Manche Obdachlose kommen mit ihrem Hausstand, wie Herr R. Andere kommen mit nichts. Dann stellt die Stadt Bamberg ein Feldbett und einen Schlafsack zur Verfügung. Nach dem Willen der Senatsmitglieder soll künftig eine minimale Grundausstattung für einen Teil der Zimmer angeschafft werden: Tisch, Bett, Stuhl, alles in schlichter Ausführung, alles aus Eisen, noch eine Matratze dazu; die Kosten liegen bei etwa 500 Euro pro Raum.
In den vergangenen Jahren wurde bewusst auf Investitionen verzichtet, da Häuser in der Theresien- und Kapellenstraße voraussichtlich dem ICE-Bahnausbau durch Bamberg weichen müssen. Die Suche nach Ausweichunterkünften läuft bereits. „Da aber niemand so genau weiß, wann die Bahn tatsächlich los baut, haben wir das Thema für die heutige Sitzung als Schwerpunkt-Thema gewählt“, sagt Zweiter Bürgermeister und Sozialreferent Jonas Glüsenkamp beim Ortstermin.
Er schaue sich die Situation bereits seit vier Jahren an, „nun sollten wir zumindest über kleinere Investitionen nachdenken.“ Zum Beispiel WLAN: „Die jüngeren Bewohner können dann von hier aus über das Smartphone ihre Anträge beim Jobcenter stellen“, erklärt Richard Reiser. Der jüngste in der „TH2“ sei 24, der älteste 71 Jahre, erläutert André Leipold, Sozialarbeiter für die Obdachlosenberatung. Manche wohnen nur übergangsweise hier, andere jahrelang.
70 Prozent der hier untergekommenen Männer hätten ein Drogenproblem. Die folgende Senatssitzung steht noch spürbar unter den Eindrücken des Außentermins. Das Sozialreferat unter der Leitung von Bürgermeister Jonas Glüsenkamp will in den kommenden Jahren deutlich in die Prävention von Wohnungs- und Obdachlosigkeit investieren.
Dazu hat der Bürgermeister dem Familien- und Integrationssenat ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das der Senat verabschiedete. Der Stadtrat ist nun gefordert, die notwendigen Mittel auch im Haushalt 2024 bereit zu stellen. Einen Punkt lässt Bürgermeister Glüsenkamp noch für die Öffentlichkeit erläutern: Was ist mit Obdachlosen im Straßenbild, um die sich anscheinend niemand kümmert?
Mario Schmidt, Sachgebietsleiter Erwachsenenhilfen, klärt auf: „Die obdachlosen Personen sind uns in der Verwaltung zu 99% bekannt. Sie kennen unsere Angebote und Hilfsmöglichkeiten. Allerdings gibt es obdachlose Menschen, die sich nicht auf eine Unterkunft einlassen wollen oder krankheitsbedingt nicht können. Wir können immer nur ein Angebot machen, die Menschen entscheiden selbst, ob sie dieses annehmen wollen.“
Konzept zur Vermeidung von Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Stadt Bamberg (10-Punkte-Plan)
Ziel: Verlust von angemietetem Wohnraum verhindern bzw. Obdach- und Wohnungslosigkeit so gering wie möglich halten.
- Neue Fachstelle Wohnungsnotfallhilfe im Sachgebiet Erwachsenenhilfe
- Neue Stelle zur sozialen Wohnraumvermittlung
- Verstetigung des erfolgreichen Projekts „Übergangswohnen Plus“ (begleitete Wiedereingliederung in ein Wohnverhältnis)
- Kooperation zwischen Jobcenter und Fachstelle Wohnungsnotfallhilfe bei drohendem Wohnungsverlust
- Schaffung einer zusätzlichen Unterkunft für obdachlose Familien mit Kindern
- Zusätzliches Wohnungsangebot für obdach- und wohnungslose Frauen
- Erweiterung des Kälteschutzkonzepts (Wer braucht/will Schlafsack/Unterkunft?)
- Bereitstellung einer angemessenen Wohnsituation in der Obdachlosenunterkunft
- Medizinischer Behandlungsraum in einer Obdachlosenunterkunft
- Runder Tisch Obdach- und Wohnungslosigkeit
Begriffserläuterung:
Definition Obdachlosigkeit: Obdachlos im ordnungsrechtlichen Sinne ist, wer nicht über eine Unterkunft verfügt, die Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet, Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt und insgesamt den Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung, entspricht.
Definition Wohnungslosigkeit: Wohnungslos ist, wer nicht über mietvertraglich abgesicherten Wohnraum oder entsprechendes Wohneigentum verfügt oder gegebenenfalls nur institutionell untergebracht ist. Unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht ist, wem der Verlust seiner derzeitigen Wohnung unmittelbar bevorsteht, wegen Kündigung der Vermieterin bzw. des Vermieters, einer Räumungsklage (auch mit nicht vollstrecktem Räumungstitel), einer Zwangsräumung oder aus sonstigen zwingenden Gründen.
Quelle: Empfehlungen des Obdach- und Wohnungslosenwesens des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, des Innern, für Sport und Integration, für Wohnen, Bau und Verkehr sowie für Gesundheit und Pflege vom 2.10.2023