Vier der letzten fünf Mieter werden bis Ende Juni ausziehen. Belastbare Informationen über die Pläne der neuen Eigentümer gibt es noch immer keine. Gerüchte, das Einkaufszentrum an der Bamberger Ludwigstraße gehöre jetzt einem russischen Investor, bestätigen sich nicht.
Mittwoch, kurz vor 10 Uhr im Atrium. Obwohl Ferien sind und es wie aus Eimern regnet, herrscht gähnende Leere. Rein theoretisch könnte man im Einkaufszentrum am Bahnhof trockenen Fußes shoppen gehen, rein praktisch ist es schwierig: Nur noch fünf Geschäfte sind da, von denen sich vier auf den baldigen Auszug vorbereiten. Entsprechend trist und menschenleer ist das Haus.
Wolfgang Hofmann platziert gerade einen Aufsteller vor seinem O2- Laden im ersten Stock; wer vorbei kommen würde, könnte lesen, dass er Ende Juni in die Luitpoldstraße zieht.
Weit und breit ist momentan keine potenzielle Kundschaft zu sehen. Am Nachmittag werde er mehr zu tun haben, glaubt der Kaufmann. Und versichert, dass das Geschäft so schlecht nicht gehe, weil ihm das Kino die junge Kundschaft bringt, von der ein Handy-Shop vor allem lebt. Hofmann wäre gern im Atrium geblieben, wenn ihm nicht gekündigt worden wäre.
Wie alle Mieter, vom "Cinestar"-Kino abgesehen, muss er ausziehen. Stichtag für die meisten ist der 30. Juni. Der benachbarte Friseursalon Esch verlässt das Atrium schon Ende Mai; Hinweise am Schaufenster machen auf den laufenden Räumungsverkauf aufmerksam.
Inhaber Michael Espach hätte nicht gedacht, "dass es so zu Ende geht". Er ist Mieter der ersten Stunde, seit der Eröffnung 1998, und hält als einer von wenigen fast bis zum Schluss aus.
Wie es jetzt mit der Handelsimmobilie weitergeht, die seit Jahren einen unübersehbaren Niedergang erlebt? Espach hat "absolut keine Ahnung".
Auch Hofmann weiß nichts Näheres. Wie er berichtet, sei es selbst dem Expansionsleiter des Mobilfunkanbieters nicht gelungen, in Kontakt mit den neuen Eigentümerin zu treten.
Das Atrium gehört seit 2012 der Promontoria, einer Tochtergesellschaft des Finanzinvestors Cerberus. Dass es jüngst an einen russischen Investor weiter verkauft worden sein soll, hört man als Gerücht, das jedoch von keiner Seite bestätigt wird.
Tina Hülle, die Leiterin der Wirtschaftsförderin in der Stadt, gibt nichts auf dieses Gerücht. Sie ist nach eigenen Angaben mit einer Projektgesellschaft in Verbindung, die für Cerberus ein Konzept zur Wiederbelebung des Einkaufszentrums entwickeln soll. Spruchreife Ideen gebe es noch nicht, man sei "noch ganz am Anfang".
Gegen einen schnellen Umbaubeginn in der sanierungsbedürftigen Immobilie sprechen noch andere Umstände. Da ist zum Einen das Modehaus Wöhrl, das als einziger gekündigter Mieter über den 30. Juni hinaus bleiben wird. Wie lange, ist offen.
"Es wird ein nahtloser Übergang angestrebt" teilte auf Anfrage eine Pressesprecherin von Wöhrl mit. Sie spielt damit auf den geplanten Umzug des Mode-Unternehmens ins frühere Honer-Haus am Maxplatz an. Das muss aber erst aufwändig umgebaut werden. Ursprünglich wollte Wöhrl schon an Ostern in der Fußgängerzone eröffnen.
Zum Anderen wurde dem Kino auf dem Atrium-Dach bis heute nicht gekündigt. Laut Cinestar-Leiter Stefan Lauterbach hat sein Mietvertrag noch neun Jahre Laufzeit. Wie sich die Besitzer die Revitalisierung des Hauses bei laufendem Kinobetrieb vorstellen, würde ihn sehr interessieren, er befindet sich jedoch in einem, wie er es ausdrückt, "informationslosen Raum".
Dabei wird der Kino-Leiter oft danach gefragt, wie es mit dem Atrium weiter geht. Derzeit kann er nur hoffen, "dass die Sanierung unter uns und neben uns passiert".
Aus kommunaler Sicht hat die Revitalisierung des Einkaufszentrums keine besondere Eile. Wichtiger als eine schnelle Sanierung findet die Frau von der Wirtschaftsförderung, dass die Vorstellungen des Investors mit dem gelten Baurecht einher gehen. Es regelt unter anderem die Sortimente, die vertreten sein dürfen, und die Zahl der Parkplätze.
Recherchen des Deutschen Auftragsdienstes (DTAD) zufolge, der nach eigenen Angaben Deutschlands führender Informationsdienst für öffentliche, gewerbliche und private Aufträge ist, beabsichtigt Promontoria rund 4 Millionen Euro in den Umbau des Bamberger Atriums zu investieren. Der Projektstand wird mit Vorplanung angegeben, ein Baubeginn noch nicht genannt.
Selbst die Interessengemeinschaft (IG) Luitpoldstraße/Königstraße, die räumlich auch für die Ludwigstraße zuständig ist, scheint abgehängt von Informationen über das Atrium. "Da vorne ist alles stumm wie ein Fisch", antwortet Vorstandsmitglied Ted Neumann, wenn man ihn nach dem Stand der Dinge im Einkaufszentrum fragt.
Schon die vorherigen Eigentümer müssen sich sehr bedeckt gehalten haben, ließen dem Zusammenschluss der Geschäftsleute zwischen Bahnhof und Kanal kaum Informationen zukommen. Nur dem Vernehmen nach weiß Neumann, dass das Atrium entkernt und zu einem Multi-Funktionshaus umgebaut werden soll.
Das Gerücht vom russischen Investor hat er auch gehört. Ausschließen würde er nicht, dass etwas dran ist, weil er selbst seit einigen Wochen "eine ganze Menge" Kaufangebote für sein privates Haus aus Russland bekommen haben will.
Am Wichtigsten im neuen Atrium wäre aus der Sicht des IG-Sprechers und Musikhaus-Inhabers ein attraktiver Elektronikmarkt, der die jungen Kunden in der Stadt hält. "Damit würden wir die Jugend nicht ganz an Hallstadt und den Laubanger verlieren." Die Gefahr sieht Neumann, weil Karstadt auch in Bamberg seine Multimedia-Abteilung um ein weiteres Stück verkleinern wird, was Geschäftsleiter Alfons Distler auf Anfrage bestätigte.