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Bauernprotest: Grüne in Hirschaid "unter Polizeischutz" - Offener Brief direkt an Söder


Autor: Isabel Schaffner

Hirschaid, Montag, 04. März 2024

Wegen eines unangemeldeten Bauern-Protests musste der Grünen-Kreisverband Bamberg-Land seine Jahreshauptversammlung in Hirschaid unter Polizeischutz abbrechen. In einem offenen Brief kritisieren die Ehrenamtlichen "Spott und Hohn" vonseiten Markus Söders (CSU) im Zusammenhang mit derartigen Ausschreitungen.


Die Jahreshauptversammlung des Grünen-Kreisverbands Bamberg-Land in Hirschaid am 21. Februar 2024 nahmen rund 300 Menschen samt mehr als 60 Traktoren und Autos zum Anlass für eine unangemeldete Protestaktion. "Immer wieder wurde aggressiv gegen die Scheiben gehauen, mit Strahllichtern reingeleuchtet und reingefilmt. Den größten Schock gab es, als es einen lauten Explosionsknall gab", schrieb der Kreisverband zwei Tage später in einem öffentlichen Statement auf seiner Webseite. "Unter Polizeischutz" mussten die Grünen ihre Veranstaltung schließlich abbrechen, wie die Vorstandssprecherin Sarah Eisenberger auf Facebook erklärte.

Sie sah in der Störaktion unter anderem einen "Versuch der Einschüchterung" und einen "Angriff auf unsere demokratischen Grundpfeiler". Die Bamberger Grünen-Politikerin Lisa Badum hatte im Gespräch mit inFranken.de ebenfalls von bedrohlichen Szenen bei einem Bauernprotest in Helmbrechts Anfang Februar berichtet und gefragt: "Wo stehen Bauernverband und CSU, die diesen Protest immer wieder anheizen?". Nach dem Vorfall in Hirschaid richtete der Grünen-Kreisverband Bamberg-Land am Donnerstag (29. Februar 2024) einen offenen Brief unter anderem an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und warf ihm nicht nur mangelnde Solidarität vor. 

"Können wir so nicht stehen lassen!" - Grüne richten sich nach eskaliertem Bauernprotest gegen Söder-Vorwürfe 

"Ein überregional mobilisierter, wütender Mob blockiert mit Autos und Traktoren über Stunden ohne Rettungsgasse die Hauptdurchgangsstraße von Hirschaid", heißt es unter anderem über die Störungen. Die Demonstranten hätten mehrmals versucht, in die Alte Schule zu gelangen und beide Ausgänge belagert. "Dem ausgesetzt sind 30 Mitglieder eines Kreisverbands, die sich an der Basis ehrenamtlich politisch engagieren", führen die Verfasser fort. "Dieses Vorkommnis reiht sich in zunehmende Übergriffe auf politisch engagierte Bürger:innen und zeigt, wie sich die Lage zuspitzt." Der Generalsekretär des bayerischen Bauernverbandes, Carl von Butler, hatte sich laut der Deutschen Presseagentur von den Störern distanziert. "Wir sind hart in der Sache, klar für uns ist aber auch: Die Veranstaltungen müssen angemeldet und mit den Behörden und der Polizei vor Ort abgestimmt sein."

In den Worten der Grünen dürfe das aber "nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Organisationen - genauso wie alle politischen Protagonisten, die die Spaltung der Gesellschaft befeuern (Stichwort 'Grünenbashing', et cetera) mitverantwortlich sind, wenn die sogenannten 'Bauernproteste' zunehmend eskalieren". Die Verfasser vermissten Solidaritätsbekundungen seitens des Bauernverbandes und des LSV - und auch von Markus Söder. "Von Ihnen, Herr Ministerpräsident, wird uns 'Mimosenhaftigkeit' und eine abstrakte Mitschuld an diesen, sich häufenden Vorfällen unterstellt. Das können wir so nicht stehen lassen! Sie nehmen mit einer solchen Aussage indirekt die Täter in Schutz und geben den Grünen die Schuld an den Ausschreitungen des 'Mobs'", lautet der Vorwurf.

Laut Medienberichten sprach Söder nach einer Vorstandssitzung in München am 26. Februar 2024 von "Mimosenhaftigkeit" bei den Grünen. Er beleidige mit seiner Aussage die ehrenamtlichen Grünen, die standhaft ein "Gesicht für die Demokratie" gezeigt hätten. "Gerade Ihnen als 'Landesvater' sollte bewusst sein, welchen Bärendienst Sie dem Ehrenamt erweisen, wenn Sie Spott und Hohn über die betroffenen Ehrenamtlichen ausgießen. Es liegt in Ihrer Verantwortung als Ministerpräsident, sich uneingeschränkt vor diese zu stellen." Auch von Stellvertreter Hubert Aiwanger und dem CSU-Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag Klaus Holetschek erwarteten die Verfasser "uneingeschränkte Solidarität".

"An die Kirchenmauer gepinkelt": Anwohner äußern Wut über Hirschaider Aktion

Breite Unterstützung habe es derweil von "vielen demokratischen und zivilgesellschaftlichen Protagonisten" gegeben. Darunter die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und der Hirschaider Bürgermeister Klaus Homann (CSU). Auch Anwohner aus Hirschaid äußern ihre Wut über den Protest im Netz. "Was Hirschaid nicht braucht, sind Proteste um halb zehn Uhr nachts! Wollen die Bauern jetzt das Volk gegen sich aufbringen? Absolut kein Verständnis für diese Art der Demonstration", erläutert ein Mann. Laut Aussagen seiner Tochter habe ihr Sohn nicht einschlafen können, "weil ständig die Fahrzeuge mit Krach bei ihr vorbei sind", führt er gegenüber inFranken.de aus. Ständig sei zudem die Polizei mit Sirene unterwegs gewesen. "Ich habe nichts dagegen, wenn sie das bis Mitternacht in einer vernünftigen Lautstärke machen, aber so war es nicht in Ordnung."

Ein weiterer Mann schildert ebenfalls unangenehme Beobachtungen: "Man hat auch schön an die Kirchenmauer gepinkelt, oder an die Bulldogs und in fremde Grundstücke. Toiletten sind im Rathaus und hinter dem Rathaus vorhanden. Leere Bierflaschen liegen gelassen, Kanonenschläge an der Kirche gezündet. Die Bulldogs sind teilweise die ganze Zeit gelaufen, da kann der Diesel noch nicht teuer genug sein. Rettungsgasse Fehlanzeige! Für mich nicht mehr nachvollziehbar!"

Inzwischen ermittelt die Polizei wegen Verstößen gegen das Versammlungsrecht und Nötigung, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken der Redaktion erklärt. Weitere Nachrichten aus Bamberg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.