Solis String Quartet enttäuscht mit emotionslosem Tango

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Das Solis String Quartet und der Bandeonist Gianni Iorio im Kurtheater. Foto: Ahnert
Das Solis String Quartet und der Bandeonist Gianni Iorio im Kurtheater. Foto: Ahnert

Wer kammermusikalische Raffinesse erwartet hat beim Auftritt des Solis String Quartet mit einem Bandoneonspieler im Rahmen des Bad Kissinger Winterzaubers, der wurde enttäuscht. Stattdessen brachten die fünf Musiker nur emotionslosen Tango zu Gehör.

Wenn ein Streichquartett und ein Bandoneonspieler angekündigt werden, die Tangos von Astor Piazzolla und anderen spielen, dann hat man da gewisse Vorstellungen in Richtung einer kammermusikalischen Raffinesse. Vor allem, wenn man noch im Ohr hatte, mit welcher Delikatesse die vier Damen von "Salut Salon!" zwei Abende zuvor Piazzollas "Oblivion" oder "Adiós Nonino" gespielt hatte. Aber was die Besucher im Kurtheater tatsächlich erwartete, war etwas anderes: eine Art Popkonzert - und nicht einmal gut gemacht.

Das Hauptproblem war, dass das Solis String Quartet aus Italien mit Vincenzo di Donna und Luigi de Maio (Violine), Gerardo Morone (Viola) und Antonio di Francia (Violoncello) mit elektronischer Verstärkung spielte und dass auch das Bandoneon von Gianni Iorio verkabelt war - wie man es eben von Popkonzerten kennt. Man kann natürlich die grundsätzliche Frage stellen, was die fünf damit erreichen wollten.
Denn ein Streichquartett und auch ein Bandoneon sollten normalerweise in der Lage sein, einen Raum wie das Kurtheater auch "unplugged" akustisch zu füllen.

Zumal ein verstärktes Streichinstrument nicht unbedingt den größten Hörgenuss bietet, da aufgrund der Tonabnahme die ganzen reibenden "Arbeitsgeräusche" den Klang heiser machen - ein Phänomen, das für den Zuhörer nicht auftaucht, wenn er die unverstärkte Geige schon aus einer geringen Entfernung hört. Wenn dann noch das Team am Mischpult viel zu lange braucht, um die Lautstärke in die Nähe des einigermaßen erträglichen Maßes runterzuregeln, kann der Gesamtklang sehr schnell auf die Nerven gehen. Wer den Sound eines Ferrari-Motors mag, setzt sich ja auch nicht unter die Motorhaube.

Defizite bei der Gestaltung

Der andere Nachteil der Verstärkung machte es den Musikern leichter - eigentlich möchte man sagen: zu leicht. Zum einen mussten sie nicht so genau spielen, weil die Verstärkung ohnehin viel verwischte. Und man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie diese Freiheit ausnutzten. Unplugged hätten sie wesentlich genauer sein müssen. Und vor allem bei der buchstabierenden Spielweise von Gerardo Morone bekam man das - zweifellos falsche - ungute Gefühl, dass das eine oder andere Stück an diesem Abend auch für die Musiker neu war.

Die andere Erleichterung: Sie mussten nicht gestalten: Wenn der Klang ohnehin am Mischpult gemacht wird, müssen sie nur die Töne liefern. Und mehr taten sie tatsächlich auch nicht, verstanden ihre Instrumente vor allem rhythmisch-perkussiv. Und da vom Mischpult so gut wie gar nichts kam außer Lautstärke, fehlte ein Aspekt, der beim Tango eigentlich essentiell ist: Emotion. Es gehört schon viel Eigenwilligkeit dazu, Astor Piazzollas "Five Tango Sentiments" mit Titeln wie immerhin "Asleep", "Loving" oder "Anxiety" derart runterzuprügeln, alles viel zu laut, zu hart, zu gleich. Erstaunlich, dass den Musikern so etwas genügt.

Klangbalance aus dem Ruder

Sie hätten auch gestalterisch eingreifen müssen bei Piazzollas "Tango Fugata" und "Mozar tango", denn das Wesen der Fuge ist es, die Themenköpfe in den einzelnen Stimmen laut und alles übrige leise zu spielen. Von der Durchhörbarkeit war beim Solis Quartet nichts übrig geblieben. Antonio di Francias "Nella pioggia" verwandelte den Regen in hühnereigroße Hagelkörner, und bei Piazollas traumverlorenem "Oblivion" schien man sich einem Sägewerk zu nähern. Sicher etwas übertrieben. Aber 95 Minuten nur viel zu lauter Rhythmus bei oder trotz eines solchen Programms machte mürbe.

Ein Lichtblick war Gianni Iorio, der Bandeonist. Nicht nur, weil er ein fantastischer Virtuose auf seinem Instrument ist, sondern auch, weil der das Fähnchen der Musik hochhielt, weil er emotional spielte. Bei seinen Solonummern konnte man sich entspannt zurücklehnen.