Bamberger Arzt behandelte auch ohne Krankenversicherung

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Dr. Norbert Ruß im Gespräch mit Peter Klein, dem Leiter des Treffpunkts "Menschen in Not". Foto: Ronald Rinklef
Dr. Norbert Ruß im Gespräch mit Peter Klein, dem Leiter des Treffpunkts "Menschen in Not". Foto: Ronald Rinklef

Die Türen in der Arztpraxis von Dr. Norbert Ruß standen immer auch Kranken offen, die nicht krankenversichert sind. Er hofft auf einen Nachfolger.

Wohin kann Peter Klein künftig Bedürftige schicken, die krank sind, aber nicht krankenversichert? Vor dieser Frage steht der Leiter des Treffpunkts "Menschen in Not", weil Norbert Ruß am 31. März seine Praxis in der Schützenstraße schließt.

Die Innenstadt verliert mit ihm nicht nur einen weiteren klassischen Hausarzt. Mit Ruß zieht sich der einzige Allgemeinmediziner aus dem aktiven Berufsleben zurück, der auch Obdachlose und andere arme Menschen behandelt hat - für ein Danke oder Vergelt's Gott.

Ruß machte nie ein Aufhebens um die kostenlose medizinische Hilfe, die er Bedürftigen in den zurückliegenden 30 Jahren geleistet hat. Im Gespräch mit der Lokalredaktion lässt er erkennen, wie selbstverständlich es für ihn ist, niemanden mit gesundheitlichen Problemen weg zu schicken, auch wenn er oder sie nicht bezahlen kann.


Der Aufwand, wiegelt er ab, sei ja auch nicht groß - vielleicht eine Stunde im Monat. Und diese Leute seien sehr dankbar, sagt er: dankbarer als viele versicherte Patienten, die für ihr Geld ja auch zurecht erwarten könnten, dass ihnen geholfen wird.

Zum Interview ist Ruß bereit, weil er hofft, über den Artikel auf die drohende Versorgungslücke für die Schwächsten in der Bamberger Gesellschaft aufmerksam machen und Kollegen gewinnen zu können, die bereit sind, ihn in dieser Hinsicht zu "beerben".

Ideal wäre ein Arzt, dessen Praxis ebenfalls mitten in Bamberg liegt, sagt Peter Klein. Der spezielle Personenkreis hält sich bevorzugt in der Innenstadt auf.


Aufgabe wuchs ihm zu

Er sei eher zufällig zur medizinischen Anlaufstelle für Obdachlose geworden, blickt Ruß, den die Bamberger auch als Vorsitzenden des Historischen Vereins kennen, zurück. Los ging es nach seinen Worten vor 30 Jahren, als das Parkhaus Schützenstraße noch ganz neu war. Damals sei die städtische Schlafgelegenheit für Durchreisende in der Sutte gerade umgebaut worden und habe es die Stadt deshalb gebilligt, dass Obdachlose in dem neuen Parkhaus übernachten. Genau gegenüber hängt das Praxisschild von Ruß an einem Haus: "So ging es los, dass die ersten Patienten verschämt am Abend bei mir geklingelt haben."

Parallel schuf der seinerzeitige Pfarrer Hübner in der Innenstadt-Pfarrei St. Martin eine Anlaufstelle für Bedürftige. Sie sollte die Keimzelle der Ehrenamtlichen-Initiative "Mt.25" werden, die später - zusammen mit Caritas und Diakonie - zu einer Säule des Treffpunkts "Menschen in Not" wurde.

In den ersten Jahren handelte es sich bei den medizinischen Bittstellern vor allem um Durchreisende, erinnert sich Ruß. Ihre Erkrankungen hätten sich meist recht gut binnen einer Woche kurieren lassen, so dass sie ein Stück gesünder weiterziehen konnten. Später seien immer mehr sesshafte Arme gekommen. Leute, die zum Beispiel in aufgelassenen Gartenhäusern übernachten.

Aus hygienischen Gründen gibt es für diese Patienten ein separates Warte- und Behandlungszimmer. Die Sprechstundenhilfe bestätigt, was ihr Chef zu dem Thema noch andeutet: "Die meisten kommen halbwegs gewaschen und geschnäuzt."

Der große Unterschied zum Kassen- oder Privatpatienten scheint weniger in der Art der Krankheiten zu liegen, als vielmehr an der Einstellung dazu. Als Arzt brauche man da eine große Portion Pragmatismus. Die Menschen seien dankbar, wenn sie die akuten Beschwerden los würden, wenn die Symptome gelindert werden. Doch im Prinzip "wollen sie ihren alten Stiefel weiter leben".


Menschen nehmen, wie sie sind

Was es bedeutet, diese "akzeptierende Haltung" (Peter Klein) im Praxisalltag zu leben, beschreibt Ruß lachend am Beispiel eines starken Rauchers: Weil dieser unter großer Atemnot litt, erhielt der Mann von ihm ein Asthma-Spray. Es wirkte gut, drei Tage später kam der Patient wieder und berichtete dankbar, dass es ihm gut gehe: Ihm schmeckten die Zigaretten wieder. Ruß erfüllte ihm den Wunsch nach noch einem Spray . . .

Wichtig sei es halt, diese Gruppe von Patienten so zu nehmen, wie sie sind, schreibt Ruß potenziellen Nachfolgern ins Stammbuch: Ein "fundamentalgesellschaftspolitischer Ansatz" wäre fehl am Platz.

Wie Ruß und Klein berichten, gibt es einige niedergelassene Fachärzte, zu denen der Allgemeinmediziner nicht versicherte Patienten bei Bedarf schicken kann. Auch mit einem Zahnarzt kooperiert der Treffpunkt. Fände sich jemand, der den Part von Ruß übernimmt, wäre die ambulante medizinische Grundversorgung für Kleins Stammpublikum weiterhin gesichert.

Der Treffpunkt "Menschen in Not" verfügt mittlerweile auch über einen ausreichenden Arzneimittel-Etat. Hausärzte, die zu helfen bereit sind, erreichen Peter Klein unter der Telefonnummer 0951/2084926.