Auch in Franken gehen Eltern leer aus

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Ulrich-Arthur BirkFoto: Matthias Hoch
Ulrich-Arthur BirkFoto: Matthias Hoch
 

Seit 1. August gibt es das Betreuungsgeld, doch bundesweit wird jeder fünfte Antrag abgelehnt. In Franken werden im Schnitt mehr genehmigt, allerdings wird hier auch massiv für die Leistung geworben. Der Bamberger Sozialrechtler Ulrich-Arthur Birk sieht das Gesetz kritisch und bezweifelt, dass es verfassungskonform ist.

Die Eltern sollen eine Wahlfreiheit haben, hieß es, als das Betreuungsgeld im November 2012 beschlossen wurde. Wer keinen Kita-Platz nutzt und sich stattdessen selbst um seine Knirpse kümmert, bekommt dafür derzeit im Monat 100 Euro (später 150) vom Staat. Das gilt seit gut einem Monat - allerdings nicht für alle Eltern von Kindern unter drei Jahren. Wurde das Baby vor dem Stichtag 1. August 2012 geboren, geht die Familie leer aus. Reihenweise werden aus diesem Grund Anträge abgelehnt; bundesweit bisher etwa 20 Prozent, in Bayern 14 Prozent, in Franken gut 13 Prozent.

Das Statistische Landesamt hat die Geburtenzahlen bis einschließlich April 2013 erfasst. Ausgehend davon, dass diese einigermaßen konstant geblieben sind, wurden in Franken seit dem Stichtag fast 35.000 Kinder geboren. Sobald sie den 15. Lebensmonat erreichen, kann für sie Betreuungsgeld gezahlt werden. "Das gilt bis zum Ende des 36.
Lebensmonats, aber für maximal 22 Monate", erklärt Ulrich-Arthur Birk, Professor für Sozialrecht in Bamberg.

In Franken wurden bis Dienstag 1672 Betreuungsgeld-Anträge bewilligt, 255 abgelehnt. Von bundesweit etwa 27.000 Anträgen wurden knapp 7000 in Bayern gestellt. Die Union sieht das als Erfolg. Kritiker - vor allem aus SPD-regierten Ländern - bemängeln, dass der Freistaat massiv für die Leistung wirbt: Wer in Frage kommt, wird automatisch angeschrieben. Rund 11.000 Formulare wurden verschickt. Daten, die vom Elterngeld bekannt sind, wurden schon einmal eingetragen. "Das ist keine Werbung, das macht es den Eltern leichter", sagt Sophie Schäpe vom Zentrum Bayern Familie und Soziales in Bayreuth, das im Staatsauftrag auch für das Betreuungsgeld in Franken zuständig ist.

Im Zweifel: Verfassungsgericht

Einige Eltern stellen den Antrag aber auch auf eigene Faust - viele kassieren eine Absage, weil ihr Kind vor dem Stichtag geboren wurde. Schäpe verweist auf die Hinweise auf der Internetseite. "Entweder haben die Eltern den Stichtag nicht mitgekriegt oder sie sagen: ,Wir versuchen's einfach‘", vermutet Schäpe.

Wenn die Regelung den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, könnten Eltern klagen. Birk kennt das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), das auch das Betreuungsgeld regelt, genau: Er hat im kommentierten Gesetz den Kommentar verfasst.

Birk geht nicht davon aus, dass der grundgesetzlich festgeschriebene Gleichheitsgrundsatz durch die Stichtagsregelung verletzt wird. Auch wenn Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CSU) den 1. Januar 2012 als Stichtag wollte. In der parlamentarischen Debatte wurde das Datum verschoben, um Steuermittel zu sparen. "Es ist rechtlich zulässig, so Personenkreise abzugrenzen", sagt Birk. "Es gibt eine Übergangsphase, in der einige wegen des Stichtags ausgeschlossen sind. Aber das hat sich in ein paar Monaten erledigt."

Aus juristischer Sicht liegt das nach Birks Einschätzung im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums und überschreitet nicht die Grenze zur Willkür. Dennoch bezweifelt er, dass das Betreuungsgeld verfassungsgemäß ist - aus anderen Gründen: "Für die Nicht-Inanspruchnahme einer Sozialleistung wie der Kinderbetreuung kann keine andere Sozialleistung wie das Betreuungsgeld gewährt werden."