Bamberg
Flüchtlinge

Auch aus Bamberg wurden Afghanen abgeschoben

Die Abschiebung integrationswilliger Afghanen aus Bamberg löst bei Helfern und Betreuung Bestürzung aus. Afghanistan sei ein hoch gefährliches Land.
Aziz A. war bei seinen Kollegen in der Bamberger Gastronomie sehr beliebt. Er hatte Aussicht auf eine feste Stelle als Küchenhilfe. Doch vor einer Abschiebung hat ihn das nicht geschützt.  Foto: privat
Aziz A. war bei seinen Kollegen in der Bamberger Gastronomie sehr beliebt. Er hatte Aussicht auf eine feste Stelle als Küchenhilfe. Doch vor einer Abschiebung hat ihn das nicht geschützt. Foto: privat
Aziz M. (21) war allem Anschein nach gut integriert in Bamberg. Der Afghane, der vor vier Jahren als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland gekommen war, hatte drei Jahre Ausbildung in der Gastronomie hinter sich und Aussicht auf eine Anstellung als Küchenhilfe in einem Bamberger Restaurant. Doch aus diesen Plänen wurde nichts. Aziz wurde am vergangenen Montag nach Kabul ausgeflogen - unfreiwillig.

Es war die zweite Sammelabschiebung von Afghanen in ein Herkunftsland, in dem in etlichen Regionen kriegsähnliche Zustände herrschen. Das ist, selbst wenn es weit entfernt scheint, auch ein Bamberger Problem: Fünf von den 26 Flüchtlingen, die unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit zurückgeführt wurden, stammten aus Gemeinschaftsunterkünften bei Bamberg.

Es sind weniger die Umstände, unter denen diese Abschiebung vorgenommen wurde als vielmehr die Folgen, die seither Bestürzung auslösen: bei Freunden und Bekannten der abgeschobenen Afghanen, aber nicht weniger bei jenen, die sich beruflich um das Gelingen der Integration in unserer Region kümmern. Zum Beispiel Riccardo Schreck. Der Bamberger Sozialpädagoge betreut mit mehreren Kollegen eine große Zahl junger Flüchtlinge, die in der Berufsschule auf eine Ausbildung in Deutschland vorbereitet werden. Etwa ein Viertel von ihnen sind Afghanen.


Harte Auslegung in Bayern

Schreck bezeichnet den Umstand, dass die "harte Auslegung" der Asylgesetze durch bayerische Behörden nun auch den jungen Männer aus Afghanistan die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland raubt als "große Belastung" für das Integrationssystem. Da seien zuallererst die Betroffenen selbst, die seit kurzem damit rechnen müssten, ungeachtet von Ausbildung oder Jobaussichten aus ihrer Umgebung herausgerissen zu werden. Die jungen Männer befänden sich bei einer solchen Nachricht in einer Ausnahmesituation. Nicht wenige seien im Iran aufgewachsen, hätten in Afghanistan keine Perspektive. "Das löst Riesenängste aus, die bis hin zu Selbstmordgedanken reichen können. Die Leute fühlen sich betrogen", sagt Schreck.

Doch das ist nur die eine Seite. Die Abschiebung junger Afghanen, die in einer neuen Heimat gerade anfangen, Wurzeln zu schlagen, konterkariert aus Sicht der Betreuer die Integrationsanstrengungen. Noch vor kurzem habe man sich mit hohem Aufwand bemüht, die Flüchtlinge an Deutschland heranzuführen, sie mit der Kultur und Arbeitswelt vertraut zu machen. Nun würden die Erfolge zunichte gemacht. "So verkehrt man unsere Arbeit ins Absurde." Menschen, in die so viel Zeit und Energie gesteckt worden sei, vor das Nichts zu stellen - "das ist der Supergau der Integration".


Flüchtling aus Strullendorf

Und Aziz ist kein Einzelfall. Unter den abgeschobenen Bamberger Afghanen war auch Atiqullah A., ein junger Mann, der in einer Strullendorfer Gemeinschaftsunterkunft lebte. Die Flüchtlingshilfsorganisation "Freund statt fremd" bezeichnet Atiqullah als "hervorragendes Beispiel für gewollte und intensiv betriebene Integration". Er habe sehr gut Deutsch gesprochen, hatte enge Kontakte mit Einheimischen und wollte nach einem Praktikum eine Ausbildung zum Altenpfleger machen. Doch zu den bereits terminierten Vorstellungsgesprächen bei zwei Altenpflegeschulen in dieser Woche kam es nicht: Atiqullah wurde abgeschoben.

Doch natürlich gibt es auch eine andere Sicht der Dinge. Die Regierung von Oberfranken legt Wert auf die Feststellung, auch bei Afghanen in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Abschiebungshindernisse bestehen. Sprecher Oliver Hempfling bestätigt die Zahl von fünf Personen aus dem Raum Bamberg, die am vergangenen Montag abgeschoben werden sollten. Bei drei Personen im Alter von 24, 21 und 18 Jahren wurde die Abschiebung tatsächlich vollzogen. Eine Person habe sich selbst Verletzungen beigebracht, um der Abschiebung zu entgehen, sie befinde sich nun in ärztlicher Behandlung. In einem Fall sei die Abschiebung aufgrund eines erfolgreichen Eilantrags beim Verwaltungsgericht Bayreuth abgebrochen worden. In einem zweiten Eilantrag habe das Verwaltungsgericht die Abschiebung mit der Begründung erlaubt, dass die Person ihr Ausbildungsverhältnis abgebrochen habe.

Regierungssprecher Hempfling widerspricht Behauptungen, dass Afghanen trotz bestehender Ausbildungsverhältnisse abgeschoben würden. Dies führe im Gegenteil regelmäßig zum Duldungsanspruch, sofern die Identität der Person geklärt sei.

Schwere Kritik an der Abschiebepraxis in Falle der Bamberger Afghanen übt die Flüchtlingshilfeorganisation "Freund statt fremd". Der Fall des jungen Atiquallah stehe für die unmenschliche und willkürliche Praxis der Ausländerbehörden. Die afghanischen Flüchtlinge in Deutschland lebten nun in ständiger Sorge, in ein Land gebracht zu werden, in dem große Gefahr für Leib und Leben herrsche. Afghanistan sei alles andere als sicher, sagt auch Simone Oswald von "Freund statt fremd". Wer Menschen dorthin abschiebe, wo sich Regierungstruppen und radikalislamische Taliban einen blutigen Kampf lieferten, nehme auch ihren Tod billigend in Kauf.