2015 sind in Bamberg so viele Menschen wie seit Jahren nicht mehr an den Folgen eines Verkehrsunfalls gestorben. Einfache Erklärungen dafür scheint es nicht zu geben.
Berliner Ring/Zollnerstraße, Gaustadter Hauptstraße, Pödeldorfer Straße, Hallstadter Straße/Kronacher Straße: Jeder der genannten Orte steht für einen Verkehrsunfall, bei dem 2015 in Bamberg ein Mensch ums Leben gekommen ist. Vier Verkehrstote weist die Statistik der Polizei auf, so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr.
Genau genommen starben sogar sechs Menschen in Bamberg an den Folgen eines Unfalls im Straßenverkehr. Allerdings tauchen Opfer, die erst nach mehr als 30 Tagen ihren erlittenen Verletzungen erlegen sind, nicht in der offiziellen Verkehrstoten-Statistik der Polizei auf.
Für die Beteiligten und Hinterbliebenen spielt es freilich keine Rolle, ob jemand unmittelbar an den Folgen stirbt oder Monate später. Jedes dieser Unglücke ist eine Tragödie und eines zu viel.
Warum es 2015 diese bedauerliche Steigerung gab? Polizei-Sprecherin Silke Gahn kann es nicht erklären. Zu unterschiedlich seien die Unfälle gewesen, als dass man eine Ursache ausmachen könnte. Es lasse sich auch räumlich kein Brennpunkt erkennen, aus dem die für die Verkehrssicherheit zuständigen Stellen bei Stadt und Polizei Lehren für die Zukunft ziehen könnten. Nach den Worten der Polizeioberkommissarin ist wohl vorwiegend von menschlichem Versagen auszugehen.
Gleich zwei Todesopfer im Januar
Ein Blick zurück: Das Jahr war erst sechs Tage alt, da verlor eine 24-jährige Radfahrerin am Berliner Ring ihr Leben. Sie war von einem Sattelzugfahrer übersehen und erfasst worden. Am 31. Januar passierte schon der nächste tödliche Unfall, als ein 81 Jahre alter Fußgänger auf der Gaustadter Hauptstraße überfahren wurde.
Nur drei Monate später verunglückte ein 19-Jähriger mit seinem Auto in einer Baustelle in der Pödeldorfer Straße tödlich. Am 18. September schließlich bezahlte ein 73 Jahre alter Radfahrer in der Hallstadter Straße mit seinem Leben, als er beim Überqueren der Kronacher Straße offensichtlich eine rote Ampel ignorierte und mit einem Lastwagen zusammen stieß.
Soweit die vier offiziellen Unfälle mit Todesfolge. Die beiden anderen Verkehrsopfer sind ein 90-jähriger Passant, der am 29. Mai beim Überqueren der Luitpoldstraße von einem in die Heiliggrabstraße abbiegenden Lastwagen überfahren worden ist, und eine 83 Jahre alte Frau, die in einem fahrenden Stadtbus aufgestanden und unglücklich auf den Hinterkopf gestürzt war. Beide erlagen Wochen später ihren schweren Verletzungen.
Zum Glück erlebt Bamberg nicht nur Jahre wie diese. Beim Blick in die Statistik der Inspektion Bamberg-Stadt macht Silke Gahn für 2014 gar keinen tödlichen Unfall aus. In den Jahren 2013 und 2011 war jeweils ein Verkehrsopfer zu beklagen, 2012 waren es drei. 2010 ließen ebenfalls vier Menschen auf Bambergs Straßen. Blättert man weitere fünf Jahre zurück, war das Jahr 2005 wiederum ein trauriger Ausreißer nach oben mit vier Verkehrstoten.
Daß die Polizei keinen Handlungsbedarf erkennt, ist ein Skandal. Denn wenngleich die Unfälle sehr verschieden waren, lassen sich grundlegende Gemeinsamkeiten erkennen: Es wird zu schnell und zu unaufmerksam gefahren.
Der Tod der Radlerin war überdies durch die Verkehrslenkung begünstigt: Sie befand sich auf einem benutzungspflichtigen (!) Radweg und vertraute auf ihr Vorfahrtrecht. Doch u. a. genau auf Grund solcher Unfälle dürfen Radwege im Regelfall nicht mehr benutzungspflichtig sein - und auch hier war diese Anordnung rechtswidrig erfolgt.
Ein Zusammenstoß bei Tempo 30 bringt eine Überlebenschance des Fußgängers von rund 80 %, bei Tempo 50 sind es nicht einmal 20 %. Hinzu kommt die höhere Wahrscheinlichkeit, bei geringerer Geschwindigkeit den älteren Herrn am Straßenrand frühzeitig wahrzunehmen und rechtzeitig zu reagieren.
Wie schnell war der in der Pödeldorfer Straße verunglückte Autofahrer unterwegs? Anders als durch überhöhte Geschwindigkeit läßt sich ein für den Autoinsassen tödlich verlaufener Unfall im Bereich einer innerörtlichen Baustelle schwerlich erklären.
War der Zusammenstoß unvermeidbar? Selbst, wenn der Radfahrer tatsächlich das Rotlicht mißachtet haben sollte (das steht offensichtlich gar nicht fest - die Annahme beruht wohl ausschließlich auf der Aussage des Unfallgegners), hätte die übersichtliche Kreuzung mit weitem Einblick in alle zuführenden Straßen möglicherweise zugelassen, rechtzeitig zu bremsen - angepaßte Fahrweise vorausgesetzt. Die gegenüber älteren Menschen erforderliche, besondere Sorgfaltspflicht darf zudem nicht außer acht gelassen werden.
Abbiegend, also bei geringer Geschwindigkeit, einen Fußgänger zu übersehen, läßt durchaus eine gewisse Achtlosigkeit vermuten - insbesondere, wenn der Mann nicht nur an-, sondern überfahren wurde. Und daß nicht mehr in den Stadtbussen passiert, ist sicherlich nicht den verhinderten Formel-1-Piloten unter den Fahrern, deren es leider einige gibt, zu verdanken.