Mit viel Fleiß erkämpfte sich der Hammelburger Schütze den Europameistertitel mit der Mannschaft. Dabei half ihm auch eine ungewöhnliche Eigenkonstruktion.
Die Bedingungen für Bernhard Kreps könnten an diesem Abend nicht besser sein: Temperaturen von 25 Grad und Windstille. Auf dem freien Schießstand unter der Brücke der Bundesstraße 287 zwischen Hammelburg und Pfaffenhausen trainiert der 59-Jährige das Armbrustschießen für die nächsten deutschen Meisterschaften, die in drei Wochen stattfinden. Doch nach dem Wetter wird generell nicht gefragt beim Mitglied der Königlich privilegierten Schützengesellschaft von 1462 Hammelburg. "Im Wettkampf ist das Wetter egal, der Wettkampf muss stattfinden. Bei der diesjährigen Europameisterschaft hatten wir zwei Tage lang nur Regen gehabt. Doch wir waren clever; wir haben ein ganz leichtes Dach aus Kunststoff über die Armbrust gebaut. Das hatte den Vorteil, dass die Pfeilbahn trocken geblieben ist", sagt Kreps.
Die ovale Eigenkonstruktion kam bei der diesjährigen Europameisterschaft in der Schweiz das erste Mal zum Einsatz, bei der Bernhard Kreps mit der Mannschaft in der Seniorenklasse den Titel holte.
Spezialisten in Hammelburg
Der Gräfendorfer, der über seinen Vater 1971 zum Luftgewehrschießen kam, las Ende der 80er Jahre in einem Bericht der Schützenzeitung, dass eine deutsche Mannschaft bei den Weltmeisterschaften im Armbrustschießen in Schweden teilgenommen hatte. "Es gab auch eine Adresse, bei der ich Kontakt aufgenommen habe. Ein Jahr später habe ich meine erste Armbrust bekommen", so Kreps. "Armbrustschießen ist ein Zwitter aus Bogen- und Luftgewehrschießen. Die Kombination ist bei uns in Hammelburg ideal", sagt er. Denn man braucht die Technik zum Schießen von Haus aus.
Da es im Verein viele Spezialisten des Bogenschießens gibt, konnten diese Kreps beibringen, wie man den Bogen am besten aufspannt, welche Spannhöhe man nimmt und wie die passenden Pfeile eingelegt werden. Trotz dieser Vorteile und der Erfahrung, die man bereits durch das Bogenschießen hat, dauert es sehr lange, bis man zum ersten Mal die richtigen Ringe trifft. Auch bei Kreps hat es ein gutes halbes Jahr gedauert, bis die Abstimmung gepasst hat. Die Armbrust allein wiegt sieben Kilo und man trägt nur legere Sportkleidung. Hilfsmittel wie eine Schießhose zum Stabilisieren des Anschlags ist nicht erlaubt; das Gewicht wird mit der Hüfte gestemmt. Bis man bei sicherem Stand die nötige Konzentration erlangt, um einen Schuss abzugeben, dauert es seine Zeit.
Doch nicht nur Konzentration und Geduld ist für die Ausübung dieses Sports wichtig, "sondern auch ein freier Kopf.
Wer mit einem vollen Kopf oder gar Aggressionen zum Schießstand geht, wird nichts treffen", erklärt Kreps. Und gibt einen Tipp, wie man sich am besten vorbereitet: "Wenn man im Training bereits versucht, jeden Schuss wie im Wettkampf abzugeben, sich also im Training schon in Wettkampfverhältnisse hineindenkt, dann kriegt man das auch in Stresssituationen wieder hin." Er selbst bereitet sich auf Turniere wie auf ein Projekt vor. Drei Monate vorher beginnt er sein Training, ist etwa dreimal die Woche am Schießstand. "Wenn es gut läuft, bleibt's dabei, wenn es nicht gut läuft, bin ich manchmal auch jeden Tag da", so Kreps. In dieser Phase hat er natürlich nicht viel Zeit für anderes. "Deswegen ist es ein Projektdenken für mich. Jetzt ist die Europameisterschaft vorbei, jetzt lasse ich das Training wieder ein bisschen schleifen.
Dafür bin ich Amateur", sagt der 59-Jährige, der einen Vollzeitjob bei der Erdfunkstelle in Fuchsstadt hat.
Zwar ist Armbrustschießen nur sein Hobby, doch handhabt er dies so gar nicht amateurhaft. Bernhard Kreps besorgt sich alle Ersatzteile, die man für die Waffe benötigt, mindestens dreimal, um im Notfall ausgerüstet zu sein. "Wenn man sich mit der Mannschaft im Wettkampf befindet, wäre es den anderen gegenüber unfair, wenn man defekte oder unsauber funktionierende Teile nicht sofort austauschen könnte", erklärt Kreps. Eine Armbrust gibt es nicht einfach so zu kaufen. "Das sind individuelle Geräte, die zusammengestellt werden. Man muss auch eine Zeit lang warten, bis ein Spezialist so etwas bauen kann", so Kreps. Für seine Armbrust plus Ersatzteile hat er bisher um die 4000 Euro ausgegeben, Tendenz steigend.
Zu seiner Ausrüstung gehören neben einem Fernglas zur Trefferbeobachtung unter anderem auch eine spezielle Sportbrille mit nur einem Glas, damit der Schütze die Scheibe besser anvisieren kann, ohne dass die Brille verrutscht.
Es geht um das Gesamtpaket
Dass Kreps so viel Zeit und Geld in das Armbrustschießen investieren kann, ist auch seiner Familie geschuldet. "Mein größter privater Erfolg ist meine Familie. Ohne diese als Rückhalt könnte man so etwas gar nicht machen", so Kreps und weiter: "Meine Frau ist insgeheim mein Manager, der alles hintenrum organisiert." Die Familie fährt teilweise mit zu den Wettbewerben, wo man immer wieder auf die gleichen Leute trifft. Der Vorteil einer Randsportart, die nur wenige betreiben, sei sicherlich, dass man sich untereinander kennt und schätzt. "Das ist wie eine große Familie beim Schießen.
Das Schöne am Einzelsport ist außerdem, dass man nach dem Schießen über andere Sachen spricht", erzählt Kreps. Denn es gehe ihm um das Gesamtpaket - nicht nur um Training und Wettbewerb.
Kondition wichtiger als Routine
Der Schießsport ist ein Bereich, in dem man auch noch im höheren Alter Erfolge erzielen kann. "Mit 35 Jahren, da wo es beispielsweise im Fußball vorbei ist mit der Karriere, geht es bei uns erst richtig los", sagt Kreps. Ohne Training geht aber nichts: Nicht die Routine mache den guten Schützen aus, sondern die Kondition. Kreps' Devise beim Schießen ist es, sich auf seine Technik zu konzentrieren und so gut es geht zu schießen. Denn wenn man sich vornimmt, auf eine gute Platzierung bei einem Wettkampf zu kommen, klappt es meist nicht.
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Ich habe viele Jahre Probleme gehabt und war immer weit weg vom Treppchen, weil ich zu viel gerechnet und gedacht und zu viel auf Ergebnisse geschaut habe", sagt Kreps. Erst in den vergangenen drei Jahren kamen die Erfolge, sowohl im Mannschaftsschießen als auch im Einzelnen. Dabei war sein persönlicher Höhepunkt bisher die Weltmeisterschaft 2015 im russischen Ulan-Ude am Baikalsee, wo er mit der Mannschaft in der Seniorenklasse den Titel verteidigt hatte.
Bei der diesjährigen Europameisterschaft ist Kreps stolz darauf, dass er zum dritten Mal in die Nationalmannschaft gekommen ist. "Es schießen immer nur die drei Besten von Deutschland in der Mannschaft, das ist ganz schwierig, überhaupt das Niveau zu haben, dass man so weit kommt", so Kreps.
Dass es am Ende sogar der Europameistertitel geworden ist, findet Bernhard Kreps "toll". Der Titel wird sicher nicht nur am selbstgebauten Dach für die Armbrust gelegen haben.
Erfolge 2013 wurde Bernhard Kreps zusammen mit der Mannschaft deutscher Meister. Im Jahr darauf durfte die Seniorenklasse zum ersten Mal bei der Heim-WM in Frankfurt starten. Kreps und seine Teamkollegen wurden Mannschaftsweltmeister. 2015 verteidigte die deutsche Mannschaft in Ulan-Ude den Weltmeistertitel. Bernhard Kreps wurde außerdem deutscher Vizemeister. Dieses Jahr holte die Mannschaft den Europameistertitel in Zürich.