Starke Einschränkungen im Alltag: Der Schicksalsschlag von Jonas (24) in Franken
Autor: Susanne Will
Münnerstadt, Donnerstag, 01. August 2019
Ein geplatztes Gefäß im Kopf führte bei Jonas (24) vor sechs Jahren zu einer vollständigen Lähmung. Der Appell seiner Mutter an alle Eltern: Lasst beim Arzt nicht locker.
"Erste Reihe: E, N, I, R, T, S, A." Keine Reaktion. Heike Thein macht weiter, ihr Blick ist fest auf die Augen ihres Sohnes Jonas gerichtet. "Zweite Reihe: D, H, L, U, O, C, G." Jonas zuckt nicht einmal. Dritte Reihe. "M, B, F..." Jonas blinzelt. F also. Nun weiß Heike Thein, mit welchem Buchstaben das Wort beginnt, das Jonas meint. Und weil sie ihren Sohn so gut kennt, errät sie auch gleich das Wort auf die Frage, auf was er sich am meisten freut, wenn er wieder zuhause ist: Flecky, seinen Hund. Jonas ist bei vollem Bewusstsein komplett gelähmt. Nur die Augen und ein wenig Mimik lassen eine Kommunikation zu. Seit sechs Jahren ist das so.
Jonas aus Uchenhofen bei Haßfurt lag kürzlich fünf Wochen im Thoraxzentrum in Münnerstadt. Er wurde in einem lebensgefährlichen Zustand eingeliefert. Mit einem Tracheostoma - ein Schlauchanschluss im Hals - und künstlicher Beatmung in der Nacht gelingt es nun seiner Lunge, wieder mehr Sauerstoff in Herz und Adern zu pumpen. So viel, dass er weiter leben kann. Doch das Leben, das er bis vor sechs Jahren führte, wird er nicht mehr zurückerlangen.
Es war der 21. Mai 2013, Jonas Thein ist 17 Jahre alt . Seine Tage bestanden aus der Ausbildung zum Industriemechaniker, seinen Handballfreunden, daneben liebte er alles, was nur im Entferntesten mit Traktoren zu tun hat. Die Eltern haben einen Hof im Nebenerwerb, dazu Felder und Schafe - für Jonas ist das ein Paradies.
Eine Jugend mit Kopfschmerzen
Schon früh hatte er mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Seine Mutter Heike: "Das begann in der vierten, fünften Klasse." Der Hausarzt riet zu Aspirin, andere Ärzte später sahen den Grund wahlweise im Wachstum oder in der Pubertät - oder auch im Psychosomatischen. Heike Thein probierte es aus, gab ihrem Sohn statt Aspirin ein Placebo. "Mama", so erinnert sie sich, "die neuen Tabletten kannst du vergessen - die helfen nicht", so erzählte es der Sohn.
Dass Jonas auf einer Zeitbombe saß, ahnte niemand. Deshalb hat sich Heike Thein an die Presse gewendet. "Kopfschmerzen, das klingt so harmlos. Aber ich appelliere an alle Eltern: Wenn sie nicht aufhören, dann drängt auf weiterführende Untersuchungen, lasst ein CT oder MRT machen, um das Hirn darzustellen."
Die Bombe zündet
Bei Jonas geschah das nicht, sie verließ sich auf die Ratschläge und Diagnosen. Die Bombe zündete am 21. Mai 2013. Jonas war mit dem Opa auf dem Traktor im Wald unterwegs, in fünf Tagen würde er 18 Jahre alt werden. Viel zu kurz nach der Abfahrt kam der Opa wieder zurück, aufgelöst. "Mit dem Jonas stimmt was nicht. " Jonas saß auf dem Traktor, hielt sich vor Schmerzen den Schädel, wimmerte "mein Kopf, mein Kopf" und verlor das Bewusstsein.
Im Leopoldina-Krankenhaus in Schweinfurt dann die Diagnose nach einer Not-OP: ein Aneurysma. Die sackartige Ausbuchtung einer Ader war geplatzt. Sie saß am Kleinhirn, das zuständig ist für den Bewegungsapparat, die Koordination, die Feinabstimmung.