Die Landkreise Bad Kissingen und Rhön- Grabfeld sind traurige Spitze in Bayern: Nirgends sonst sind Arbeitnehmer laut einer DAK-Studie häufiger krank geschrieben.
Die Bayerische Rhön wirbt mit ihrer Kompetenz als Gesundheitsregion: In fünf Heilbädern, drei davon sogar Staatsbäder, erhoffen sich Menschen Heilung. Doch ausgerechnet die Gesundheitsregion selbst kränkelt: Laut einer Studie ist der Krankenstand nirgendwo in Bayern so hoch wie in den Landkreisen Bad Kissingen und Bad Brückenau: 4,2 Prozent der Arbeitnehmer sind hier im Schnitt krank, das bedeutet 15,3 Ausfalltage pro Jahr.
12 500 Versicherte als Grundlage Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) wertet jedes Jahr die Krankmeldung ihrer Versicherten aus. Rund 860 000 hat sie in Bayern, rund 18 000 in den beiden bayerischen Rhön-Landkreisen. "Davon haben etwa 12 500 einen Anspruch auf Krankengeld", sagt Wolfgang Flaig, Servicestellenleiter für die Region. Nicht in die Studie fließen also alle ein, die keine Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit bei der DAK abgeben, etwa Rentner oder Mini-Jobber.
Die Landkreise KG und NES waren bereits 2011 Spitze: "Wir haben den negativen Platz 1 leider behalten", lautet das wichtigste Ergebnis der Studie (siehe Info-Kasten). Dabei gibt es einen deutlichen Trend: "Die Krankheitsfallzahlen gehen erheblich nach unten, aber die Dauer nimmt zu", berichtet Flaig. In Zahlen: 4,7 Prozent der Erkrankten steuert 51,5 Prozent der Fehltage bei. Wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen haben im vergangenen Jahr die Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Während die Fallzahlen sogar leicht zurückgingen, verdoppelten sich die Fehltage von rund 17 auf rund 34 Tage.
Einen Rückgang gab es dagegen 2012 bei den psychischen Erkrankungen: Nach 36,2 Krankheitstagen in diesem Bereich 2011 waren es 2012 im Schnitt nur noch 32,6 Tage pro Jahr und Patienten. Dafür haben die Fallzahlen erneut leicht zugenommen. Selbst der leichte Rückgang ändert nichts am langfristigen Trend: Psychische Erkrankungen haben von 2000 bis 2012 um zwei Drittel zugenommen. "Es stellt sich natürlich die Frage, ob wir heute anders krank sind oder sich nur die Wahrnehmung geändert hat." Übrigens wird der viel zitierte Burn-out eher selten als Diagnose genannt: "Es wird acht Mal häufiger eine Depression als Burn-Out attestiert", sagt Flaig.
"Das kann ich nur bestätigen", wundert Harald Schüßler der traurige Rekord der Region nicht. Er ist Chef der Spedition Schüßler in Oberleichtersbach und beschäftigt 35 Leute. Wie allgemein in der Logistikbranche ist der Krankenstand bei ihm sehr hoch: 2010 und 2011 waren es noch rund fünf Prozent, 2012 stieg die Quote auf 7,78 Prozent, das bedeutet 28,4 Krankheitstage pro Mitarbeiter und Jahr. Tendenz steigend.
"Ich beschäftige alleine drei Mann, um die Krankheitszeiten auszugleichen", sagt Schüßler. Aber: "Wir kriegen keine Fahrer, weil die Leute fehlen, die bei der Bundeswehr den CI-Schein gemacht haben." 6000 bis 7000 Euro koste der Führerschein, bei Arbeitslosen werde er von der Agentur für Arbeit bezuschusst. Aber: "Wer will schon die ganze Woche unterwegs sein?", fehle danach oft die Motivation. Bis zu 3000 Kilometer reiße ein Brummi-Fahrer pro Woche runter. Dass sie sich dabei möglichst fit halten, dafür sorgt Schüßler durch Fortbildungen. Sein Tipp: "Man sollte bei jeder Rast was machen, und wenn man nur ein paar Schritte an der frischen Luft läuft."
Ausgerechnet das Gesundheitswesen hat laut DAK-Studie die höchsten Krankenstände, dicht gefolgt von der Logistik-Branche. Das erklärt zum Teil die schlechten Zahlen in der Region: 23 Prozent der DAK-Versicherten arbeiten in Kliniken und Praxen. Dazu gehören auch viele Beschäftigte der Heiligenfeld Kliniken: "Wir haben zirka 700 Mitarbeiter und liegen mit knapp unter fünf Prozent Krankenstand im branchenweiten Durchschnitt", berichtet Pressesprecherin Kathrin Schmitt. Das sind pro Mitarbeiter noch einmal rund drei Tage mehr als der hohe Durchschnitt der Region.
Das Unternehmen tut viel, um gegenzusteuern: "Wir sorgen aber mit einem komplexen Gesundheitsmanagement dafür, dass unsere anwesenden Mitarbeiter sehr engagiert und gesund sind", berichtet Kathrin Schmitt. Mitarbeiter, die zwar anwesend, aber auf Grund einer Krankheit eigentlich nicht leistungsfähig sind, gebe es nicht bei Heiligenfeld.
"Wir haben zum Beispiel einen Schulter-Nacken-Notdienst", berichtet Thorsten Stüwe, Leiter der Physikalischen Therapie. Soll heißen: Wenn jemand verspannt ist, ruft er an und wird massiert. Und das Angebot geht weiter: Selbst Kosmetik- und Fußpflege-Gutscheine können die Mitarbeiter während der Arbeit einlösen.
"Ich nutze das Fitnessstudio und das Schwimmbad im Haus", berichtet etwa Gesundheitsreferent Stefan Schneider. Auch vieles andere gehört dazu, etwa die Dusch-Möglichkeit für alle, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Bei Stefan Schneider jedenfalls geht das Konzept auf: "Ich arbeite seit drei Jahren hier und hatte noch keinen einzigen Krankheitstag", sagt der 44-Jährige.
Überblick In der Bundesrepublik ist der Krankenstand laut DAK von 3,9 Prozent (14,2 Tage) 2011 auf 3,8 Prozent (13,9 Tage) 2012 gesunken. Dagegen stiegen die Zahlen sowohl in der Region, als auch in ganz Bayern um jeweils 0,1 Prozentpunkte: in Bayern von 3,3 auf 3,4 Prozent, also 12,0 auf 12,4 Tage, in den Landkreisen Bad Kissingen und Bad Neustadt von 4,1 auf 4,2 Prozent, also von 15,0 auf 15,3 Krankheitstage im Jahr.
Erkrankungen In der Region sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems mit 26,9 Prozent häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Als Ursachen folgen Verletzungen (14,3 Prozent), Atmungssystem (11,8 Prozent), Psychische Erkrankungen (11,5 Prozent), Kreislaufsystem (6,5 Prozent), Verdauungssystem (5,7 Prozent), Nervensystem, Augen, Ohren (4,3 Prozent) sowie Infektionen und Neubildungen mit jeweils 4,2 Prozent.