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Vertieft in Geschichte


Autor: Stephanie Elm

Kothen, Mittwoch, 19. Juni 2013

Für die Festschrift der Soldaten- und Kriegerkameradschaft Kothen hat Walter Schmidt viel gelesen und recherchiert.
Walter Schmidt, Käthe Kraus und Arnd Molnar freuen sich auf das Jubiläumsfest, für dessen Vorbereitung sie sich tief in die Geschichte eingelesen haben.Foto: Stephanie Elm


Dass der Schriftführer eines Vereins nicht nur für ein Protokoll pro Quartal verantwortlich ist, war Walter Schmidt von der Soldaten- und Kriegerkameradschaft Kothen (SKK) schon im Voraus klar. Aber "dieses Jahr war es extrem viel gewesen", gab der Vorsitzende Arnd Molnar zu. Neben einer neuen Satzung und dem Eintrag ins Vereinsregister galt es auch, das Fest und die Festschrift zum 125-jährigen Bestehen der Soldaten- und Kriegerkameradschaft vorzubereiten.


"Weil ich mich dafür interessiert hab'", ist Walter Schmidts einfache Erklärung für monatelanges Stöbern und Recherchieren in den alten Protokollbüchern. Die gesamte Geschichte des "Krieger- und Kampfgenossen Verein Kothen", wie er am 11. Mai 1888 zur Gründung genannt wurde, hat er sich angelesen. Wobei das mit dem Lesen zunächst schwieriger aussah, als vermutet.

In Sütterlinschrift geschrieben

Die Sütterlinschrift, die bis circa 1956 im ersten Protokollbuch zu finden war, war für Schmidt jedoch eine Schrift mit sieben Siegeln. Seine Nachbarin Käthe Kraus war "sofort dabei", als Walter Schmidt bei ihr vor der Tür stand und nach ihren Lesefertigkeiten fragte. "Ich hab's noch gewusst." Die altdeutsche Schrift las Käthe Kraus zum Erstaunen von Arnd Molnar und Walter Schmidt "absolut fließend". Nach insgesamt circa zehn Stunden war das Protokollbuch von 1888 bis 1956 durchgelesen und von Walter Schmidts Frau Anke ins Hochdeutsche übertragen.
Da Walter Schmidt kein gebürtiger Kothener ist, galt es, Namen und Daten zu recherchieren und richtig zusammenzubringen. Aber: "Wir haben alle rausgekriegt", ist Käthe Kraus stolz, beim Gelingen der Festschrift dabei gewesen zu sein.
Was in den drei Protokollbüchern zu finden war, hat Walter Schmidt in Auszügen zu einer Festschrift zusammengefasst. Als Reaktion auf den Deutsch-österreichischen Krieg 1866 und den Deutsch-französischen Krieg 1870/1871 wurde am 11. Mai 1888 der "Krieger und Kampfgenossen Verein Kothen" gegründet. Ein Jahr später erfolgte die Fahnenweihe, 1912 wurde das erste Kriegerdenkmal an der heutigen B27 eingeweiht.
Fest verankert im Gründungsgedanken war das Ziel, "soziale und kameradschaftliche Dienste für die Hinterbliebenen zu erfüllen" und "soziales Leid abzufangen", sagt Walter Schmidt. Den allein auf dem Hof lebenden Witwen halfen die Vereinsmitglieder bei der Feldarbeit und Ernte und unterstützten sie finanziell.
Hohes Ziel ist nach wie vor, die Kameradschaft und das kulturelle Leben zu bewahren. Bei Prozessionen, Totenehrungen und Sammlungen für die Kriegsgräber macht dies der Verein deutlich. Darüber hinaus stiftete die Soldaten- und Kriegerkameradschaft die beiden Ortseingangstafeln, Treppenstufen zum Maria Ehrenberg und beteiligte sich beim Bau des Mottener Aussichtsturmes.
Ein Jahr nach Gründung hatte sich die Zahl der Mitglieder von 17 auf 27 erhöht. Der Mitgliederbeitrag betrug zehn Pfennig pro Monat, als Aufnahmegebühr waren zusätzlich 50 Pfennig zu entrichten. Weitere Einnahmen erzielten die ehemaligen Soldaten aus Vereinsbällen, Konzerten und Spenden. Die Protokollbücher belegen, dass die Kasse zum 6. Januar 1900 103 Mark enthielt.

Zu viele Auflagen

Anfang der 30er Jahre "sah man solche Vereine nicht mehr gerne", berichtet Walter Schmidt. Der letzte Eintrag vor dem Zweiten Weltkrieg lautete: "Der Führer hat befohlen, dass jeder Verein eine Vereinszeitschrift haben muss", vordergründig "um die Mitglieder auf dem Laufenden zu halten". Nachdem im Juli 1933 zudem sechs NSDAP-Mitglieder im Vereinsausschuss waren, wäre eine Vereinszeitschrift eine weitere Möglichkeit gewesen, den Verein zu kontrollieren. Viele Auflagen wurden den Vereinen zur Pflicht gemacht, so etwa, dass jedes Mitglied eine Hakenkreuzbinde tragen musste. Der Verein stellte daraufhin seine Arbeit ein. Die ureigene Überzeugung und der humanitäre Gedanke waren mit der vorherrschenden politischen Situation nicht mehr vereinbar. Die letzte Aktion vor dem vorläufigen Ende der Aufzeichnungen war ein Bunter Abend, von dessen Erlös die Bundesflagge angeschafft und für das Winterhilfswerk gespendet wurde.
Am 15. April 1956 ließen 20 Kothener den Verein wieder aufleben. 1960 trat die neu benannte "Krieger- und Soldatenkameradschaft" dem Bayerischen Soldaten- und Kriegerbund bei. Walter Schmidt und Käthe Kraus fiel auf, dass so mancher Soldat, der bis 1933 schon im Krieger- und Kampfgenossen Verein Mitglied war, nach 1956 auch wieder mit dabei war. So fand sich ein August Zeier, der von 1925 bis 1933 stellvertretender Vorsitzender war und 1956 als Beisitzer fungierte. Die erste Frau trat dem 72 Mitglieder zählenden Verein erst 1975 bei. Weitere weibliche Mitglieder folgten 2009. Bemerkenswert findet Walter Schmidt, dass von 1888 bis 1933 die Vorstände ihre Ämter lange Jahre behielten, Melchior Aland allein 35 Jahre lang: "Bis zum Krieg hatten die nur zwei Vorstände gehabt."

Vorsitzender zollt Respekt

35 Jahre bei der Bundeswehr haben wohl ihren Teil zu Genauigkeit und Durchhaltevermögen beigetragen, die nötig waren, um die Fülle von Namen und Daten zu erfassen und auszuwerten. Das hätte der Vorsitzende Arnd Molnar nicht jedem auftragen können: "Hut ab" vor der Leistung von Walter Schmidt, ist Molnar froh, für das Jubiläum seinen Schriftführer gewonnen zu haben. Schmidt ist erst seit 2012 im Vorstand, bringt aber großes geschichtliches Interesse mit. "Wenn Walter bei einer Sitzung was erzählt hat, waren wir alle gespannt", erinnert sich Arnd Molnar und war der Meinung: "Das muss in eine Festzeitschrift rein." Und in dieser ist die ganze Bandbreite der Geschichte zu lesen. Vom Fest zum 100-jährigen Bestehen wird berichtet, dass die Pferde einer Kutsche scheuten und durchgingen. Zwei Festbesucher wurden verletzt, nur durch gekonntes Eingreifen war die Kutsche zum Stehen gebracht worden. Aus den Aufzeichnungen über die Feier zum 90-jährigen Bestehen las Walter Schmidt verschmitzt vor: "Manche besorgte Mütter suchten noch am Montagmittag ihre Töchter. Manche Ehefrau hatte ihre bessere Hälfte seit Tagen nicht mehr gesehen."
Die Aufzeichnungen in Originalschrift und die "Übersetzung" ins Hochdeutsche wird Walter Schmidt zum Festwochenende kopieren und aushängen. "Die Statuten und Satzungen - alles übersetzt für zukünftige Vorstände." Drei Bücher hat Walter Schmidt durchgearbeitet, das vierte hat er selbst angefangen. Anekdoten und Geschichten sollen auch im vierten Protokollbuch das Ortsgeschehen und die Stimmungen festhalten. Beim kommenden Jubiläumsfest wird Walter Schmidt Augen und Ohren offen halten.