Rückkehr zu familiären Wurzeln

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Erst in späten Jahren entdeckte der polnische Major Marcin Czekalski, dass seine Großeltern im Auffanglager Wildflecken für eineinhalb Jahre gelandet waren. Fotos: Gerd Schaar/Archiv
Erst in späten Jahren entdeckte der polnische Major Marcin Czekalski, dass seine Großeltern im Auffanglager Wildflecken für eineinhalb Jahre gelandet waren. Fotos: Gerd Schaar/Archiv
Der polnische Kommandeur Generalmajor Boguslaw Samol (links) und der deutsche Generalmajor Carsten Jacobson auf dem Polenfriedhof.
Der polnische Kommandeur Generalmajor Boguslaw Samol (links) und der deutsche Generalmajor Carsten Jacobson auf dem Polenfriedhof.
 
Geübt wird bei der Stabsübung ausschließlich am Computer.
Geübt wird bei der Stabsübung ausschließlich am Computer.
 
Hunderte Kilometer Kabel müssen für die Übungen im Gefechtssimulationszentrums gelegt werden.
Hunderte Kilometer Kabel müssen für die Übungen im Gefechtssimulationszentrums gelegt werden.
 
Vorn der polnische und hinten der deutsche Kranz zum Gedenken auf dem Polenfriedhof.
Vorn der polnische und hinten der deutsche Kranz zum Gedenken auf dem Polenfriedhof.
 
 
 
 

1500 Soldaten aus 21 Nationen üben derzeit den Ernstfall in der Rhönkaserne. Darunter ist auch der polnische Major Marcin Czekalski, dessen Großeltern nach dem Zweiten Weltkrieg im Auffanglager Wildflecken lebten.

Mit einer feierlichen Kranzniederlegung gedachten der polnische Generalmajor Boguslaw Samol und der deutsche Generalmajor Carsten Jacobson der Verstorbenen auf dem Polenfriedhof. Samol ist der Kommandeur des Multinationalen Korps Nordost aus Stettin und leitet zurzeit die internationale Stabsübung "Crystal Eagle 2013" mit über 1500 Soldaten aus 21 Nationen. Jacobson ist der Chef der 1.
Panzerdivision in Hannover.

Der polnische Friedhof befindet sich in unmittelbarer Nähe der Rhön-Kaserne unterhalb des Schulgeländes. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es ein von der US-amerikanischen Armee errichtetes Auffanglager für vertriebene Fremdarbeiter aus den Ostgebieten, berichtete Adolf Kreuzpaintner, der ehrenamtliche Sachwalter der Militärhistorie. In der kleinen Kapelle (Baujahr 1971) hielt er seine geschichtliche Rückschau. Zudem verewigten sich militärische Führungskräfte im Gästebuch.

Im Oktober 1945 waren rund 15 000 so genannte "displaced Persons" (unerwünschte Personen) in dem Lager angesiedelt. Fünf Krankenhäuser mit einem Dutzend Ärzten und rund 50 Krankenschwestern betreuten die Patienten. 1947 wuchs das Lager sogar auf 17 000 Bewohner an. Viele Polen fanden auf dem eigens eingerichteten Friedhof ihre letzte Ruhe. Neben dem Kreuz der Nationen weist auch eine Gedenkplatte auf jene Zeiten hin. 544 Polen wurden damals auf vier Erwachsenen-Grabfeldern und einem Kinder-Grabfeld beerdigt.

"Meine Großeltern Josef und Carolina waren eineinhalb Jahre lang unter diesen Vertriebenen", erzählt der polnische Major Marcin Czekalski. Die inzwischen verstorbenen Großeltern waren nach dem Lageraufenthalt wieder in ihre Heimatstadt Stettin zurück gekehrt. "Sie hatten sich in Wildflecken kennen gelernt und heirateten dort.
Der damalige Militärpfarrer traute sie", berichtet der Major, der bereits zum zweiten Mal zu einer Übung in die Rhön gekommen ist. Sein Onkel sei in Wildflecken zur Welt gekommen, seine Mutter jedoch in Polen geboren. Er selbst habe in seiner Familie nie einen Bezug zu Wildflecken erhalten. "Die Kriegs- und Nachkriegszeit war nie ein Thema in unserer Familie", sagt der 39-Jährige.

"Heute sind andere Zeiten als damals", betrachtet Czekalski diesen über 60 Jahre zurück liegenden Geschichtsabschnitt als längst abgeschlossen. Durch die deutsch-polnische Zusammenarbeit des Militärs beim multinationalen Korps Nordost in Stettin sei er auch mit Dänen in stetem Kontakt. "Bei den Einsätzen komme ich durch die ganze Welt", erinnert sich Czekalski zum Beispiel an seinen Einsatz in Afghanistan. Rund 50 Nationen hätten dort abwechselnd Seite an Seite zusammen gearbeitet. "So rückt auch Europa ein Stück näher zusammen", ist der polnische Major positiv überzeugt vom aktuellen Europagedanken.

Noch bis 26. April bereiten sich die mehr als 1500 Soldaten aus 21 NATO- und Nicht-NATO-Staaten in Wildflecken auf Einsätze im Rahmen der Krisenreaktion und der Konfliktnachsorge in Afghanistan, dem Kosovo oder im Irak vor. Die internationale Stabsübung "Crystal Eagle 2013" hat dabei nicht nur die Gegebenheiten im Einsatzgebiet im Blick, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen Soldaten aus unterschiedlichen Staaten. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf militärische Aufgaben, sondern die Einbeziehung örtlicher Regierungen und Organisationen.

Name Das Hauptquartier Multinationales Korps Nordost (HQ MNC NE) führt derzeit in der Rhön eine internationale Stabsübung unter der Bezeichnung "Crystal Eagle 2013" durch.

Ort Geübt wird im Gefechtssimulationszentrum Heer in der Rhönkaserne: Das Heer baute in den 1990er Jahren ein "Gefechtssimulationssystem zur Unterstützung von Plan-/Stabsübungen und Planuntersuchungen in Stäben und Großverbänden und an Schulen und Akademien mit Heeresaufgaben" (kurz GUPPIS) auf. Zunächst standen die Computer dezentral bei einzelnen Verbänden und wurden nur zu Großübungen zusammengezogen und vernetzt. 1997 fasste der Inspekteur des Heeres die Aufgabe in Wildflecken zusammen. Im Gefechtssimulationszentrum des Heeres finden im Jahr zwischen zehn und zwölf große Übungen mit bis zu 3000 Soldaten
statt. In der Dienststelle arbeiten rund 120 Soldaten und acht zivile Mitarbeiter.

Teilnehmer Neben dem Hauptquartier Multinationales Korps Nordost sind bei "Crystal Eagle 2013" vertreten: die 1. deutsche Panzerdivision aus Hannover zusammen mit der 4. Österreichischen Panzergrandierbrigade, der 10. Polnischen gepanzerten Kavalleriebrigade, dem slowenischen Chemischen, Biologischen, Radilogischen und Atomaren Abwehrbataillon, dem Multinationalen Militärpolizeibataillon der NATO und dem 9. Polnischen Aufklärungsregiment.