Bau-Misere auf der Erba-Insel
Autor: Sebastian Schanz
Bamberg, Freitag, 06. November 2020
Käufer der 85 Wohnungen in der Krackhardtstraße warten seit vielen Monaten auf die Fertigstellung, die sich immer weiter nach hinten verschiebt. Erwerber, Handwerker und Bauherren streiten sich um Entschädigungen.
Es ist der Albtraum eines jeden Immobilienkäufers: Die eigenen vier Wände werden einfach nicht fertig. "Es ist jetzt vier Jahre her, dass wir gekauft haben. Im Kaufvertrag zugesagter spätester Einzugstermin war der 31. Dezember 2018", berichtet ein 48-jähriger Bamberger. Heute, zwei ganze Jahre später, hat er seine vierköpfige Familie noch immer in einer Mietwohnung "zwischengeparkt" und sagt: "Die kuriose Situation ist: Seit über zwei Jahren ist unsere neue Küche beim Küchenbauer eingelagert."
Eine weitere Leidensgenossin ist mit ihren beiden großen Hunden Alinos und Milan in eine 45-Quadratmeter-Bude gezogen. "Ich fühle mich wie in Studentenzeiten", sagt die 46-jährige Bambergerin. Und dabei ist sie ihrem Vermieter dankbar, dass er sie weiter dort wohnen lässt, wo sie doch eigentlich seit zwei Jahren umziehen will.
Eigentlich. Denn der Bau der vier schmucken Wohnblocks Krackhardtstraße 6, 6a, 6b und 6c mit insgesamt 85 Wohnungen ist heftig ins Stocken geraten. Zentrale Organe der Baustelle, darunter mehrere Bauleiter und das Rohbauunternehmen, hat die Bauherrin, die Alte Spinnerei GmbH, eine Tochter der Bayerischen Landessiedlung, während der Arbeiten ausgetauscht. Anwälte geben sich die Klinken in die Hand. Käufer, Handwerker und Bauherren streiten vor Gericht - weshalb kaum ein Betroffener seinen Namen in der Zeitung lesen will.
"Ich mach' den Job schon 40 Jahre lang, aber so eine Baustelle hab' ich mein Leben lang noch nicht erlebt", berichtet ein Handwerker aus dem Raum Bamberg. Ständig gebe es neue Ansprechpartner, neue Probleme, neue Verzögerungen. Fertigstellungstermine schlitterten immer weiter in die Zukunft - und die Käufer immer weiter in die Unsicherheit. So hat die 46-jährige Hundeliebhaberin finanziell eine Mehrfachbelastung durch Miete und Kreditrückzahlungen, und ihr Küchenbauer und Möbelhaus verlangen Gebühren für die Einlagerung der bisher nicht ausgelieferten Waren. Sie will Schadensersatz.
Verhärtete Fronten
Das führt zu der kuriosen Situation, dass die Wohnung der 46-Jährigen nun zwar seit einigen Wochen endlich fertig ist, doch sie will nicht einziehen - oder kann nicht. Nur wenn sie den vollen Kaufpreis zahle, bekomme sie die Schlüssel von der Bayerischen Landessiedlung, sagt sie, doch die Bambergerin will den entstandenen Schaden zurück. Beide Seiten haben Anwälte eingeschaltet. Stillstand.
Auch Gerhard Stapf und sein Bamberger Fenster- und Türen-Fachbetrieb streiten sich juristisch mit den Münchener Bauherren. "Ich bekomme von den Herren noch knapp 100 000 Euro", schimpft der Handwerker. Darunter auch Schadensersatz. Denn seine 18 Mitarbeiter starke Firma habe für den Großauftrag über 600 000 Euro 2018 Zeit freigeräumt. Doch dann konnte wegen der Verzögerungen nicht gearbeitet werden - der Umsatz 2018 sei dementsprechend schlecht gewesen. "Teilweise waren die anderen Gewerke nicht mehr bereit, dort weiter zu arbeiten, und haben die Arbeiten, ebenso wie die Rohbau-Firma, eingestellt."
Was also läuft schief auf der Erba? Andreas Bauch, Geschäftsführer der Bayerischen Landessiedlung, stellt sich der Kritik: "Die 43 Wohnungen des ersten Bauabschnitts sind bereits fertiggestellt und an die Käufer übergeben, mit einer durchweg positiven Resonanz der Erwerber", sagt er. "Ich verstehe den Ärger der Käufer. Ich verstehe nicht jede Konsequenz daraus, aber den Ärger schon."
Bauch nennt drei Gründe für die Verzögerungen: "Der erste und für uns wesentliche Grund ist die nicht adäquate Leistungsfähigkeit ortsansässiger Firmen. Teilweise mussten wir diese austauschen. Hier waren auch zentrale Gewerke darunter." Zweiter Grund seien die vielen Sonderwünsche der Käufer gewesen. Andere Fliesen aus Italien, Wandverschiebungen, Fassadenänderungen: "Wir haben beispielsweise zugelassen, dass Käufer Firmen selbst beauftragt haben", sagt Bauch und spricht von einer "Baustelle auf der Baustelle". Und auch Corona - Grund Nummer 3 - habe zu Verzögerungen geführt.
Rutscht die Alte Spinnerei GmbH als Bauherrin wegen der drohenden Schadensersatzforderungen in eine finanzielle Schieflage? "Nein, die Alte Spinnerei GmbH ist eine hundertprozentige Tochter der Bayerischen Landessiedlung GmbH", versichert Bauch. Alle Projekte seien "komplett durchfinanziert, durch Bankfinanzierung und Eigenmittel". Der Geschäftsführer rechnet trotz Verzögerungen und Entschädigungen am Ende sogar mit einem Plus: Die Immobilienpreise hätten so stark angezogen, dass man die letzten Wohnungen entsprechend teurer verkaufen konnte. "Dadurch konnten wir Baukostensteigerungen abfedern. Wir rechnen nach wie vor mit einem Projektüberschuss."
Bauch zeigt sich außerdem zuversichtlich, die Streitigkeiten außergerichtlich beizulegen. Die verbleibenden Wohnungen sollen bald fertig sein. "Es ist geplant, die 42 Wohnungen des zweiten Bauabschnitts noch in diesem Jahr an die Käufer zu übergeben." Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums, also beispielsweise des Treppenhauses oder der Außenanlagen, finde am 2. Dezember statt, um noch im Dezember die Übergabe an Käufer zu schaffen.
"Das wird nie was", winkt ein Handwerker ab. Dort seien noch nicht einmal die Fliesen verlegt. "Das wird mit Sicherheit Mai, Juni." Und auch die Käufer trauen dem Braten nicht, zu viel Vertrauen ging auf der Baustelle zu Bruch.
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