PS-Power statt "Pferdestärken"
Autor: Ewald Kiesel
Nüdlingen, Mittwoch, 30. März 2016
Nie war der Wandel auf dem Land so groß wie in den vergangenen 70 Jahren. Gewaltige Arbeitsmaschinen haben die Tiere ersetzt.
"Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt", so heißt es in einem alten Volkslied. Heute sind es nicht mehr Pferde, Ochsen oder Kühe, die eingespannt werden, sondern PS-starke Traktoren mit riesigen Arbeitsmaschinen. In kaum einer Zeit hat die Landwirtschaft einen solchen Wandel erlebt wie die letzten 60 bis 70 Jahren.
Es war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: Damals arbeitete noch der größte Teil der Landbevölkerung in der Landwirtschaft. Die meisten Betriebe in Haard waren Selbstversorger. Fast alle Arbeiten in der bäuerlichen Landwirtschaft wurden mit Hilfe von Kuh- oder Pferdegespanne verrichtet.
In diesem Zusammenhang war natürlich auch sehr viel harte, körperliche Arbeit notwendig, wie sie heute so gar nicht mehr vorstellbar ist. Aber die damaligen Menschen waren mit ihrer Arbeit zufrieden und es ging ihnen eigentlich auch nicht schlecht - so sagen es die meisten jedenfalls.
Arbeitsplätze in der Stadt
Brachliegende Flächen gab es kaum, es wurde alles genutzt. Das änderte sich erst, als Arbeitsplätze in Bad Kissingen und anderswo angeboten wurden und Arbeitnehmer dringend gesucht wurden. Da konnten die Menschen ihren Lebensunterhalt leichter und ohne großes Risiko verdienen. Das verdiente Geld wurde in Traktoren und Maschinen investiert.Auch wer einen Handwerksberuf ausübte, betrieb die Landwirtschaft oft nebenbei - was meist bis in die sechziger und siebziger Jahre so blieb. Am Wochenende und nach Feierabend schwärmten nahezu in jedem Hof die damals noch PS-schwachen Traktoren zur Bearbeitung der kleinen, schmalen Ackergrundstücke aus.
Weil damals noch keine so ausgereiften Bodenbearbeitungsgeräte, Chemie und Mineraldünger zum Einsatz kamen, gab es auch keine Überproduktion in der Landwirtschaft. Die erzeugten Nahrungsmittel erzielten daher einen guten Preis.
Der Preisverfall begann erst mit der Überproduktion von Nahrungsmitteln und dem Überschuss auf dem Weltmarkt. Mit dem immer niedrigeren Verkaufserlös konnte auf Dauer kein kleiner Hof mithalten. Es begann der gnadenlose Kampf ums Überleben.
Dies sahen die Vollerwerbs-Landwirte aus Nüdlingen als Chance und erweiterten ihre Familienbetriebe. In Nüdlingen gab es vor 40 Jahren noch 119 landwirtschaftliche Betriebe, von denen noch acht übrig geblieben sind. Sie werden heute im Voll- und Nebenerwerb betrieben. Landwirtschaftsmeister Franz Weber hat auf seinem Bauernhof vier leistungsfähige Schlepper laufen, mit insgesamt 645 Pferdestärken die auf seinen Äcker n zum Einsatz kommen. Der größte Fendt-Schlepper hat 260 PS unter der Haube, der kleinste 72 PS. In Haard gibt es heute nur noch einen Vieh-, einen Schweinemast- und einen Ackerbaubetrieb im Nebenerwerb. Denn die Devise lautete: "Wachsen oder weichen". Betrachtet man diese Entwicklung heute nüchtern, so kann man davon ausgehen, dass unsere Nachkommen einst das heutige Höfesterben für falsch halten. Denn mit dem Aufgeben jeder Hofstelle, egal ob groß oder klein, wurde und wird stets ein selbstständiges Familienunternehmen unwiederbringlich zerstört.