Barbara, die 24-Stunden-Frau: Wie eine Polin Opa vorm Heim bewahrt
Autor: Stephan Großmann
Rattelsdorf, Montag, 28. Oktober 2019
Ohne Barbara müsste der Rattelsdorfer Georg Schober wohl ins Heim. Die Polin kümmert sich Tag und Nacht um den Senior. Ihre eigene Familie sieht sie dafür kaum noch - doch eine Wahl bleibt ihr nicht. Ausländische Betreuungskräfte in der Pflege rufen auch Kritiker auf den Plan.
Heute gibt es Kartoffelsuppe. Georg Schober sitzt im Esszimmer, schaut mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster. Es ging ihm schon besser. Immerhin, der Appetit ist noch da. Trotz der Tabletten, trotz der Chemo. Seine Krebserkrankung macht dem 85-Jährigen zu schaffen. Alleine könnte der Rattelsdorfer (Landkreis Bamberg) zu Hause nicht mehr leben. "Barbara kümmert sich um alles", sagt er. Barbara, die Polin für Opa.
Rund um die Uhr versorgt die in Warschau geborene 63-Jährige den fränkischen Senior. Ihr Zimmer befindet sich gleich neben Schobers Schlafzimmer, beide Türen bleiben stets einen Spalt geöffnet. Falls etwas passiert. Sie kocht, sie putzt, sie hilft ihm beim Waschen, zieht ihn an, hievt ihn in den Rollstuhl und wieder heraus. Ein Heim kommt nicht in Frage, Georg Schober will auf jeden Fall daheim bleiben, in seinem Elternhaus.
Dort ist immer was los, zwei seiner acht Kinder wohnen mit im Haus, verteilt auf die oberen Etagen. Beide sind wie deren Partnerinnen berufstätig, ab und kommen einige der Enkel zum Damespielen ins Erdgeschoss. Aber niemand kann eine 24-stündige Pflegebetreuung für den angeschlagenen Senior gewährleisten. Dann kam Schwiegertochter Johanna Schober die Idee mit der ausländischen Betreuungskraft. Die gebürtige Polin machte selbst gute Erfahrungen, ihre eigenen Großeltern wurden lange von einer Osteuropäerin gepflegt.
Kurz darauf trat Barbara in das Leben der Schobers. Seit etwas mehr als drei Jahren ist sie nun schon in Franken. Erst pflegte sie im Wechsel mit anderen Polinnen Georg Schobers Ehefrau. Seit die im April verstarb, kümmern sich die Damen um den 85-jährigen Rattelsdorfer.
Den meisten Teil der Zeit übernimmt Barbara, sie gehört schon zur Familie. Die 63-Jährige sagt nicht viel, was daran liegen kann, dass sie kaum Deutsch spricht. Kein Problem, Schobers Schwiegertochter übersetzt ja. Und weil sie dem entgegen alles versteht, vor allem die Anweisungen und Wünsche des Gepflegten, gerät die Sprachbarriere in den Hintergrund.
Aktuell bleibt Barbara bis Mitte Januar 2020. Dann erst fährt sie wieder zu ihrer Familie nach Warschau. Ihre vier Kinder sind längst erwachsen, Enkel gibt es auch schon. Zweimal im Jahr nur kann sie ihre Geliebten in die Arme schließen, in der Restzeit müssen Telefon und Videochat ausreichen. Ihr Arbeitstag ist lang. Wenngleich sie nicht 24 Stunden lang durchschuftet, zehrt die ständige Rufbereitschaft an den Nerven. Das würde sie wohl nie zugeben. Doch ihre Augen verraten es.
Sie wirkt nett, anpackend und umsorgend. Aber warum sie sich das antue? "Pienia ? dze", sagt sie. "Geld." Die gelernte Altenpflegerin ist seit drei Jahren im Ruhestand. An Ausruhen ist aber nicht zu denken, die schmale polnische Rente (umgerechnet etwa 400 Euro) reicht geradeso fürs Nötigste. "Wer leben will, muss weitermachen", sagt sie.