Chefarzt-Verteidiger: Glaubwürdigkeit der Zeugen prüfen

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Foto: Nicolas Armer/dpa
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Direkt zu Beginn des heutigen Verhandlungstages forderten die Anwälte des Angeklagten Heinz W.: Ein Sachverständiger soll feststellen, ob die Aussagen der mutmaßlichen Missbrauchsopfer glaubwürdig sind.

Am 24. Verhandlungstag im Chefarzt-Prozess wollten die Verteidiger von Heinz W. die Glaubwürdigkeit der Zeugen prüfen lassen. Dazu sollte ein Sachverständiger hinzugezogen werden.

Sollte ein solcher Gutachter nicht hinzugezogen werden, widerspreche die Verteidigung der Vernehmung der Zeugen, die an diesem 24. Verhandlungstag geladen sind. Das sind neben einer jungen Frau, die Opfer von Heinz W. geworden sein soll, deren Lebensgefährte sowie ihre Mutter. Auch die "Zeugeneinvernahme der weiteren Nebenklägerinnen" möchte die Verteidigung nicht hinnehmen, wie Rechtsanwalt Dieter Widmann weiter ausführte.

Widmann kritisierte zudem: Die veröffentlichte Mitteilung der Staatsanwaltschaft, dass der ehemalige Chefarzt der Bamberger Gefäßchirurgie eine Millionen Fotos angefertigt hätte, die seinen Missbrauch an Patientinnen zeigen würden, sei völlig haltlos. Tatsächlich handle es sich um etwa 100 Fotos, "die aus medizinischen Gründen gefertigt wurden", wie es in dem Antrag heißt.

Die Anzahl der Fotos war bereits an einem früheren Verfahrenstag thematisiert worden. Bardo Backert, der zu Beginn der Ermittlungen gegen Heinz W. die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft verantwortet hatte, hatte vergangene Woche als Zeuge ausgesagt. Er hatte festgestellt: "Viele Bilder wurden vielfach kopiert. Doch das sind Fotos, die das Tatverhalten des Angeklagten festhalten. In diesem Ermittlungsstadium des Verfahrens handelte es sich um eine verdachtsbegründete Dokumentation von Fotografien aus dem Unterleibsbereich von möglichen Opfern. Es waren ja keine harmlosen Urlaubsfotos." Zudem hatte der damals Leitende Oberstaatsanwalt festgestellt, dass er manch Informationen nicht an die Presse weitergegeben habe.


Verteidigung sieht Angeklagten als "Projektionsfläche"

Am heutigen Verhandlungstermin machten Heinz W. Anwälte jedenfalls ihren Standpunkt klar: Der Angeklagte sei zur Projektionsfläche für jedermann - und somit auch der Nebenklägerinnen - geworden, die sich selbst an die tatsächlichen Ereignisse nicht erinnern können.

Zudem bemängeln die Verteidiger von Heinz W, dass die Nebenklägerinnen per E-Mail kommunizierten, auch telefonierten oder sich trafen. Und: Dass die Sozialstiftung eine Entschädigung von 15.000 Euro an die Nebenklägerinnen gezahlt habe, habe ebenfalls zu deren Überzeugung beigetragen, Opfer einer Sexualstraftat geworden zu sein.

Nach Ansicht der Verteidigung bedürfe es "der Hinzuziehung eines Glaubwürdigkeitsgutachters", der prüfe, ob die Nebenklägerinnen beeinflusst sind. Diese könnten laut des Antrags Gefahr laufen, Sachverhalte, vermeintlich aus ihrer Erinnerung zu schildern, die jedoch aus Presseberichten und persönlichen Kontakten herrühren würden.

Staatsanwalt Förster merkte zu dem Antrag an: Es sei zwar zu überprüfen, inwieweit eine Fremdsuggestion durch Medien stattgefunden hätte. Aber: Dies könne das Gericht direkt selbst übernehmen.

Doch Klaus Bernsmann, ebenfalls Anwalt des Angeklagten, widersprach sogleich, dass man es hier mit einer "pressemäßigen Kampagne, Absprache der Zeuginnen untereinander und deren fehlender Erinnerung" zu tun habe.

Rechtsanwalt Jürgen Scholl, der die Hauptzeugin in dem Verfahren vertritt, gab an: Gegen die Hinzuziehung eines Aussagepsychologen habe er keine Einwände. Scholl hält die E-Mail-Weitergabe nicht für grenzwertig, denn der Austausch der Zeuginnen könne auch zur Bewältigung des Erlebten dienen.


Gericht beschließt: Kein Gutachter

Das Landgericht Bamberg jedoch widerspricht mit einem Beschluss. Es bleibe dabei, dass die Zeugen für heute geladen werden sowie die weiteren Nebenklägerinnen als Zeugen vernommen werden. "Ein Aussagepsychologe wird nicht hinzugezogen", sagte Vorsitzender Richter Manfred Schmidt.

Selbst, wenn die Nebenklägerinnen Kenntnis der Presseberichte hätten und es zur Kontaktaufnahme untereinander gekommen sei, "erfordert das allenfalls eine sehr sorgfältige Prüfung durch das Gericht".

Im Anschluss wurde erneut - wie in der gestrigen Sitzung - die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Grund: Eine 18-Jährige wurde vernommen, die laut Anklageschrift von Heinz W. vergewaltigt worden sei soll. Richter Schmidt begründete den Ausschluss der Öffentlichkeit damit, dass "schutzwürdige Interessen" wie die Krankheitsgeschichte und Sexualsphäre der jungen Frau, zur Sprache kämen.