Fußball-WM im Winter: Der Kommerz schlägt den Sport

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Public Viewing im Jahr 2022? Fußballfans sitzen in einem Biergarten, Der Sonnenschirm dient allein dem Regenschutz. Foto: Thomas Frey/dpa
Public Viewing im Jahr 2022? Fußballfans sitzen in einem Biergarten, Der Sonnenschirm dient allein dem Regenschutz. Foto: Thomas Frey/dpa

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar soll jetzt im Winter stattfinden. Eine Idee der Fifa um Präsident Sepp Blatter, die bei den meisten Aktiven und Funktionären der Region auf Ablehnung stößt.

Der Kaiser als Wahrsager: "Dann spuits halt im Winter", hatte Franz Beckenbauer halb im Spaß und halb im Ernst gesagt, als Katar als Austragungsort für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 feststand. Eine Aussage, die einst müde belächelt wurde. Aus der Fata Morgana wird jetzt ein reales Szenario. Ende November soll das Turnier beginnen, einen Tag vor Heiligabend das Finale stattfinden. Wir hörten uns bei Funktionären, Fußballern, aber auch Hallensportlern um.

Jürgen Pfau (BFV-Bezirksvorsitzender Unterfranken): Wie genau sich eine WM in der Vorweihnachtszeit auch auf den Amateurfußball in unserer Region auswirken wird, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Zum einen müssen wir erst einmal abwarten, wie sich der Profibereich im DFB darauf einstellen wird und abhängig davon dann gegebenenfalls auch unsere Spielpläne etwas anpassen.
Auf der anderen Seite erwarte ich aber gar keine so großen Beeinträchtigungen in unseren Amateurligen, da wir normalerweise sowieso ab Anfang Dezember unsere Winterpause haben. Mit einer Vorverlegung um zwei Wochen sollten wir mögliche Terminkollisionen vermeiden können.

Manuel Rützel (Spielertrainer FC Obereschenbach): Geld regiert nun mal die Welt. Und ein WM-Finale unter dem Christbaum ist bestimmt nicht so interessant wie im Sommer. Außerdem finde ich, andere Länder hätten eine Fußball-Weltmeisterschaft eher brauchen können in wirtschaftlicher Hinsicht. Was die Entwicklung der Infrastruktur betrifft, hat Brasilien bestimmt von der Vergabe profitiert. Was das jetzt an Verlegungen und Kosten nach sich zieht, ist doch total unnötig. Aber das entscheidet ja die Fifa und nicht der Fan. Die, die das meiste Geld hinlegen, bestimmen den Weg. Wenn bei den nächsten Wahlen Fifa-Präsident Sepp Blatter abgewählt wird, dann ändert sich vielleicht etwas.

Stephan Penquitt (Trainer VfR Sulzthal): Prinzipiell finde ich die Verlegung nicht gut. Dadurch, dass die Weltmeisterschaft immer im Sommer war, gab es viele Fan-Feste. Im Großen in Berlin oder im Kleinen wie beim VfR Sulzthal mit 200 Zuschauern. So was hat auch das Dorf zusammengeführt. In einer Turnhalle im Winter würde das Flair verloren gehen. Man wollte die Stadien ja runterkühlen. Wenn das möglich gewesen wäre, hätte man das machen sollen. So finde ich das doof. Prinzipiell finde ich Katar als Ausrichter sowieso fraglich, weil hier offensichtlich nur das Geld regiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das für die Fans so prickelnd wird. Bei der Handball-WM hat man ja schon leere Hallen gesehen und komische Geschichten mitbekommen.

Florian Erhard (Spieler und Abteilungsleiter TSV Rannungen): Über diese Thematik habe ich mir noch nicht allzu viele Gedanken gemacht. Aber die Verlegung finde ich nicht gut, da ändert sich ja alles, auch im Amateurbereich. Und die Umsetzung all dieser Änderungen wird sich bestimmt über zwei Jahre hinziehen. Und bei einer WM im Winter ist das Feeling aus Sicht des Fans natürlich ein ganz anderes. Ganz ehrlich, so eine WM gibt man nicht in solche Länder.

Jochen Haberle (Trainer TSV Reiterswiesen): Ich bin absolut gegen eine Verlegung der WM in den Winter. Es war doch schon im Vorfeld klar, dass die Temperaturen im Sommer hoch sind. Es gibt Rahmenterminpläne, die einzuhalten sind. Anderen Sportarten gegenüber ist das total unfair, da geht viel Aufmerksamkeit verloren. Ich finde es richtig, dagegen vorzugehen wie es Karl-Keinz Rummenigge und Reinhard Rauball tun. Außerdem sind in der Weihnachtszeit die Prioritäten einfach andere. Das alles ist Nonsens. Das hat alles ein Geschmäckle.

Alex Hüfner (Sportchef FC Thulba): Dass mir die Verlegung der WM in den Winter widerstrebt, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es die Tatsache, dass ein übergeordnetes und scheinbar durch und durch korruptes Gremium, das vor lauter Kommerz das wesentliche am Fußball übersieht, eine Entscheidung ausschließlich aus kommerziellen Gründen über die Köpfe der Beteiligten trifft. Wobei man erwähnen sollte, dass die betroffenen Vereine den finanziellen Gedanken als erstes Gegenargument anbringen und jetzt finanzielle Ausgleichszahlungen fordern. Wer ist also schlimmer... Zum anderen geht es mir total gegen den Strich, dass es nur eine Frage des Geldes ist, wie, wo und zu welchem Zeitpunkt man eine derartige Veranstaltung für sich gewinnen kann. Dass es um Fußball geht, steht hinten an. Wann und wo gespielt wird, ist doch egal. Wichtig ist, dass gespielt wird. Ob ich im Sommer in kurzen Hosen mein Bierchen in der Kneipe trinke oder im Winter im Pullover - wen interessiert es denn wirklich? Der traditionsreiche Boxing-Day in England am 2. Weihnachtsfeiertag fällt zum Beispiel flach aufgrund der Allmacht der Fifa und eines Herrn Blatter. Und der Fokus auf die Wintersportarten entfällt. Da wird sich dann niemand mehr dafür interessieren. Schade, dass ausschließlich der Funktionär entscheidet.

Klaus Sieß (Handball-Trainer FC Bad Brückenau): Ich gönne jedem Land, das sich bewirbt, die Zusage für solch eine Weltmeisterschaft. Auch den kleineren Ländern. Was die klimatischen Umstände angeht, hätte man sich natürlich eher Gedanken machen sollen. Was den Handballsport angeht, sehe ich allenfalls Probleme für die unterklassigen Vereine. Aber auch da gilt abzuwarten, wann die deutsche Mannschaft spielt. In Handball-Hochburgen wie beim THW Kiel wird das alles keine Rolle spielen, da haben die Zuschauer ihre Dauerkarten und gehen so oder so zum Handball. Insgesamt sehe ich das alles sehr gelassen.

Björn Weber (Basketball-Trainer SG Oerlenbach): Die Verlegung finde ich nicht besonders gut, da wird alles durcheinandergeschmissen. Gerade in medialer Hinsicht ist doch eh schon alles nach dem Fußball ausgerichtet. Aus Sicht des Fußball-Fans ist das ein großer Traditionsbruch. Und aus Sicht des Basketball-Fans werden sicher einige Zuschauer zum Fußball umschwenken, was die Profi-Vereine im Basketball spüren könnten. Und das hat womöglich wieder Auswirkungen auf die Sponsoren. Überrascht hat mich die Verlegung allerdings nicht. Das Runterkühlen von Stadien im Sommer wäre ja ein Irrsinn gewesen.

Tado Karlovic (Volleyball-Trainer TV/DJK Hammelburg): Wenn man in so ein Land eine Fußball-Weltmeisterschaft vergibt, sollte man sich weniger Gedanken um die Jahreszeit machen. Sondern darum, dass die Spielstätten mit Arbeitssklaven gefertigt wurden und der WM-Pokal dieses Mal einige Menschenleben gekostet hat. Die Fifa wird machen, was sie auch immer will. In Westeuropa und Nordamerika sind leichte Proteste vorhanden, aber die sind vielleicht genau so heuchlerisch wie meine Worte, wenn man bedenkt, dass unser Wohlstand zur Zeit auch mit viel Sklavenarbeit in Asien oder Afrika verschönert wird.

Joachim Car (Tischtennis-Bezirksvorsitzender: Ich verstehe den ganzen Hype nicht. Wir haben noch sieben Jahre Zeit. Wir kennen ja nicht einmal die Anstoßzeiten. Daher mache ich mir über meinen Sport keinerlei Gedanken. Ich bedauere höchstens die Fußballfans, die sich Katar nicht leisten können und bei Schmuddelwetter kaum zum Public Viewing gehen. Wenn es mal so käme, dass ein Spiel der deutschen Mannschaft auf einen Tischtennis-Spieltag fällt, sind wir flexibel genug, Spiele entsprechend zu verlegen. Gedanken machen wir uns vielleicht ab dem Jahr 2021, wenn der Spielplan vorliegt. Immer nur Fußball - das alles ist doch übertrieben, wenn sogar die Griechenland-Krise in den Hintergrund rückt.

Emmanuel Papadopoulos (Bad Kissinger Gastronom): Unsere kleine Fan-Meile gibt es seit 1998. Und diese Fußball-Party wird jetzt fehlen. Das ist schlimm für mich, schlimm für die Gäste und schlimm für die Fußball-Begeisterung. Dieses Gemeinschafts-Gefühl wird verloren gehen. Zudem wird mein Umsatzverlust sehr groß sein. Draußen hatten wir bis zu 150 Plätze, drinnen haben wir nur die Hälfte zur Verfügung. Ich hatte bis zum Schuss gehofft, dass die Fußball-Nationen sich dagegenstellen. Aber es geht halt ums Geld. Schlimm, wenn der Sport käuflich wird. Ich fühle mich verärgert und machtlos.

Facebook-Einträge: Ingeborg Wende findet, "Public Viewing in der Adventszeit am Glühwenstand ist wohl ein Witz vor Weihnachten. Hat Katar so viel Geld geboten oder ist Herrn Blatter der Wüstensand nicht bekommen?" Auch Dani Schmitt flüchtet in den Galgenhumor: "Ich finde es klasse, dass die gerade noch rechtzeitig gemerkt haben, dass es in Katar im Sommer bis zu 50 Grad heiß werden kann."