Bereitschaftsdienst in Bamberg: Auch Fachärzte müssen ran

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Ein Bamberger Chirurg schlägt Arzneimittel nach. Das gestellte Foto könnte für ihn Wirklichkeit werden, befürchtet er. Er fühlt sich als Facharzt nicht sicher mit der Tatsache, dass er im allgemeinen Bereitschaftsdienst mitarbeiten soll. Foto: Ronald Rinklef
Ein Bamberger Chirurg schlägt Arzneimittel nach. Das gestellte Foto könnte für ihn Wirklichkeit werden, befürchtet er. Er fühlt sich als Facharzt nicht sicher mit der Tatsache, dass er im allgemeinen Bereitschaftsdienst mitarbeiten soll. Foto: Ronald Rinklef

Seit kurzem müssen sich Kassenärzte aller Fachgruppen am Bereitschaftsdienst beteiligen. Ein Chirurg ist unsicher, weil er nach 30 Jahren plötzlich wieder als Allgemeinarzt behandeln soll. Andere sagen: Alles halb so wild.

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Er möchte sicher sein, mit dem, was er tut. Seit über 30 Jahren ist der Mann Chirurg in Bamberg, ein Facharzt. Doch Ende August ist sein Name das erste Mal im Dienstplan für den allgemeinen Bereitschaftsdienst am Bamberger Klinikum aufgetaucht. Und damit ist er sich überhaupt nicht sicher.

Genauer gesagt: Mit der Tatsache, dass er, wie ein Allgemeinarzt, Patienten behandeln soll. Wenn ihn etwa ein Zucker-Patient aufsucht oder jemand mit Herzproblemen. "Da werden völlig fachfremde Mediziner zum Dienst gezwungen. Das ist, wie wenn Sie zwangsläufig plötzlich mit dem Reisebus nach Antalya fahren müssen", sagt Doktor X - der Chirurg, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Worauf er sich mit seiner Aussage bezieht: Seit April ist die sogenannte neue Bereitschaftsdienstordnung für alle Kassenärzte verpflichtend. "In der Vergangenheit gab es zeitweise ausreichend Ärzte, so dass man bestimmte Fachgruppen von der Dienstpflicht entbinden konnte", erklärt Birgit Grain, Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB).

Nun sei nach einer Übergangszeit von zwei Jahren aber eine Neuregelung notwendig geworden. Einerseits durch den Ärztemangel - vor allem auf dem Land -, andererseits durch das hohe Durchschnittsalter vieler niedergelassener Ärzte.

Auch in der Bamberger Bereitschaftspraxis kann es also passieren, dass ein Psychiater einem Patienten im Bereitschaftsdienst Medikamente gegen eine Erkältung verschreibt.


Unabhängig vom Klinikum

Die Praxis in Bamberg wurde 2003 gegründet und zog 2005 ans Klinikum am Bruderwald um. Sie wird dort, unabhängig vom Krankenhaus, als selbstständige Einheit betrieben und ist Mieter bei der Sozialstiftung. Die Idee dahinter: eine zentrale Anlaufstelle für Patienten, wenn die Hausarzt-Praxis schon zu hat. Das erklärt Walter Hurler, Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Nofab. Die Bereitschaftspraxis wird von niedergelassenen Ärzten betrieben, die alle zum Bereitschaftsdienst verpflichtet sind. Die Bamberger Besonderheit: "Wir Hausärzte und hausärztliche Internisten haben die Bereitschaft bisher unter uns aufgeteilt und Facharzt-Kollegen intern freigestellt." Das erklärt Hubert Metzner, der Allgemeinmediziner in Bamberg ist und 13 Jahre lang Obmann für den Bereitschaftsdienst war. Der aktuelle Obmann war nicht zu einer Presseauskunft bereit.

Dessen Vorgänger Metzner erklärt: Man habe viele Jahre "das Unangenehme" für die Kollegen übernommen und sich damit gleichzeitig das "Herumtauschen" gespart. Nach der Neuorganisation des Bereitschaftsdienstes durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) müssten nun eben alle Kassen-Fachärzte, die nicht selbst organisiert sind, ihren Dienst antreten.

Neben einem "Sitzdienst" vor Ort in der Praxis gibt es auch einen Fahrdienst für Hausbesuche. Erweitert werden soll das Ganze in Zukunft durch ein sogenanntes "Poolärzte-Modell". In dieses will die KV Nicht-Vertragsärzte einbinden, sprich Krankenhaus-Ärzte oder solche, die nicht niedergelassen sind.

Sehr wohl niedergelassen ist Doktor X, der Chirurg aus Bamberg. Ihm gehe es nicht etwa um die eigene Bequemlichkeit, sondern die Versorgung der Patienten. Seminare und Weiterbildungsangebote der KV könnten nicht die tägliche Praxis als Hausarzt auffrischen - die ihm als Fachfremdem fehlen würden. "Sie verlangen ja auch nicht von einem Allgemeinarzt, dass er sich in vier Wochenend-Seminaren auf eine Blinddarm-OP vorbereitet", sagt der Chirurg. Anders bewertet die Kassenärztliche Vereinigung die Situation. Erstens gelte das Gebot der Gleichbehandlung - jeder niedergelassene Kassenarzt habe eine Dienstpflicht. Zweitens: "Wir trauen das den vollständig ausgebildeten Ärzten auf jeden Fall zu", sagt Sprecherin Grain.


Notdienst kann gerufen werden

Grain merkt außerdem an: "Auch einem Hausarzt kann es passieren, dass er den Notdienst ruft." Die klassischen Fälle in der Bereitschaftspraxis seien gar nicht die lebensbedrohlichen, sondern zum Beispiel Erkrankungen der oberen Atemwege.

Allgemeinmediziner Metzner versteht zwar die Unsicherheit manches Kollegen, wie etwa die des Chirurgen. Aber: "Als Kassenarzt hat man auch eine gewisse Verpflichtung. Und Fortbildungen werden halt erwartet."
Was auch erwartet wird: Dass die Ärzte sich um eine Vertretung kümmern, sollten sie ihren Dienst nicht antreten können. Doktor X moniert, dass er einfach in den Dienstplan eingeteilt worden sei und seinen bereits gebuchten Urlaub habe früher beenden müssen. Auch sei eine Operation am Montag natürlich nicht machbar, wenn er Sonntag Nachtdienst habe. Zudem sei die Vertreter-Suche sehr aufwendig und koste ihn zwischen 200 und 400 Euro pro Dienst, manche Agentur nehme sogar bis zu 800 Euro.

"Natürlich kostet eine Vertretung Geld!", stellt Allgemeinmediziner Hubert Metzner klar. Er merkt außerdem an: "Die Erstellung eines Dienstplanes ist sehr komplex, da kann man nicht alle einzeln abklappern." Es gebe beispielsweise Fachärzte, die nur einen halben oder ein Drittel Kassensitz hätten.
Welchen Arzt die Patienten im Bereitschaftsdienst auch vor sich haben: Wenn es brenzlig wird, kann der Notarzt gerufen werden - oder es wird direkt in die Notaufnahme gewechselt. Die ist im Klinikum gleich nebenan.