Er konnte sich auf das Auto knien. "Dann versuchte ich, unter Wasser die Beifahrertür zu öffnen. Die hat sich keinen Millimeter bewegt." Er rief Lukas Stark zu, dass er etwas brauche, um ein Fenster zu zertrümmern. Lukas Stark holte seinen Schlagstock, ging ins Wasser, "ich habe die Kälte nicht wahrgenommen". In der gleichen Zeit hatte ein Feuerwehrmann Michael Simon bereits einen schweren, faustgroßen Schäkel zugeworfen. "Damit wollte ich unter Wasser das Fenster zertrümmern." Dass er sich dabei blutige Kratzer an beiden Händen zuzog, bemerkte er erst später. Aber er konnte da ertasten, dass das Beifahrerfenster bereits durch den Unfall zu Bruch gegangen war.
Feuerwehr mit Seilwinde
Für Michael Simon stand fest: "Da tauch ich jetzt durch." Doch in dem Moment war die Feuerwehr Oerlenbach dabei, ihren Plan umzusetzen: Sie hatten in der Zwischenzeit ein Abschleppseil um ein Rad geschlungen und begannen, mit einer Seilwinde das Wrack aus dem Tümpel zu ziehen. Michael Simon und Lukas Stark schwammen ans Ufer.
Michael Simon: "Ein Feuerwehrler öffnete die Tür griff durch die zerbrochene Scheibe ins Fahrzeuginnere, zerschnitt den Gurt. Erst da sah ich, dass es sich um eine Frau handelte." Leblos. "Sie ist in meinem Alter. Ich ging zu diesem Zeitpunkt offen gestanden davon aus, dass es schlecht um sie steht." Hoffentlich, so dachte er später, hat sie keine Kinder. Michael Simon ist selbst Vater zweier Kinder.
"In mir war nichts außer Frust"
Lukas Stark stand wie Simon tropfnass am Ufer. "In mir war nichts außer Frust." Frust, Hilflosigkeit Enttäuschung darüber, dass sie der Frau offenbar nicht helfen konnten, "ich dachte ja, es sei zu spät". Diese Hilflosigkeit, sagt er später, vergesse er nicht. "Du willst was tun, weißt aber nicht, ob es die beste Lösung ist - aber irgendeine muss her. Und die muss auch Erfolg haben."
Dann geschah ein kleines Wunder: Die Reanimation gelang, die Frau wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht.
Bis dahin blieben die Beamten Zeugen, waren im Arbeitsmodus mit nassen Klamotten. Auch deshalb, um die Szenerie später dem Sachbearbeiter zu schildern, wenn das Drama ein Aktenzeichen bekommt.
Auf der Dienststelle begann mit dem Erzählen auch die Verarbeitung. Als Michael Simon viel später als üblich nach Hause kam, schilderte er seiner Frau nur das Nötigste. "Ich versuche immer, allzu negative Dinge von meiner Familie fern zu halten." Ein Bedürfnis zu reden hatte er auch nicht. "Ich verarbeite das lieber für mich, auch wenn uns unser Chef natürlich Hilfe von Experten angeboten hat."
Wieder und wieder durchgespielt
Der nächste Tag begann mit der Frühschicht, der Wecker klingelte um 5 Uhr. In der Nacht darauf hat er nur ein paar Stunden geschlafen. "Ich habe alles im Kopf wieder und wieder durchgespielt. Aber viel anders hätten wir es nicht machen können." Aber er denke immer wieder darüber nach, "ob ich nicht ein bisschen schneller hätte sein können? Hätte ich es nicht schaffen können, noch im Wasser den Gurt durchzuschneiden und so die Frau schneller retten können? Das wird für mich immer ein Rätsel bleiben."
Teil einer hervorragenden Rettungskette
Er und sein Kollege werden nicht müde zu betonen, dass sie nur ein Teil einer hervorragend eingespielten Rettungskette gewesen sind: "Es waren die Feuerwehrler, die das Auto mit der Frau rausgezogen haben und die Angehörigen des Rettungsdienst, die sie erfolgreich reanimiert haben."
Dass sie nun viel Lob erfahren, von ihrem Chef Stefan Haschke, aber auch von anderen Dienststellen und Kollegen und Kolleginnen, tue gut. "Aber es ist sehr schwer, damit umzugehen", sagen beide. Und: Als Helden sähen sie sich nicht.
Das sehen Außenstehende wohl anders, wie Dienststellenleiter Stefan Haschke. "Ihr habt etwas heldenhaftes getan." Michael Simon und Lukas Stark haben seit dem Unfall "ein großes Bedürfnis zu wissen, wie es der Frau geht." Stand Montag, 14. Februar 2022, hat sich ihr Zustand nicht verändert, sie schwebte nach wie vor in Lebensgefahr. Michael Simon und Lukas Stark: "Wir wünschen ihr schnelle und vollständige Genesung."