Hoffnung in Versen
Nachdem Neubauer seine Krisensituation schilderte, blickt er gedankenverloren vorbeiziehenden Spaziergängern, Joggern und Fahrradfahrern nach, hebt dann das Kinn und sagt: "Ich will hoffnungsvoll bleiben. Wenn ich Panik bekomme, helfen mir Gedichte. Besonders Frühlingsgedichte. Und Musik." Wie bestellt kommt der Bamberger Symphoniker Heiko Triebener dazu, der Neubauer mit Klängen aus seiner Bass-Tuba bei dem Projekt unterstützen will. Triebener fachsimpelt: "Das Schubert-Stück klingt im Original so depressiv auf der Tuba. Aber wenn ich es einen Halbton höher spiele, wird es richtig festlich. Faszinierend." Eine Passantin fragt, wann sie das Video vom Spaziergang sehen kann. Die Stimmung steigt um mindestens einen Halbton.
Dann geht es auch schon los: An zwölf Stationen rezitiert Neubauer Geschichten und Gedichte, die sich vor allem um Frühling, Neuanfang und Hoffnung drehen. Mit dabei sind etwa Karl Valentin, Theodor Storm, Rainer Maria Rilke oder Max Dauhendey. Letzterer hat es Neubauer in der derzeitigen Situation besonders angetan, und mit kräftiger Stimme ruft er zwischen Blühten am Regnitzufer dazu auf: Eilt Euch, eil Dich, die Bäume blühen!/ ... Sollst Dich ins Licht zu ihnen stellen,/ Lächeln wird spielend sich zu Dir gesellen.
Nicht ohne Hoffmann
Immer wieder halten Spaziergänger in gebührendem Abstand an und genießen die Szenen, einige kennen Neubauer. Ein eben noch lebhaft herumspringender Junge steht plötzlich fasziniert still und lauscht einem Ausschnitt aus Mozarts "Alla turca" auf Triebeners Tuba. "Natürlich darf bei einem Hainspaziergang auch E.T.A. Hoffmann nicht fehlen", sagt Neubauer an entsprechender Gedenktafel. Er erläutert: "Den meisten Spaß hat man, wenn man nicht versucht, es zu verstehen" und erzählt den kurzen Schwank "Die Folgen eines Sauschwanzes" aus Hoffmanns Bamberger Zeit, der in einer Buger Kneipe spielt.
Wer schon immer wissen wollte, was alteingesessene Bamberger mit "Naus die Affen" meinen, wird an der zehnten Station aufgeklärt. In der Nähe eines kleinen Pavillons gab es in der Nachkriegszeit Tierkäfige. Hauptattraktion waren die Affen. Was sich dort für Kuriositäten abspielten, schildert Neubauer mit lila Hut auf dem Kopf als "Augenzeugin" verkleidet. Immer wieder überrascht er mit kleinen Requisiten, die er aus einem Picknick-Korb zaubert.
Als Triebener im Anschluss den Marsch bläst, genauer den "Einzug der Gladiatoren", passt ein Paar den Jogg-Schritt dem Takt an und versucht sich dann eng umschlungen an einem Walzer. Mit knallbunten Sportklamotten drehen sie sich im Kreis.
Zum Abschluss trägt Neubauer das Gedicht "Frühlingsglaube" von Ludwig Uhland vor: [...]Nun, armes Herze, sei nicht bang!/ Nun muß sich alles, alles wenden.// Die Welt wird schöner mit jedem Tag,/ Man weiß nicht, was noch werden mag,/ Das Blühen will nicht enden./ Es blüht das fernste, tiefste Tal:/ Nun, armes Herz, vergiß der Qual!/ Nun muß sich alles, alles wenden. Dazu spielt Triebener Schubert - einen Halbton höher.
So funktioniert die Corona-Bühne
Was ist die Corona-Bühne? Der FT stellt mit seiner Facebook-Seite und der Homepage inFranken.de den Künstlern eine Möglichkeit zur Verfügung, virtuell aufzutreten. Videobeiträge, Fotoserien, Audio-Aufnahmen, Texte und andere Ideen sind willkommen. Die Zuschauer können direkt an den Künstler spenden. Gema-pflichtige Musik ist nicht möglich. Die Beiträge werden von uns geprüft. Wer kann mitmachen? Das Angebot richtet sich an freischaffende Künstler aus Bamberg und dem Landkreis. Und wie? Die Künstler schicken ihre Beiträge, eine kurze Erklärung zu ihrer Situation und Kontodaten für Spenden per Email an redaktion.bamberg@infranken.de (Stichwort: Corona-Bühne). Wann geht's los? Bisher sind schon eine Hörspiel-Szene aus dem Buch "Der kleine Kobold Levi" von Marilena Lippmann und der literarische Frühlingsspaziergang von Martin Neubauer auf unserer Corona-Bühne zu finden. Einige weitere Beiträge sind bereits in Arbeit und erscheinen im Laufe der Woche.