Trauer, Tod und Tanzen

Nein, man müsse kein Gothic Girl sein, um Bestatterin zu werden, stellt Madeleine Keller lachend klar, "und in der Freizeit trage ich auch nicht ständig einen schwarzen Mantel oder drücke mich nachts auf Friedhöfen rum". Sie hat keine Angst vor den Themen Trauer und Tod.
Die 23-Jährige hat bereits eine beachtliche Karriere hinter sich. Nach dem Abitur in Bad Königshofen studiert sie Psychologie und lässt sich zur Kursleiterin in "Letzter Hilfe" ausbilden. Noch während der Fertigstellung der Bachelorarbeit beginnt sie eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft bei Apfelbacher & Fehr in Bad Kissingen, die sie mit Lehrzeitverkürzung abschließt. Nebenbei räumt die selbstbewusste junge Frau einen Kammerpreis nach dem anderen ab. Beim Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks wird Madeleine Kammer- und Landessiegerin und belegt auf Bundesebene den dritten Platz.
Schon in der Abschlussarbeit
Das Thema Tod und Trauer hat schon früh eine Faszination auf sie ausgeübt. Als Abiturientin wählt sie für die Abschlussarbeit das Thema "Glück in der Trauer". "Wir hatten einen Todesfall in der Familie und auch wenn es kein supertragischer war, fand ich es damals schon spannend, wie unterschiedlich Trauer sein kann und wie sie sich verändert."
Aus diesem Grund entschied sie sich für ein Psychologiestudium und absolvierte ein Praktikum an der Palliativakademie in Bamberg. "Dort hatte ich dann viel mit Bestattern zu tun und gemerkt, wie schön es ist, Menschen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu begleiten und organisatorisch zu unterstützen." Zudem sei der Beruf eine gute Kombination aus Organisieren, mit Menschen arbeiten und Bürojob. Rüdiger Fehr, Geschäftsführer des Bestattungsunternehmens Apfelbacher & Fehr, hat früh Madeleines Talente erkannt und gefördert: "Sie ist hochintelligent, schnell in der Umsetzung und bringt alle nötigen Eigenschaften einer sehr guten Bestattungsfachkraft mit."
Vorbehalte entkräften
Als die Entscheidung gefallen war, musste Madeleine schon einige Vorbehalte in Familie und Bekanntenkreis entkräften: "Bist du dir ganz sicher?" und "wie kommst du denn darauf?", waren typische Fragen, die ihr gestellt wurden: "Diese Fragen kennt jeder Bestatter, denn der Beruf ist einfach noch mit vielen Tabus behaftet." Das sei ein bestimmter Schlag Menschen, die mit den Toten leben, sei so eine Vorstellung - darüber kann die Bad Königshöferin nur schmunzeln.
So sind auch die Reaktionen sehr unterschiedlich, wenn sie als junge Frau eine Bestattung abhält: "Auf dem Land ist es für manche fast eine Provokation, wenn man als Frau einen Sarg mitträgt oder ein Urnengrab öffnet." Ob sie es auch schaffe das Loch zu buddeln, wurde die zierliche Bestatterin nicht selten gefragt, "aber es ist auch verständlich, die Leute sind in einer Ausnahmesituation, da kommen dann alte Muster hoch." Andere fänden es cool, dass viele junge Menschen den Beruf ergreifen, das wirke dem verstaubten Image des Bestatters entgegen. "Zu trauernden jungen Müttern findet man beispielsweise als Frau einen ganz anderen Bezug." Arbeitgeber Fehr wundert das wenig: "Frauen waren schon immer sehr gute Trauerberaterinnen, weil sie einfach ein hohes Einfühlungsvermögen haben. Jetzt, wo es immer weniger Erdbestattungen gibt und damit weniger körperliche Arbeit nötig ist, ist es kein Wunder, dass es fast mehr weibliche Azubis gibt als männliche."
Grenzen ziehen ist wichtig
Doch wie ist es, täglich mit traurigen Menschen zu tun zu haben? "Die reine Organisation einer Bestattung ist ja recht unemotional, aber ich bekomme viel Persönliches mit und versuche, die Angehörigen zu unterstützen. Da ist es wichtig, eigene Grenzen zu ziehen und nicht zu versuchen, Therapeutin zu sein", erklärt die Trauerexpertin. Einerseits gäbe es Fälle, die ihr nahe gehen, beispielsweise habe sie ihre eigene Oma selbst bestattet. Andererseits werde mit den Angehörigen auch mal gelacht und es sei schön, mit anzusehen, wenn die Familien zusammenhalten.
Thema zieht sich durch
In ihrer Freizeit ist das Tanzen ein Ausgleich für Madeleine, aber dann ist das Lebensende doch wieder Thema, denn sie besucht momentan neben der Arbeit einen Kurs zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin: "Ja, die Thematik zieht sich bei mir durch", lacht sie. So ist es kein Wunder, dass auch die Zukunftspläne von Madeleine Keller mit dem Tod zu tun haben: "Ich überlege, ob ich noch meinen Meister mache oder eine Weiterbildung in Trauerbegleitung. Aber erstmal lass ich mich überraschen, was das Metier noch bereithält."