Die Kirche als Ausstellungsraum

1 Min
Die Stadtpfarrkirche St. Michael in Zeil ist einer von zehn Ausstellungsorten in Unterfranken, die in diesem Jahr zum Projekt "Zeitgleich - Zeitzeichen" des Verbandes Bildender Künstler gehören. Gabi Weinkauf präsentiert hier ihre Installation "Scham". Foto: Sabine Weinbeer
Die Stadtpfarrkirche St. Michael in Zeil ist einer von zehn Ausstellungsorten in Unterfranken, die in diesem Jahr zum Projekt "Zeitgleich - Zeitzeichen" des Verbandes Bildender Künstler gehören. Gabi Weinkauf präsentiert hier ihre Installation "Scham".  Foto: Sabine Weinbeer

St. Michael in Zeil ist mit neun anderen Gotteshäusern in Unterfranken Teil des bundesweiten Projekts "Schöpfer und Geschöpf". Die Künsterlin Gabi Weinkauf gestaltete ein Gewächshaus zum Thema "Scham".

In ganz Deutschland wurden am Mittwoch Ausstellungen unter dem Motto "Zeitgleich - Zeitzeichen" eröffnet. Das ist ein Projekt des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) mit Sitz in Berlin. Auch Zeil ist Teil dieser riesigen Ausstellung, die bis zum 31. Oktober zu sehen ist und in diesem Jahr den Titel "Schöpfer und Geschöpf" trägt.

"Wir Unterfranken wollten zeitgenössische Kunst an ungewöhnlichen Orten zeigen und stellten den sakralen Raum in den Mittelpunkt", berichtete Gabi Weinkauf, die ihre Installation "Scham" in der Stadtpfarrkirche St. Michael in Zeil zeigt. Die Idee des BBK Unterfranken: zehn Gewächshäuser in zehn Kirchen in Unterfranken, zehn Künstler, die diese Gewächshäuser mit Kunst füllen. Die Künstler bewarben sich mit ihren Konzepten und Kirchen wurden gesucht, die sich auf dieses Experiment einlassen.
"Ich bin sehr dankbar, dass sich Pfarrer Erhard und der Pfarrgemeinderat offen für dieses Vorhaben zeigten", erklärte die Künstlerin, die wir beim Aufbau ihrer Installation trafen.

So stehen nun in Zeil wie auch in Veitshöchheim, Estenfeld, Schweinfurt, Gerolzhofen, Münsterschwarzach, Bad Königshofen, Schöllkrippen und Aschaffenburg die unterschiedlichsten Gattungen zeitgenössischer Kunst in Gewächshäusern in den Kirchen. Zusammen bilden sie einen von insgesamt 62 Beiträgen bundesweit zu dem Ausstellungsprojekt, das unter der Schirmherrschaft des Staatsministeriums für Kultur und Medien steht.
Viele derer, die in den nächsten Wochen St. Michael betreten, werden sich fragen "was soll das denn"? Wer sich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigen will, muss vor allen Dingen bereit sein, sich auf das, was er sieht, einzulassen, "denn Kunst ist mehr als Dekoration oder Wohlfühlkulisse", so Weinkauf.

Zu ihrer Installation "Scham" erklärte die Künstlerin am Mittwoch bei der Vernissage: "Zuerst war da diese Leuchtstoffröhre, um die ich den Brautschleier gelegt habe. Der Lichtstab mit seiner harten, orangefarbenen Linie bildet das Zentrum der Arbeit. Der Schleier schmiegt sich geschmeidig und sinnlich um diese Linie. Dadurch wirkt alles empfindlich und verletzlich. Die Form dieser Installation erinnerte mich an eine Vulva und brachte mich auf den Titel ,Scham'. Die "Scham", aus der neues Leben herausströmt, steht für das Männliche und das Weibliche. Durch beides vereint entsteht ein kraftvolles Energiefeld, das durch den Aufbau im Gewächshaus noch verstärkt wird. Für das Christentum, das Judentum und den Islam führt das Bewusstsein, gegen göttliche Weisung verstoßen zu haben, zu Scham. So empfanden Adam und Eva ihr Nacktsein plötzlich als unangemessen."

Heutzutage gebe es in unserer Gesellschaft viele Auslöser von Scham: Arbeitslosigkeit, Armut, Alter, körperliche Makel und Gebrechen. Wenn Scham auftaucht, sei auch immer die Würde des Menschen verletzt. "Weil wir nicht nur fühlen, etwas falsch gemacht zu haben, sondern selbst ein Fehler zu sein. Diese Ausgrenzung lässt sich nur durchbrechen, wenn wir beginnen, über unsere Scham zu sprechen und würdevoller miteinander umzugehen".