Der ungleiche Streit Stadtlauringen gegen Bamberg
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Mittwoch, 19. Juli 2017
Was passiert in Stadtlauringen, wenn in Bamberg ein Wald gerodet wird?
Selten war ein Industriegebiet so umstritten wie jenes, das auf der ehemaligen Munitionshauptanstalt Muna entstehen soll. Es geht um eine der letzten großen Freiflächen in Bamberg und um viel Geld, das hier einmal verdient werden soll.
Doch diesmal sind es nicht Naturschützer, die gegen die geplante Rodung einer 60 Hektar großen Fläche auf die Straße gehen. Der jüngste Protest richtet sich gegen zu viel Wald und kommt aus einer Gemeinde, die die meisten Bamberger wohl nur dem Namen nach kennen - Stadtlauringen im Landkreis Schweinfurt in Unterfranken.
Wenn Medienvertreter sich am Donnerstag auf den Weg zu einer Pressekonferenz in den kleinen Ort nördlich des Ellertshäuser Sees machen, dürften sie auf Bauern stoßen, die mit Traktoren und Schleppern dagegen anlärmen, die Lasten für die zukunftsträchtige Entwicklung der Stadt Bamberg zu tragen. So wenigstens sieht es der Bürgermeister des 4000-Einwohner-Orts, Friedel Heckenlauer.
Er und sein Geschäftsleiter Michael Kastl machen auf eine bisher nicht gekannte Folge des bayerischen Waldgesetzes aufmerksam - die Fernaufforstung strukturschwacher Regionen. "Wenn dieses Modell Schule macht, stehen wir vor einem Ausverkauf des ländlichen Raums", sagt Michael Kastl mit Blick auf Großprojekte wie etwa die dritte Startbahn in München. Das extreme Preisgefälle zwischen Boomregionen und dem flachen Land werde unweigerlich dazu führen, dass teuere stadtnahe Lagen in Bau- oder Gewerbegebiete umgewandelt würden, während der ländliche Raum den Ausgleich stelle.
Kleinteilige Ackerlandschaft
Genau das droht Stadtlauringen auch durch die Rodung von 60 Hektar Wald auf der Muna. Würde umgesetzt, was Bundesforstverwaltung, Stadt Bamberg und die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bamberg und Schweinfurt derzeit prüfen, wird die kleinteilige Ackerlandschaft nördlich von Stadtlauringen eine Aufforstung in einer Dimension erfahren, die nicht nur im Landkreis Schweinfurt ohne Beispiel ist. 40 Hektar derzeit als Acker genutzte Fläche sollen Ausgleichswald werden. Das entspricht rund 70 Fußballplätzen. Neuer Wald in einem ohnedies waldreichen Gebiet? Dieses Szenario stößt nicht nur bei Bauern auf Ablehnung, die für ihre Getreideproduktion wertvolle Flächen beim Bundesforst gepachtet haben. Es durchkreuzt auch die Pläne der Gemeinderäte in Stadtlauringen, die sich eigene Ausgleichsflächen vorhalten wollen und die die landschaftliche Schönheit des Landstrichs am Flüsschen Lauer rühmen: "Auf dem schönen Plateau verläuft einer unserer wichtigsten Wanderwege. Man hat einen wunderbaren Blick auf Rhön und Haßberge. Hier wollen wir keinen Wald."
Freilich: Die Pläne für den Ausgleich über eine Distanz von 50 Kilometern Luftlinie und Bezirksgrenzen hinweg wachsen nicht auf dem Mist der Stadt Bamberg. Es ist das Bayerische Waldgesetz, das Ersatzwald eins zu eins vorschreibt, weil so verhindert werden soll, dass das grüne Drittel im Freistaat zubetoniert wird. Auch der derzeitige Eigentümer der Muna, der Bundesforst, würde Kompensation lieber in der Nähe Bambergs anbieten - doch in einer aus allen Nähten platzenden Region fehlen dazu die Alternativen. "Die Fläche in Stadtlauringen ist die nächste, die wir für die Aufforstung in unserem Eigentum anbieten können", sagt Christian Stoewer vom Bundesforst.
Ein Fall mit Präzedenzwirkung
Der Bamberger Konversionsreferent Christian Hinterstein weiß nur zu gut um das Dilemma, in dem Bamberg steckt. Der Druck, neue Unternehmen und Gewerbesteuerzahler innerhalb der Stadtgrenzen anzusiedeln, ist riesig. Demgegenüber steht die gesetzliche Vorgabe, neuen Wald zu begründen, wenn man bestehenden vernichtet. Einen konkreten Plan B hat die Stadt Bamberg aber nicht. Hinterstein hofft, bei der Vorsondierung doch noch konfliktfreie Flächen ausfindig zu machen. Werden die abgelegenen Regionen zuwachsen, während die Städte in Beton ersticken? In den Landwirtschaftsämtern hält man sich auffällig zurück, wenn es darum geht, in einer Frage zu schlichten, die das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Stadt und Land weiter strapaziert. Klar ist, dass der Boom in den Zentren das Waldgesetz heute wichtiger denn je erscheinen lässt. Andererseits wird das Landwirtschaftsministerium Hilferufe wie aus Stadtlauringen kaum ignorieren können. So oder so: Der Streit Stadtlauringen gegen Bamberg hat Präzedenzwirkung.