Stefanie Hehn im Porträt: Eine Sommelière mit "Mmmh"-Effekt

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Zu Besuch an alter Wirkungsstätte: Stefanie Hehn bei ihrem früheren Chef Hermann Laudensack. Foto: Benedikt Borst
Zu Besuch an alter Wirkungsstätte: Stefanie Hehn bei ihrem früheren Chef Hermann Laudensack. Foto: Benedikt Borst

Stefanie Hehn gehört zu Deutschlands besten Sommelièren. Jetzt wurde die Nüdlingerin im "Gault & Millau" ausgezeichnet.

Stefanie Hehn trägt ihre Haare offen, als sie ihre alte Wirkungsstätte in der Kurhausstraße besucht. Im Gesicht sitzt eine moderne Brille mit schwarzen Rahmen und großen Gläsern, die Ärmel ihres rostroten Oberteils hat sie bis über die Ellenbogen nach oben geschoben. Die 33-jährige tritt bodenständig, bestimmt und sympathisch auf. Junge Frau vom Land mischt die Spitzengastronomie in der Großstadt auf. Hehn arbeitet in einem Hamburger Luxushotel als Chef-Sommelière, die Hamburger Morgenpost betitelte sie vor Kurzem als "Weinkönigin aus Hamburg".

Ausgesuchte Weine und gehobenes Essen gehören für die Nüdlingerin untrennbar zusammen. "Ein Wein macht nur in Verbindung mit der richtigen Speise Sinn", sagt sie. Wenn der Kellner dem Gast einen Teller serviert, müsse es als Reaktion ein anerkennendes "Wow" geben. Kommt dann der passende Wein dazu, sollte ein sinnlich gehauchtes "mmmh lecker!" schon drin sein. Zumindest ist das das Ziel. Hehn: "Dieses ,Mmmh lecker' ist für mich der höchste Superlativ, wenn etwas schmeckt. Das sagt man schon als Kind so." Als Fachkellner für Getränke kennt sie sich übrigens nicht nur mit Weinen aus, sondern auch mit Spirituosen wie Gin und Whiskey und antialkoholischen Säften und Tees.

Ihre Gastro-Philosophie kommt nicht nur bei Gourmets an , sondern auch bei Kritikern: 2011 war sie die beste jüngste Sommelière des Jahres, 2014 zeichnete "Der Feinschmecker" sie als beste ihres Berufsstandes aus. Vor kurzem dann der Ritterschlag: Der einflussreiche Restaurantführer "Gault & Millau" ehrte sie als Deutschlands Sommelièr des Jahres 2018, für ihren "großen Sachverstand, [...] Feingefühl und Charme".

Durchsetzen gegen die Eltern

Als Schülerin besuchte Hehn die Wirtschaftsschule in Bad Neustadt, auf Drängen ihrer Eltern. Denen wäre eine kaufmännische Ausbildung lieber gewesen. Dass es die Tochter in die Gastronomie zog, war nicht ganz nach dem elterlichen Geschmack. "Mir hat das aber Spaß gemacht. Ich habe mir immer vorgestellt, was man in der Gastronomie machen kann", sagt Hehn. Als Schülerin jobbte sie nebenher und schenkte während der Konzertpausen im Regentenbau Sekt, Wein und Champagner an die Besucher des Kissinger Sommers aus. Auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle hat sie sich verschiedene Branchen angeschaut. "Teilweise habe ich Vorstellungsgesspräche manipuliert, damit ich nicht genommen werde. Ich wollte unbedingt in die Gastronomie."

Das tat sie dann auch, wenn gleich der Start gehörig holperte. Hehn landete in einem Großbetrieb. Mit der Massenabfertigung dort kam sie nicht zurecht, "wollte fast hinzuschmeißen". Über eine Freundin kam der Kontakt zu Bad Kissingens Sternekoch Hermann Laudensack und seinem Parkhotel zustande. Das war 2005. "Er brennt für die Gastronomie. Die Art und Weise wie er mir etwas vermitteln wollte, ist besonders", lobt sie ihren früheren Chef. In Bad Kissingen bekam sie als Servicekraft nicht nur die Grundlagen eines Sternerestaurants mit, sondern hatte von Anfang an Kontakt mit dem - heute - 200 Positionen umfassenden Weinkeller des Romantikhotels. "Wir hatten schon beim Vorstellungsgespräch darüber gesprochen, dass Wein und Essen zusammengehört", erzählt sie.

Nach ihrer Ausbildung lernte sie deutschlandweit Spitzenrestaurants und -hotels kennen, arbeitete in Stuttgart und in Warnemünde, in Königstein und auf Burg Schwarzenstein im Rheingau. "Bad Kissingen ist meine Heimat, und wird es auch immer bleiben", sagt sie. Momentan ist Hamburg ihr zu Hause. "Als Sommeliere sollte man mit dem Wohnort flexibel bleiben, sonst kommt man nicht weiter. Ich habe gelernt, dass ich, wenn ich offen durchs Leben gehe, immer die besten Möglichkeiten bekomme." 2008 merkte Hehn, welch großen Wert Gäste auf eine gute Weinberatung legen. "Da bin ich an meine Grenzen gestoßen." Sie bildete sich fort, arbeitete in ihrer Freizeit auf einem befreundeten Weingut mit, lernte die Arbeit im Weinberg, an Abbeeranlagen und chemische Analysen im Winzerkeller kennen.

Seit 2009 ist sie IHK-geprüfte Sommelière, 2015 legte sie die dritte Prüfung für das "Advanced Level" am "Court of Mastersommeliers" in London ab.

Keine Weine aus dem Saaletal

2017 wechselte die Nüdlingerin vom Tegernsee an das Hamburger Fünf-Sterne-Plus Hotel "The Fontenay". Ihre Aufgabe dort: Einen Weinkeller mit 400 Positionen von Null an aufbauen. Auf der Karte stehen Weine aus der ganzen Welt, der Schwerpunkt liegt allerdings auf Europa. "Ich musste mir überlegen, wie viel Platz bekommen deutsche Weine, wie viel Champagner brauche ich, was brauche ich aus Frankreich, Spanien und Portugal", erklärt die Top- Sommelière. Sie wählte Weine aus, die die Charakter der Anbaugebiete repräsentieren.

Ein Wein schafft es nur in Hehns Sortiment, wenn er in einer Blindverkostung überzeugt. "Ich kaufe keine Weine aus freundschaftlicher Verbundenheit", sagt sie, in dem Moment knallharte Betriebswirtin. Aus wirtschaftlicher Sicht ist Wein gebundenes Kapital, das es zu verkaufen gilt. Sämtliche Weine sind trinkreif und müssen nicht erst noch Jahre gelagert werden. Weinleichen, die vom Gourmet verschmäht im Keller verstauben, sieht sie als Desaster. Ein gutes Dutzend Frankenweine und Bocksbeutel werden im Fontenay angeboten, aus dem Saaletal ist bislang keiner dabei.

Ihren Geschmackssinn trainiert die Sommelière täglich in ihrer Garage. Dort hat sie mehr als 400 Weine gelagert. Wenn sie einen Gast berät, verwendet sie Wörter, die jeder versteht. Schließlich soll jeder in der Lage sein, die besonderen Aromen herauszuschmecken. "Erkennen kann das jeder, wenn man es ihm sagt. Ich mache keine Doktorarbeit aus dem Thema Wein. Die Leute sollen Spaß daran haben und keine Panik kriegen, wenn die Weinkarte gereicht wird." Sie will den Gästen, gerade den jungen, die Distanz zum Thema Genuss nehmen. Hauptsache, am Ende stimmt der "Mmmh"-Effekt.