Spendenaktion Bad Kissingen: Wenn die Parkbank das Bett ist
Autor: Charlotte Wittnebel-Schmitz
Bad Kissingen, Freitag, 10. Dezember 2021
Damit ein 18-Jähriger zur Schule gehen kann, mieteten die Mitglieder von Kidro eine Wohnung. Der Verein ist oft die letzte Instanz, um Menschen zu helfen, bei denen es sonst keiner macht.
Menschen fallen durchs Raster - derzeit besonders häufig - und auch in Bad Kissingen. Durchs Raster fallen, das heißt im Fall eines 18-Jährigen (zwecks Anonymisierung etwas verfremdet): Kein Einkommen, keine Wohnung, kein Kontakt zur Familie. Zusätzlich hat er eine Gerichtsverhandlung am Hals. Christian Fenn vom Verein "Kidro" kümmert sich um ihn.
Der Verein Kidro
Der Verein bietet eine Wärmestube, Drogenhilfe, Arbeitsprojekte, Möbellager und Integration durch Sport an. Das Ziel im Falle des Jungen: Von der Parkbank auf die Schulbank wechseln, um sich auf eine Ausbildung vorzubereiten.
Aber der Junge steckte in einem schwer überwindbaren Teufelskreis, berichtet Fenn. Ohne Einkommen kein Mietvertrag. Ohne Meldeadresse kein Bafög. Ohne Bafög wiederum kein Vermieter, der eine Wohnung zur Verfügung stellt. "Wenn es da keinen Sozialarbeiter gibt, der dich da durchschiebt, ist es für die Menschen einfacher, sich wieder auf die Parkbank zu legen", sagt Fenn.
Um dem Jungen trotzdem den Besuch der Schule zu ermöglichen, mieteten die Mitglieder des Vereins für den Jungen eine Wohnung. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Außerdem zahlt der Verein Essen, Schulutensilien, Kaution: Das Geld stammt aus Spendengeldern der vergangenen Weihnachtshilfe.
Regelwerk ist nicht für jeden praktikabel
"Die Weihnachtshilfe ist Gold wert", sagt Fenn. "Wenn wir die Wohnung nicht zahlen würden, wäre der Junge nicht an der Schule." Sobald der Junge Bafög erhält, soll er das Geld zurückzahlen. "Wir gehen sehr sorgsam mit den Geldern um."
Das ist nur eine Geschichte eines jungen Mannes, knapp umrissen. Im Jahr hat Fenn mit etwa 120 verschiedenen Menschen zu tun. Manche sieht er fast täglich, andere nur einmal.
Eine Erfahrung macht der Sozialarbeiter dabei oft. "Das Regelwerk ist für den normalen Menschen formuliert. Unsere Kundschaft wird dabei oft völlig vergessen." Beispiel Pandemie-Regeln: "Wie soll ein Obdachloser in Quarantäne gehen? Wie soll ein Obdachloser die Ausgangssperre einhalten?", fragt Fenn.