Druckartikel: Auf Bambergs Domberg: Dosierter Kunstgenuss am Mittag

Auf Bambergs Domberg: Dosierter Kunstgenuss am Mittag


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Donnerstag, 15. Januar 2015

Seit zehn Monaten gibt es in den Museen rund um den Bamberger Dom Kurzführungen zur Mittagszeit. Die 25-minütigen "Kunstsnacks" haben sich in kurzer Zeit etabliert. Gedacht für Berufstätige mit wenig Zeit für Kulturelles hat sich herausgestellt, dass auch die Bamberger Senioren das Angebot schätzen.
Das Bild vom "Kunstsnack" lässt erkennen, wie konzentriert alle Zuhörer dem Vortrag von Birgit Kastner folgen. Foto: Matthias Hoch


Zum Aufwärmen wäre die Staatsgalerie am Mittwoch definitiv der falsche Ort gewesen. Sie war aber der richtige für alle, die zur Mittagszeit Appetit auf eine bekömmliche Portion Kunst und Kultur hatten.

Und das waren nicht wenige: 17 Frauen und Männer folgten Birgit Kastner in den hintersten der Ausstellungsräume im so genannten Gebsattelbau der Neuen Residenz und hingen an den Lippen der Fachfrau, während sie ein apokalyptisches Bild erklärte: "die Sintflut" von Hans Baldung Grien von 1516.

Was sind die frostig wirkenden Temperaturen gegen das Grauen, das der Dürer-Zeitgenosse darstellte: vorwiegend nackte Menschen mit "Musterbuch-artigen Verzweiflungsgesten" (Kastner) rund um die schon verschlossene Arche, die bei Grien an ein hölzernes Haus mit Renaissancegiebel erinnert.



Kastner erläutert das unübersehbare Faible des Künstlers für Akte und, dass er sich offensichtlich von italienischen Kollegen inspirieren ließ: Wer genau hinsieht, entdeckt im Hintergrund eine stehende Nackte, die an Botticellis berühmte Venus erinnert.

Pünktlich um 13 Uhr, nach genau 30 Minuten konzentrierten Schauens und Hörens, ist die Kurzführung zu Ende. Den Teilnehmern scheint es gefallen zu haben, dass sie viel Interessantes über eines der wertvollsten Exponate in der Staatsgalerie erfahren haben, fundiert und wohl dosiert.

Wenn man sich alles ansähe, liefe man Gefahr, "so wie in der ,Sintflut' unter zu gehen", meint hinterher beispielsweise Hans Scharf. Der Allgemeinmediziner aus Burgebrach ist seit kurzem im Ruhestand und genoss schon zum zweiten Mal einen "Kunstsnack", den die Museen am Domberg seit April 2014 monatlich servieren.

Während Scharf sich anschließend noch ein bisschen in der Staatsgalerie umsieht, diskutieren andere Teilnehmer der Kurzführung mit Birgit Kastner noch Details des Grien-Bildes. Manche gehen gleich, weil ihre Mittagspause endet - so wie der Verwaltungsangestellte Armin Kunzelmann, der zurück ins Landratsamt radelt.

Gedacht als Angebot speziell für Einheimische und Berufstätige, die wenig Zeit für Museumsbesuche haben, erfreuen sich die "Kunstsnacks" laut Kastner auch bei älteren Kulturliebhabern, die nicht mehr so lange stehen können, wachsender Beliebtheit. Ihre Erklärung ist nachvollziehbar: "25 Minuten hält man körperlich und geistig durch."

Als Domberg-Koordinatorin gehört es zu den Aufgaben der promovierten Kunsthistorikerin, neue Interessenten für die alten Schätze zu gewinnen, die rund um den Dom konzentriert sind. Mit dem mittäglichen Kunstgenuss scheint man ein Format gefunden zu haben, das in Großstädten schon länger bekannt ist und sich in Bamberg binnen zehn Monaten etabliert hat. "Weniger als zehn waren wir nie", erinnert sich Kastner. Es gebe auch schon Stammgäste.

Zu ihnen gehören Marlene und Siegfried Vogel aus Marktgraitz nicht - noch nicht. Der Januar-"Kunstsnack" war ihr erster, aber nicht der letzte, versichert das Ehepaar aus dem Landkreis Lichtenfels. Es hatte aus der Zeitung davon erfahren und seinen Bamberg-Besuch eigens so gelegt, dass es die Kurzführung mitmachen konnte. Die sei "sehr sehr interessant" gewesen und habe Lust auf weitere Kunst-Häppchen gemacht.