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Bamberg: Afghanische Familie rettet sich vor Taliban - und muss Angehörige zurücklassen


Autor: Elisabeth Offial

Bamberg, Montag, 30. August 2021

Familie H. ist eine der afghanischen Familien, die seit letztem Donnerstag (26. August) im Ankerzentrum Bamberg untergebracht sind. Sie wurde aus Kabul evakuiert, Eltern und Geschwister musste Sayed H. dort zurücklassen.
Sayed H. und seine Familie gehören zu den Menschen, die von Kabul evakuiert wurden. Jetzt sind sie im Ankerzentrum Bamberg untergebracht und hoffen auf eine Zukunft in Deutschland.


Sayed H. ist 27 Jahre alt. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern gehört er zu den afghanischen Ortskräften, die das Ankerzentrum Bamberg bereits aufgenommen hat. Dreieinhalb Jahre alt ist seine Tochter, sein Sohn erst fünf Monate, sagt er inFranken.de. Für vier Jahre hat Sayed H. bereits in Deutschland gelebt, eine Ausbildung gemacht und die Sprache gelernt. Danach hat er in Afghanistan Deutsch unterrichtet. 

"Ich bin genau eine Woche in Kabul geblieben, seit unser Land in die Hände der Taliban gefallen ist", sagt Sayed H. "Diese Woche war die schrecklichste Woche, die ich in meinem Leben erfahren musste. Man wusste nicht, welcher Tag oder welches Datum gerade ist. Man konnte nicht richtig schlafen." Von Verwandten habe er Anrufe bekommen. Afghanistan zu verlassen war das Ziel, zumindest bis nach Pakistan oder in den Iran.

Kabul: Sayed H. schöpft nach Anruf neue Hoffnung

Als Ortskraft hatte er Verbindungen zur Bundeswehr und der deutschen Botschaft in Kabul. "Die haben gesagt 'Bleiben Sie ruhig, wir werden euch evakuieren' und sie haben es auch gemacht", sagt Sayed H. sichtlich erleichtert. "Als ich angerufen wurde, dass ich meine Familie nehmen und zum Flughafen kommen soll, war es eine Überraschung für mich. Dieser Moment war eine Hoffnung. Ich konnte wieder hoffen, dass ich mit meiner Familie weiter leben kann.

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Zum Flughafen gekommen sei er mit einem Taxi. "Die Kameraden dort haben uns sehr freundlich aufgenommen, wie es auch die Kameraden hier mit offenen Armen gemacht haben", erzählt er. "Ich bin Deutschland, der deutschen Botschaft in Kabul und besonders den Kameraden der Bundeswehr sehr dankbar. Sie haben unser Leben gerettet."

Im Flugzeug konnte er anfangs noch nicht fassen, dass er aus Kabul heraus kommt. "Man konnte es nicht glauben. Erstmal wollte ich schlafen, aber es ging nicht. Ich war fasziniert und überrascht. Ich war sehr dankbar, dass ich evakuiert werden konnte. Als wir im Flugzeug saßen, haben wir gedacht 'Endlich können wir raus aus Afghanistan'."

"Ich mache mir große Sorgen" - Eltern und Geschwister sind noch immer in Afghanistan

Nur seine Frau und die beiden Kinder kamen mit ihm nach Deutschland. Seine Eltern und Geschwister sind noch in Afghanistan. "Ich mache mir große Sorgen. Wenn die Taliban herausbekommen, dass sie meine Familie sind, habe ich auf jeden Fall Angst, ob etwas passiert oder nicht." Seine Familie dagegen sei froh, dass er in Sicherheit ist, sagt er. "Ich weiß nicht, wie es für sie weitergeht", zeigt er sich bedrückt. "Ich hoffe, dass sich jetzt alles ein bisschen verbessern wird."

Sayed Hs. Zukunftspläne spielen sich in Deutschland ab. Familienmitglieder seien noch keine hier, Freunde in Deutschland habe er aber. "Wir haben vor, uns richtig in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, damit meine Kinder hier zur Schule gehen können. Ich erhoffe mir für sie eine schöne Zukunft." Die sieht er nicht in seinem Heimatland. "Ich glaube nicht, dass sich Afghanistan schnell wieder stabilisieren kann. Gerade hat ein Bürgerkrieg angefangen, es sieht nicht gut aus." Aufgegeben hat Sayed H. aber nicht. "Ich hoffe, dass ich meine Familie wieder sehen kann. Aber es wird sehr schwierig."

"Ich will die ganze Welt und auch Deutschland bitten, dass sie Afghanistan nicht vergessen. Alle Länder müssen zusammen die Taliban verpflichten, dass sie die afghanische Bevölkerung und die kleinen Nationen nicht vernichten", appelliert Sayed H.

Nachdem das Ankerzentrum in Bamberg fast 100 Menschen aus Afghanistan aufgenommen hat, zu denen Sayed H. und seine Familie gehören, erklärt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nun vor Ort, wie es weiter gehen soll.