schutzweiche bei Breitengüßbach  Foto: Stefan Borschert


Das Ding ist nagelneu, der Schotter noch blütenfrisch. Doch was soll auf diesem Mini-Gleisstück Platz finden? Keiner der Kollegen kann sich einen Reim darauf machen was das Foto zeigt, das FT-Leser Stefan Borschert uns geschickt hat.

Von der Brücke (aus Richtung Rattelsdorf) am Ortseingang Breitengüßbach auf Höhe des Friedhofs hat er es aufgenommen. "Da ist eine Weiche eingebaut, die nirgendwo hin führt. Hat aber bestimmt Sinn", schreibt er dazu.

Das wird wohl so sein. Wer sich im Bahnverkehr auskennt, rollt jetzt vielleicht die Augäpfel. Alle anderen müssen aber nicht mehr weiterrätseln. Ein Anruf, ein Klick auf Weiterleiten der E-Mail, ein Rückruf: Der für den ICE-Streckenausbau zuständige Pressesprecher der Deutschen Bahn präsentiert die Lösung: Es ist eine sogenannte Flankenschutzweiche.


Rückfallebene

Wird sie ausgelöst, fährt der Zug tatsächlich dort hin, wo der Bild-Betrachter es vermutet. Das jedoch nur im äußersten Notfall: Wenn alles andere nicht greift, wenn sonst nicht verhindert werden kann, "dass ein Fahrzeug von Ebern auf die 5919 ohne Berechtigung einfährt", sagt Frank Kniestedt. Mit 5919 ist die Bahn-Hauptstrecke zwischen Lichtenfels und Bamberg gemeint. Dort, wo ICEs und andere Züge mit hoher Geschwindigkeit verkehren. "Es ist ein rabiates Sicherheitselement. Aber ein im Bahnverkehr sehr gebräuchliches. Die letzte Rückfallebene."

Muss der Zug ins Schotterbett, wird er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus dem Gleis springen. Auf alle Fälle ist er so gestoppt, dass er unter keinen Umständen den zu schützenden Fahrweg erreicht. Sozusagen das kleinere Übel, verglichen mit einem Zusammenstoß eines von der Nebenstrecke kommenden und eines auf der Hauptstrecke fahrenden Zuges.


Wir sind eben keine Pufferküsser

Was mag wohl auf dem kleinen Viereck stehen, das das Ende des kurzen Gleis-Stücks markiert - doch nicht etwa "Stop"? Noch ein Anruf beim Bahn-Pressesprecher. "Das kann schon sein, irgendwas in der Art. Die Pufferküsser wüssten das auf Anhieb", hört man ihn durchs Telefon schmunzeln.

Er will sich wieder melden. Die was? Pufferküsser? Das klingt putzig. Aber auch nach einem Spott-Wort. Tatsächlich, den Begriff gibt es. Er scheint für Eisenbahnfans zu stehen, die für ihr Hobby allerhand auf sich nehmen.

Inzwischen ist auch die Mail mit der Antwort zum Schild da, das gar kein Schild ist. Aber "Halt" steht wirklich drauf. Allerdings als Kürzel: Sh 2. Es bedeutet Schutzhalt. "Als Tageszeichen dient eine rechteckige rote Scheibe mit weißem Rand. Es wird als Abschlusssignal von Stumpfgleisen verwendet", lautet der Rest der Erläuterung.

Tageszeichen. Eieiei. Sollte Eisenbahnersprache sich als so speziell wie die der Jäger erweisen? Auf die Lösung kommen wir dann aber doch selber. Auf jeden Fall was ohne Licht.