Skandinavischer Sonntag: Das Copenhagen Philharmonic Orchestra war zum ersten Mal zu Gast beim Kissinger Sommer.
"Man hat mir erklärt, dass die Kissinger lange Konzerte lieben", sagte Lawrence Foster, als er das Dirigentenpodest zum "Skandinavischen Sonntagskonzert" erklomm. Da hat er sich natürlich dran gehalten: Mit einer Ouvertüre, zwei Solokonzerten und einer Sinfonie war das Programm, auch angesichts der Hitze vor dem Regentenbau ziemlich üppig geraten. Aber was hätte man weglassen sollen?
Reverenz an die Gäste Am ehesten sicher Niels Gades Konzertouvertüre "Nachklänge zu Ossian". Das war eine engagiert musizierte, farben- und bildkräftige Musik, die allerdings keine allzu tiefen Spuren hinterlassen hat. Aber wenn das Copenhagen Philharmonic Orchestra zum ersten Mal im Regentenbau gastiert, ist esschon eine Frage der Höflichkeit, etwas Dänisches ins Programm zu nehmen.
Sicher nicht Antonin Dvoráks Cellokonzert. Als Alisa Weilerstein, die zweite Luitpoldpreisträgerin (2000) die ersten Akkorde spielte, fiel plötzlich auf, dass dieses Werk, das in früheren Festivals bis zu drei Mal pro Sommer im Programm stand, hier schon lange nicht mehr aufgeführt worden ist. Alisa Weilerstein ist eine außerordentlich selbstbewusste und durchsetzungsfähige Cellistin geworden, die sehr viel über ihre Kraft macht, die sich in die Musik hineinwühlt. Die Pose der virtuosen Schwierigkeit ist vielleicht auch ein bisschen Attitüde, bringt aber Expressivität - und Probleme. Alisa Weilerstein und das Orchester brauchten weite Teile des ersten Satzes, um sich auf ein gemeinsames Tempo zu einigen. Die Solistin hätte es gerne etwas schneller gehabt, dass Orchester nicht. Da hatte Lawrence Foster einiges zu tun, um auch die Weilersteinschen Beschleunigungsfloskeln wieder aufzufangen.
Austarierte Emotionalität Ansonsten ergab sich ein emotional auf beiden Seiten sehr gut durchkalkuliertes Musizieren, ach wenn in den Holzbläsern manches etwas geheimnisvoller hätte sein können. Allerdings: Die kurze Reflexion vor Ende des Schlusssatzes, die Dvorák seiner gestorbenen Schwägerin gewidmet hat, überspielte Alisa Weilerstein. Da nutzte sie vorübergehend einmal nicht die Tiefe der Gestaltung.
Wendung ins Persönliche Auf das Klavierkonzert B-dur KV 595 von Mozart hätte man auch nicht verzichten dürfen. Es ist vermutlich sein friedlichstes ohne jeden Konflikt, ohne Konfrontation. Aber Julian Jia, der 23-jährige Gewinner des KlavierOlymps 2014, stieß genau in dieses Vakuum hinein, indem er die Musik zu seiner eigenen machte. Er gestaltete den Solopart mit eigentlich ganz einfachen, aber sehr überlegten spielrhetorischen Mitteln so stark persönlich, dass das an leisen Stellen übliche laute Husten im Saal fast völlig erstarb. So gesehen war er das genaue Gegenteil von Alisa Weilerstein. Das Orchester ging auch diesen Kurs der Überraschungen vollkommen konzentriert mit.
Dann war die Konzertzeit eigentlich rum. Aber trotzdem wollten auch alle noch Robert Schumanns 1. Sinfonie, die "Frühlingssinfonie", hören. Mit gutem Grund: Da wurde mit frischen, nie überzogenen Tempi musiziert, da hatte Lawrence Foster für den oft recht dichten Satz plastische Lösungen gefunden, die der Durchhörbarkeit sehr entgegen kamen. Da wurde etwas spürbar von der - selten - guten Laune des Komponisten. Schließlich stammt der Beiname von ihm selbst.
Die Zugabe verriet etwas über die Herkunft des Orchesters: Den "Champagnergalopp" des dänischen Kapellmeisters und Militärmusikers Hans Christian Lumbye dürfte das Orchester schon 1843 im gerade eröffneten Vergnügungpark "Tivoli" gespielt haben. Er ist immer noch ein Selbstläufer.