Statistiken lügen nicht. 21 Spiele haben die Haarder in dieser Saison gewonnen, erst zwei verloren. So eine Bilanz kann sonst niemand aufweisen.
Wenn man so will, war die SpVgg Haard im Sommer 2010 an der Talsohle angekommen. Die Mannschaft hatte gerade ihr zweites Jahr in der B-Klasse hinter sich, nachdem man 2005/06 aus der Kreis- und zwei Runden später auch aus der A-Klasse abgestiegen war. Doch mit dem Spieljahr 2010/11 machten die Grün-Weißen sich auf den Rückweg. 2012 kehrte man zurück in die A-Klasse, scheiterte als Aufsteiger in der Relegation zur Kreisklasse. Noch bitterer: Erst im Elfmeterschießen verlor die Spielvereinigung gegen Weichtungen. Doch aus Niederlagen zieht man Kraft. Und so kehrt die SpVgg Haard mit eindrucksvoller Willenskraft und Konstanz nach acht Jahren zurück in die Kreisklasse. "Wir konnten die Liga nach dem ersten Jahr schon ganz gut einschätzen und wollten oben mitspielen", meint Trainer Thomas Wäcke.
"Dass es dann aber so eine Runde wird, das war nicht abzusehen." Der 43-Jährige schwingt seit der Saison 2012/13 das Zepter bei der Spielvereinigung und ist eigentlich ein waschechter Nüdlinger. Als Spieler und Trainer verbrachte Wäcke seine gesamte fußballerische Laufbahn beim direkten Nachbarn. Ein Nüdlinger als Chef in Haard - kann das überhaupt funktionieren? "Natürlich. Das ist nicht mehr wie früher", lacht Kapitän Daniel Kerber, und Abteilungsleiter Waldemar "Wosab" Schmitt präzisiert. "Auf dem Platz geht es zur Sache, aber man kennt sich ja. Hinterher sitzen wir gerne zusammen."
Einen kleinen Seitenhieb kann man sich dann aber doch nicht verkneifen. "Auf jeden Fall hatten wir das Nüdlinger Sportheim diesmal im Griff." Und nicht nur in der dritten Halbzeit hatten die Haarder die Nase vorne. "Die beiden Derbysiege waren schon die Highlights der Saison", berichtet Mario Hillenbrand mit einem breiten Grinsen.
Der 18-Jährige steht erst seit dieser Saison im Aktiven-Kader und hat sich vor der Abwehr zu einer festen Größe entwickelt.
Entwickeln musste sich auch die Mannschaft erst einmal. Holprig kam man aus den Startlöchern, siegte auswärts beim TSV Münnerstadt II mit 1:0 und unterlag eine Woche später mit 0:1 beim TV Jahn Winkels. Später sollte man über diese Niederlage lachen können, sollte sie doch die letzte bis Mitte März gewesen sein, während die Winkelser nach dem Erfolg 18 Spiele in Folge ohne Dreier blieben. "Da habe ich einfach falsch aufgestellt", lacht Wäcke, bestritt der ehemalige Spielertrainer doch just in Winkels sein einziges Saisonspiel. Doch die Niederlage hatte gewissermaßen heilende Wirkung auf die Mannschaft. Von nun an sollte eine beispiellose Siegesserie folgen. Bis zur Winterpause ließ die SpVgg keinen einzigen Zähler mehr liegen.
"Es klingt vielleicht abgedroschen, aber wir haben wirklich von Spiel zu Spiel gedacht", berichtet Wäcke, dessen Mannschaft den neunten Spieltag als Knackpunkt betrachtet. "Wir mussten stark ersatzgeschwächt gegen Merkershausen ran, die zu diesem Zeitpunkt Tabellenführer waren", berichtet Abwehr-Haudegen Jürgen Schönig - der 47-Jährige kickt seit 1984 für die SpVgg. "Dann haben wir mit 4:2 gewonnen und es wurde immer realistischer, auch oben zu bleiben", ergänzt der nicht einmal halb so alte Oliver Hillenbrand. Der Mittelfeldspieler zählt erst 22 Lenze.
Just diese Mischung verschiedener Charaktere macht die Haarder so stark. "Wir sind auch außerhalb des Platzes alle miteinander befreundet", so Mario Hillenbrand. Toptorjäger Tom Schulz kam 2010 aus Leipzig nach Bad Kissingen und spielt seitdem nicht ohne Grund für die SpVgg.
"Es geht hier einfach sehr familiär zu, das macht den Verein aus." In Haard wird Wert auf Gemeinschaft und Teamgeist gelegt. "Es gehört sich einfach, nach den Spielen zusammen im Sportheim zu sitzen. Egal, ob zu Hause oder auswärts", so Kerber. Der 32-jährige Spielführer ist gemeinsam mit Jürgen Schönig einer der wenigen verbliebenen der letzten Haarder Kreisliga-Mannschaft aus der Saison 2001/02. Die Erfahrung hilft heute, die junge Mannschaft auf und neben dem Platz zu führen - gerade, wenn es nicht so rund läuft.
Denn auch diese Zeiten erlebten die Haarder in dieser Saison. "Die Wintervorbereitung war nicht gut", so Trainer Wäcke. "Wir haben in den Testspielen nur auf die Mütze bekommen. Die Einstellung der Jungs war nicht gut, aber das kommt bei einer jungen Mannschaft vor." Die Quittung bekam man mit der ersten Niederlage seit dem Spiel in Winkels.
Direkt nach der Winterpause setzte es mit dem 0:2 gegen Bad Neustadt II die erste Heimniederlage der Saison.
"Das Spiel war wichtig für uns. Die Mannschaft hat gesehen, dass wir auf der Hut sein müssen." Selbstkritisch ist man im jungen Kader ohnehin. "Ich weiß selbst nicht so recht, woran es gelegen hat", erzählt Oliver Hillenbrand. "Vielleicht dachten wir wirklich, es geht schon einfach so weiter wie in der Hinrunde." Vier Punkte holten die Haarder aus den ersten drei Spielen in 2014 - glücklicherweise mit dem 3:1 in Nüdlingen als Stimmungsaufheller. "Dann war Mer kershausen schon wieder der Knackpunkt", erzählt Hillenbrand weiter. Diesmal gewann die Spielvereinigung auswärts mit 5:0.
Mit diesem Erfolg war sie wieder da, die Leichtigkeit, die die Mannschaft so stark gemacht hatte. Und mit der ging es ins Heimspiel gegen den FC Strahlungen II. Dem klaren 3:0-Sieg folgten erste Unklarheiten.
"Einige Zuschauer sind nach dem Spiel auf den Platz gestürmt und meinten, das würde jetzt reichen und wir sind Meister", lacht Waldemar Schmitt. "Wir haben zwar schnell gemerkt, dass uns noch ein paar Punkte fehlen, aber gefeiert haben wir trotzdem - wenn auch noch nicht den Titel." Schmitt ist ohnehin vorsichtig, hat schon viel erlebt. "Bei den ganzen Regeländerungen und Statuten bin ich mir erst sicher, wenn uns niemand mehr so viele Punkte holen kann wie wir. Deshalb sind wir für mich erst seit dem Spiel gegen Bad Kissingen Meister."
Tatsächlich aber stieg die erste Titelfeier schon nach dem 4:2 bei der SG Seubrigshausen/Großwenkheim. "Nach diesem Sieg waren wir wegen des direkten Vergleiches durch", erzählt Wäcke.
Und so haben die Haarder jetzt schon drei "Meisterfeiern" auf dem Konto - die verfrühte nach dem Strahlungen-Spiel, die angebrachte nach dem Sieg in Seubrigshausen und die verspätete nach dem Heimsieg über Bad Kissingen. "Wir feiern momentan sowieso jedes Wochenende, da ist das auch egal", so die Hillenbrand-Brüder unisono.
Man merkt den Haarder Kickern die Freude an. Sowohl über das Erreichte, als auch auf das, was kommt. "Wir wollen in der Kreisklasse ebenfalls versuchen, Fußball zu spielen", so Wäcke, der in der neuen Saison mit Viererkette spielen möchte. Dafür kommen die drei verbleibenden "Freispiele" wie gerufen. "Es ist schwer, das im Training einzuüben, zumal wir meist nicht komplett sind. Deshalb lasse ich es einfach spielen."
Offen für Neues müssen die Haarder ohnehin sein. "Ein großes Problem ist, dass wir keine eigene Jugendabteilung mehr haben.
Unsere Spieler sind bei anderen Vereinen wie Hausen, Nüdlingen oder Winkels untergebracht. Viele bleiben dann auch dort", erzählt Schmitt. "Deshalb müssen wir die Augen nach Verstärkungen von außerhalb immer offen halten, ohne das Mannschaftsgefüge ständig durcheinander zu wirbeln. Prinzipiell ist es natürlich auch schwer, Spieler in unsere Klassen zu holen", ergänzt Wäcke - ein schmaler Grat für den rund 400 Mitglieder starken Verein.
Doch bislang kommt man mit der Situation gut zurecht. Auch eine zweite Mannschaft ist seit dieser Runde im Spielbetrieb, steht in der B-Klasse auf Anhieb im oberen Drittel. "Der Unterbau ist wichtig. Bei uns ist generell einmal jeder willkommen", wirbt Schmitt für seinen Verein, dessen kommendes Kreisklassen-Jahr keine Eintagsfliege werden soll. "Das Ziel lautet natürlich Klassenerhalt.
Wichtig ist unser Zusammenhalt, schließlich kann es auch passieren, einmal ein paar Spiele in Folge zu verlieren", sagt Thomas Wäcke. Das sieht "Wosab" anders. "Damit fangen wir erst gar nicht an. Wir gewinnen einfach weiter." Allgemeines Gelächter. Familiär und sympathisch, diese Haarder - es gab sicherlich schlechtere Zeiten bei der Spielvereinigung.
Treffsicher: Nicht nur, dass die Haarder mit bislang 74 Toren den besten Angriff der Liga stellen, auch der Toptorjäger kommt aus den Reihen der Spielvereinigung. Schon 24 Mal traf Tom Schulz ins Schwarze.
Bollwerk: Wenn tatsächlich der Angriff die Spiele, die Verteidigung aber die Titel gewinnt, muss die SpVgg Haard unschlagbar sein.
Zur besten Offensive gesellt sich die beste Defensive - erst 23 Gegentore.
Serientäter: Nach dem Stolperstart (1:0 in Münnerstadt, 0:1 in Winkels) folgte die Traumserie: 15 Siege in Serie feierten die Haarder, blieben von Ende August bis Mitte März ohne Punktverlust.
Haarder Kurve: Mathematikern ist sie noch kein Begriff, doch mit erstaunlicher Präzision begingen die Haarder ihre Kreisklassen-Rückkehr. Nach dem Abstieg 2005/06 spielte man zwei Jahre A-Klasse, vier Jahre B-Klasse und vor der diesjährigen Meisterschaft noch einmal zwei in der A-Klasse - jetzt soll die Kurve nicht zur Welle werden.
Fairer Gewinner: Die Haarder machen es spielerisch. Unnötige Härte: Fehlanzeige. Die beste Mannschaft der Liga ist auch die fairste: nur 30 Verwarnungen, dazu eine Ampelkarte wurden verhängt. Dass es auch anders geht, zeigt der Nachbar aus Nüdlingen: 72 Gelbe, fünf Gelb-Rote, zwei Rote Karten.