Die Flüchtlinge kommen wie gerufen

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Die einen haben keine Ausbildung, die anderen keine Azubis: Frankens Handwerker sehen in den Flüchtlingen eine Chance gegen den Nachwuchsmangel. Diese zwei Jugendliche bauen in der Berufsschule Bamberg eine Kistentrommel. Foto: p.
Die einen haben keine Ausbildung, die anderen keine Azubis: Frankens Handwerker sehen in den Flüchtlingen eine Chance gegen den Nachwuchsmangel. Diese zwei Jugendliche bauen in der Berufsschule Bamberg eine Kistentrommel.  Foto: p.

Nachwuchsmangel im Handwerk und explodierende Flüchtlingszahlen - wie passt das zusammen? Noch gibt es viel zu viele Hürden, sagen Unternehmer aus der Region Bamberg. Und fordern Bleiberecht für Auszubildende.

Viel Lob hat Matthias Graßmann nicht übrig für die deutsche Flüchtlingspolitik. Der Bamberger ist Inhaber eines Handwerkbetriebs und möchte nicht länger zusehen, wie Anspruch und Wirklichkeit in einer zentralen Zukunftsaufgabe auseinanderklaffen. Einerseits: Die Flüchtlingsheime in Bamberg platzen aus allen Nähten, immer mehr traumatisierte Menschen, darunter viele Jugendliche oder junge Erwachsene, stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Und gleichzeitig suchen die Handwerker vor Ort händeringend nach Nachwuchs. Ein Trauerspiel, findet Graßmann. "Wir, die Wirtschaft, sagen Ja zu diesen jungen Menschen, ja zur Einwanderung, aber gleichzeitig stoßen wir auf immer neue bürokratische Hemmnisse."


Arbeitsschock in Deutschland

Einen Selbstversuch hat Graßmann gewagt. Das Vorhaben, zwei 17-jährige Männer aus Tschetschenien und Afghanistan im eigenen Betrieb an die Hand zu nehmen, war nicht von Erfolg gekrönt. Das eine Beschäftigungsverhältnis endete nach genau vier Stunden; das andere dauerte immerhin vier Tage. "Nicht jeder ist offenbar auf den deutschen Arbeitsalltag vorbereitet", sagt Graßmann.

Ein Praxisschock wie dieser ist freilich kein Regelfall. Es gibt auch gute Erfahrungen: Zum Beispiel Andreas Neundorfer. Der Koordinator für Flüchtlingsbeschulung an der Bamberger Berufsschule beschreibt die Motivation vieler Jugendlicher, die sich für eine Berufsausbildung in Deutschland interessieren, als hoch. "Die Jugendlichen wollen sich engagieren."

Das ist auch die Einschätzung der Handwerkskammer für Oberfranken (HWK), die seit einem dreiviertel Jahr ein so genanntes Berufsintegrationsjahr an der Bamberger Berufsschule unterstützt. 14 Jugendliche aus Ländern wie Afghanistan, Somalia oder Mazedonien werden dabei in hauseigenen Werkstätten auf den Mittelschulabschluss und eine Ausbildung vorbereitet. Ziel ist es, dass sie im Anschluss den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt schaffen.

Das Projekt macht den ersten Erfahrungen zufolge Hoffnung, ist aber nur ein kleiner Baustein für die Mammutaufgabe der Integration so vieler Menschen. Diese Meinung vertreten viele Institutionen, von der Arbeitsagentur bis zum Landratsamt, die dieser Tage an einem Gespräch im HWK-Berufsbildungszentrum teilnahmen. Dabei wurde auch Folgendes klar: Die vorhandene personelle und finanzielle Infrastruktur ist für die Herausforderungen der aktuellen Flüchtlingsströme nicht ausreichend dimensioniert.

Das beginnt bei den Sprachkenntnissen der Schüler, die nur zögerlich wachsen, weil die Finanzierung von Deutschkursen ebenso wenig gesichert ist wie eine professionelle sozialpädagogische Betreuung. Und auch die Rechtslage scheint einer schnellen Integration in den Arbeitsmarkt wenig förderlich zu sein. Es gibt Wartezeiten, Residenzpflichten, und über allem schwebt das Damoklesschwert der Abschiebung - Gift für Handwerksbetriebe, die Planungssicherheit brauchen.


Zimmer fordert "3 plus x"

Für Thomas Zimmer, Präsident der HWK, ist die Ankunft so vieler junger Menschen mehr eine Chance als eine Herausforderung. Vor allem für die Handwerksbetriebe, die in Oberfranken vor einem wachsenden Fachkräftemangel stehen. Zimmer spricht von einer "Willkommenskultur in unserem Land" und begrüßt die jüngst vom Bund beschlossenen Verbesserungen zur Rechtsstellung von Asyl suchenden und geduldeten Ausländern. Doch der Präsident ist längst nicht zufrieden mit den "ersten Weichenstellungen".

Die Politik müsse verhindern, dass es nach Aufnahme einer Schul- und Berufsausbildung zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern komme. Konkret fordert er eine "3-plus-x-Regelung". Nur so könne sicher gestellt werden, dass minderjährige Asylbewerber eine in Deutschland begonnene Ausbildung auch abschließen und anschließend von dem Betrieb zumindest befristet beschäftigt werden können.

In dieser Forderung befindet sich die Handwerkskammer im Schulterschluss mit vielen Institutionen. Auch die Bamberger Hilfsorganisation "Freund statt Fremd" bemängelt, dass die derzeit vorhandenen Hilfen in vielen Fällen nicht ausreichen. Es müsse eine Verbindung hergestellt werden zwischen dem "was gesucht und was angeboten wird", sagt Christiane Laaser.


DGB: Kein neuer Billiglohnsektor

Kein Widerstand von Gewserkschaftsseite: Auch der DGB betrachtet die Integration der Flüchtlinge über den Arbeitsmarkt als zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Dabei sei darauf zu achten, dass kein neuer Billiglohnsektor entsteht. "Voraussetzung ist gute Arbeit und gute Bezahlung", sagt Marietta Eder.

Was denken die Bamberger Abgeordneten in Berlin über die Forderungen aus ihrer Heimat? MdB Andreas Schwarz (SPD) sieht sich in einer Linie mit der Kammer. Die SPD sehe die Flüchtlinge als Chance in Zeiten de Fachkräftemangels. Sie setze sich für hauptamtliche Betreuer eben so wie für ein uneingeschränktes Bleiberecht aller ein, die eine Ausbildung begonnen haben. Doch wie denkt die Union darüber?


CSU: Schwache nicht vergessen

CSU-Abgeordneter Thomas Silberhorn (CSU) räumt Verbesserungsbedarf für die "Schnittstelle Asylverfahren und reguläre Zuwanderung" ein. Doch er plädiert auch dafür, die bestehenden Zuwanderungsregelungen noch besser auszuschöpfen statt gesetzliche Neuregelungen in Angriff zu nehmen.

Den Ruf der Wirtschaft nach den Flüchtlingen bezeichnet Silberhorn als "ambivalent". Man dürfe über diese Interessen nicht die weniger qualifizierten Einheimischen vergessen. Auch die deutschen Langzeitarbeitslosen hätten einen Anspruch von den Unternehmen in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.

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